CW-Wert

Handys in die Oper!

15.10.2004

Wir alle regen uns ja angeblich auf, wenn mitten in Donna Annas Schmerzenssolo über Don Giovannis mieses Verhalten ein Handy schrillt. Und wir alle dachten natürlich, allein das kakophone Gebimmel, das in den Kunstgenuss hinein fährt wie ein meuchelnder Dolch, sei genug der frevlerischen Banausentat. Weit gefehlt!

Eine Untersuchung von Andrew Monk und seinen Kollegen an der Universität York hat ergeben, dass sich Zuhörer weniger an der Lautstärke eines Handys und eines Handy-Telefonats stören, dessen Zeugen sie unfreiwillig werden. Vielmehr irritiert die Mithörer, dass sie immer nur einem der beiden Gesprächspartner lauschen können.

Alexandra Lenard von der Universität Würzburg hat für dieses Phänomen eine Erklärung parat: "Menschen sind Sinnsucher", sagt sie. Lägen nur Bruchstücke von Informationen vor, wie etwa bei einem Telefonat, bei dem man immer nur einen Gesprächspart verfolgen kann, steige automatisch die Aufmerksamkeit. Schließlich sei der Mensch an sich und überhaupt immer so angelegt, sich ein Gesamtbild zu erschließen.

Wir haben das ja schon längst gewusst. Weshalb wir im Gegensatz zum Theater, zu Opernhäusern und Restaurantbesitzern fordern, Handys sollten immer angeschaltet bleiben. Wir fordern sogar, dass Mobilfunktelefone grundsätzlich auf Lautsprecher geschaltet gehören. Jeder soll immer vollständige Informationen über mitgehörte Gespräche erhalten. Denn im Umkehrschluss zu den Erkenntnissen von Monk und Lenard würde sich wahrscheinlich niemand mehr gestört fühlen, wenn man wüsste, worüber Menschen am Handy so reden.

Wenn also mitten im Don Giovanni mein Nachbar und ich von dessen Ehefrau erfahren, dass der Kleine gerade wieder in die Hosen geschissen hat, ist das befriedigender als der unverständliche Ausruf "die Sau". Dann ist für mich die Welt und der Kunstgenuss wieder in Ordnung.