Hannover Masse in der Sackgasse

24.05.1985

Der Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie (ZVEI) hat jetzt gefordert, die CeBIT Hannover-Messe allen Herstellern von elektronischen Bauelementen, Bauteilen und Baugruppen der Nachrichtentechnik zu öffnen.

Mehr noch: Die im ZVEI-Fachverband Informations- und Kommunikationstechnik zusammengeschlossenen Firmen wollen ihre Telekommunikationsprodukte ausschließlich im CeBIT ausstellen - eine klare Absage an das hannoversche Teilungskonzept, das eine Doppelbeteiligung provozieren wollte, um die Industrie-Messe auch ohne CeBIT attraktiv zu halten: Läuft die Hannover-Messe AG in eine Sackgasse?

Die Entwicklung im ZVEI bestätigt zumindest, daß die Diskussion um die Hermes-Amputation längst nicht abgeschlossen ist, wie die Messe-Verantwortlichen in Hannover glauben machen wollten, als sie die Zellteilung Ende 1984 ankündigten.

Die von uns mehrfach ausgesprochene Vermutung, innerhalb der Verbände sei die Sache keineswegs gegessen (zuletzt in CW Nr. 17 vom 26. April 1985, Kolumne: "Messethema '85 war CeBIT 1986"), wird auch von einem inoffiziellen CW-Befragungsergebnis genährt, wonach sich insbesondere kleinere CeBIT-Ausstellerfirmen gegen das Messe-Splitting ausgesprochen haben. Eine launige Begründung lieferte Heinzgünther Klaus, Pressesprecher von Honeywell Bull, in einem Gedicht: "Wo die Hermesköpfe der Messe-AG simultan nicht weiterwachsen, vergammelt CeBIT im März und im Schnee zur östlichsten BÜFA von Niedersachsen."

So gut wie sicher ist, daß die Rechnung der Messe-Manager nicht aufgehen wird. Man war davon ausgegangen, daß sich unvermeidbare Abgrenzungsprobleme (siehe Bauelementebereich und Nachrichtentechnik) schon irgendwie lösen lassen würden. Jetzt zeigt sich, daß die Vorbereitung der Teilung ungenügend war.

Mit massivem Widerstand der Aussteller hatte man nicht gerechnet. Der formiert sich jetzt. Indiz für die härtere Gangart, die etwa der ZVEI in der Teilungsfrage einschlagen will, ist die Nominierung von Dr. Roland Mecklinger, Vorstandsmitglied der SEL AG, für einen Sitz im Ausstellerbeirat der Hannover-Messe. Mecklinger gilt als Gegner der Teilung. Die ZVEI-Beschlüsse (siehe oben) können denn auch als Ultimatum an die Messe-AG gewertet werden, das Hin und Her zu beenden - auf dem Boden des ZVEI-Programms, versteht sich. Neue Chiptechnologien nicht auf der Industrie-Messe? Schwer vorstellbar, wie das funktionieren soll? Anderseits: Geht die Messe-AG auf die ZVEI-Vorstellungen ein, macht sie ihr eigenes Konzept kaputt. Dann hätten wir eine erweiterte CeBIT-Schau und eine Rumpf-Messe ohne Überlebenschance: Gerade dies hatten die Leinestädter vermeiden wollen. Die Hannover-Messe in der Sackgasse?

Noch ist nichts entschieden. Bleibt zu fragen wer die besseren Karten hat. Die Teilungsidee enthält mit Sicherheit eine Fehleinschätzung seitens der Messe-AG, die Vorstellung nämlich, man könne die Informations- und Kommunikationstechnik in einen CeBIT-tauglichen und einen nur bedingt CeBIT-tauglichen Teil auseinanderdividieren - letzterer geeignet, die Industrieschau zu schmücken.

Der DV-Industrie dämmert, daß Messe-Macht noch lange keine gute Messe macht. Wie hatten wir doch vor wenigen Wochen geschrieben: "Man stelle sich vor, das Münchner Oktoberfest würde in ein Sauf-Forum und in einen Karussell-Kongreß aufgesplittet."