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Handys organisieren den Alltag

03.01.2008
Von Handelsblatt 
Die Nutzung von Websiten, das Lösen von Bus- und Bahntickets oder die Navigation in Städten - moderne Handys werden immer mehr zum universellen Begleiter. Dank UMTS lässt sich schon heute die gesamte Welt des Internets unterwegs nutzen. Und der Trend weg vom reinen Telefon wird auch die Zukunft der Mobilfunk-Branche bestimmen.

BERLIN/DÜSSELDORF. Telefonieren wird bei Handys immer mehr zur Nebensache. Was zählt, sind Multimediafunktionen und hohe Speicherkapazität. Künftige Handy-Generationen werden zudem im Wortsinne wegweisend sein, denn Navigation liegt im Trend - den Handyhersteller Nokia und Mobilfunkanbieter O2 vorgezeichnet haben. Das Handy wird zum universellen Begleiter, das selbst das Lösen eines Bus- oder Bahntickets erleichtert. Die schelle Datenübertragung per UMTS ist fast schon Standard, um die gesamte Welt des Internets unterwegs zu nutzen.

"Immer öfter werden GPS-Empfänger zur Navigation integriert", sagt Manfred Breul. Laut dem Telekommunikationsexperten beim Branchenverband Bitkom werden immer mehr Webseiten Handy-tauglich. Die "mobilen Varianten", wie die Fahrplanabfrage und Buchung bei der Bahn, kommen ohne Spielerei aus, sind einfach aufgebaut und gut lesbar. Gleichzeitig optimieren die Handyhersteller die Displays in den Telefonen. So verfügt nicht nur das iPhone von Apple über einen großen Touchscreen, sondern auch neue Geräte von LG und Samsung. Weitere werden folgen. "Die Displays werden größer und höher auflösend, so dass auch normale Webseiten besser genutzt werden können", sagt der Bitkom-Experte.

Davon profitiert auch die Darstellung grafischer Informationen, wie beispielsweise von Straßenkarten. Im Vergleich zu festinstallierten Autonavis oder mobilen Geräten ist der Vorteil von Handys, dass sie über das mobile Internet tagesaktuelle Karteninformationen herunterladen können, so dass auch neu eingerichtete Baustellen sicher umfahren werden.

Eine neuartige metergenaue W-Lan-Lokalisierung, die das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) entwickelt hat, soll zudem die Navigation in Städten verbessern, die zuweilen durch Aussetzer des satellitengestützten GPS in der Nähe von hohen Gebäuden und in Straßenschluchten unterbrochen wird. Zusammen mit dem Telefonbuch Verlag Hans Müller wollen die Fraunhofer-Forscher die Technik Anfang des Jahres in einer lokalen Suche mit den "Gelben Seiten" präsentieren. Dann können Nutzer, ohne zu wissen wo sie sich genau befinden, ein Taxi rufen oder sich via Handy zu einer Werkstatt lotsen lassen - und zwar ohne langatmig Straßennamen eingeben zu müssen.

"Dabei machen wir uns zunutze, dass es in Städten eine Überabdeckung mit W-Lan-Netzen gibt und immer mehr Handys W-Lan-fähig werden", erklärt Entwickler Steffen Meyer. Um die exakte Position zu bestimmen, wertet eine Software die Signalstärke mehrerer Drahtlosnetzwerke aus, die vorher in einer elektronischen Karte auf dem Handy hinterlegt worden sind. So könne selbst in Gebäuden, in denen die satellitengestützten Positionsbestimmung versagt, der Standort bis zu einen Meter genau ermittelt werden.

"Die Technik ist ideal für Führungssysteme, vor allem dort, wo GPS nicht funktioniert", sagt Karin Loidl, beim ISS für das Technologie-Marketing zuständig. Die Fraunhofer-Mitarbeiterin sagt der Technik eine große Zukunft voraus, weil sie Lücken schließt, keine Verbindung zu einem Server benötigt und sogenannten Location-Based-Services endlich zum Durchbruch verhelfen könnte, von denen die Diensteanbieter schon seit Jahren träumen.

Eine weitere zusätzliche Funktion von Handys wird 2008 weiterentwickelt: das Bezahlen von Bus-, Bahn- und Schiffstickets. Immer mehr Städte und Verkehrsverbünde testen den Bezahldienst. Der Fahrgast muss sich nur einmal im Internet anmelden und kann ab dann mit einem Java-fähigen Internet-Handy vor Antritt der Reise seine virtuelle Fahrkarte buchen. Das Geld wird via Lastschrift, Kreditkarte oder von einem Prepaid-Konto eingezogen.

Um das Lösen des Tickets zu vereinfachen, setzen einige Verkehrsunternehmen auf die sogenannte Nahfeldtechnik, eine drahtlose Datenübertragung, die auf der Radiofrequenz-Technik (RFID) basiert, die zunehmend in der Warenlogistik genutzt wird. Anders als RFID hat die Nahfeldkommunikation allerdings nur eine Reichweite von wenigen Zentimetern. Zum Bezahlen hält man das Mobiltelefon, das mit einem speziellen Chip ausgestattet ist, an das Lesegerät am Fahrkartenautomaten. Entwertet wird dann im Bus, indem man das Handy ebenfalls an ein entsprechendes Lesegerät hält.

Wenn es nach Philips und Sony ginge, die diese Bezahltechnik für Handys entwickelt haben, könnte das Mobiltelefon bald zur elektronischen Geldbörse werden und selbst das Kleingeld an der Supermarktkasse ersetzen. In Frankreich testen die Firmen bereits die Akzeptanz des neuen Mobilfunkdienstes.

Während diese Idee erst getestet wird, sind die Handyhersteller beim Vertrieb von Musik über das Mobilfunknetz wesentlich weiter. Motorola, SonyEricsson und Nokia haben kürzlich extrem flache MP3-Handys mit großem Speicher und speziellen Musiktasten gelauncht - und hoffen so, das Geschäft anzukurbeln. "Musik-, Video- und Podcast-Downloads sind ein großes Thema. Was mit iTunes und Musicload am PC begann, setzt sich nun bei Handys fort", ist Bitkom-Experte Breul überzeugt. Die Handyfirmen werden eigene Downloadportale betreiben und versuchen, mit exklusiven Highend- und Lifestylegeräten, mehr Geld zu erlösen. Ob sich allerdings eine Umsatzbeteiligung à la Apple branchenweit herausschlagen lässt, wagt der Bitkom-Mann zu bezweifeln.