Handy-TV soll endlich flügge werden

15.02.2008
Die Protagonisten des mobilen Fernsehens üben sich wieder in Optimismus: Nach dem bloßen Hype im Fußball-WM-Jahr 2006 soll das Mobiltelefon-Fernsehen in Europa zur EM und den Olympischen Spielen nun tatsächlich durchstarten.

Mittlerweile räumen selbst die Verfechter des Handy-Fernsehens ein, dass zur WM 2006 Marketing-Fehler gemacht wurden. "Die Idee, ein Fußballspiel auf dem Handy zu verfolgen", kritisiert Azzedine Boubguira, Vice President beim Mobile-TV-Chipsatzhersteller Dibcom, "konnten nur Leute propagieren, die noch nie ein TV-fähiges Handy gesehen hatten." Ferner, so Boubguira weiter, habe die Technik eine gewisse Reifezeit benötigt. "Schließlich wurden GSM, UMTS oder GPS auch nicht über Nacht zur Erfolgsgeschichte", übt sich der Manager in Optimismus.

Stand der Technik

Eine weitere Erklärung für die häufig negativen Assoziationen zum Handy-TV hat Claus Sattler, Executive Director des Broadcast Mobile Convergence Forum (bmcforum): "Handy-TV wurde mit dem Video-Streaming per UMTS verglichen, was qualitätsmäßig aber ein himmelweiter Unterschied ist." Während bei UMTS nur um die 15 Frames pro Sekunde übertragen werden, warte das Handy-TV mit 25 bis 30 Bildern pro Sekunde auf. Zudem sei die Bildqualität der Handys heute wesentlich besser als im WM-Jahr 2006. Dem kann man nur zustimmen: Die auf dem Mobile World Congress in Barcelona ausgestellten Testgeräte der jüngsten Generation zeigen ein deutlich schärferes Bild als die Modelle der ersten Stunde und erscheinen mit einer Akkulaufzeit von drei bis vier Stunden auch alltagstauglich. Und die Bildqualität soll noch besser werden: Während DVB-H noch nicht durchgestartet ist, diskutiert die Branche für 2011/12 mit DVB-H2 bereits die nächste Stufe, die unter anderem mit Turbocodecs zur Videodarstellung aufwarten soll.

Einwände, dass wohl kaum jemand wegen des Fernsehens im Daumenformat ein neues Mobiltelefon kaufen werde, lässt Sattler nicht gelten: "Alle zwölf bis 24 Monate tauschen die Benutzer ihr Handy im Zuge der Vertragsverlängerung ja eh aus, und das nächste Modell wird dann halt einen TV-Empfänger enthalten."

Technik und Verfügbarkeit der Endgeräte sind jedoch nur zwei Aspekte, die über den Erfolg des mobilen Fernsehens entscheiden. Am wichtigsten dürfte die Frage nach den Inhalten sein. Hier sind sich die Experten einig, dass es mit einer einfachen Übernahme existierender Programme nicht getan ist, zumal etliche Sender für ihren zugekauften Content teilweise keine Senderechte für das Handy-TV besitzen. Ferner würden die bestehenden TV-Formate teilweise nicht den Sehgewohnheiten der mobilen Benutzer gerecht. Daraus zu schließen, dass für das Handy-TV nur Fünf-Minuten-Beiträge geeignet sind, ist laut Sattler allerdings falsch. Nach einer Studie des bmcforum, das sich als Vermittler zwischen den verschiedenen Playern im Mobile-TV-Geschäft sieht, schauten die Teilnehmer an den Pilotversuchen im Schnitt zwischen 20 und 40 Minuten am Stück fern.

Spezifische TV-Inhalte gefordert

Zudem gebe es im Gegensatz zum klassischen TV keinen Gipfel am Abend, sondern einen gleichmäßigen Nutzungsverlauf über den Tag. Deshalb glauben sowohl Boubguira als auch Sattler, dass das Programm anfangs aus einem Mix von traditionellen und Handy-spezifischen Inhalten bestehen wird. Befürchtungen, dass Medienkonzerne und andere Unternehmen kein Geld für das Erzeugen neuer Inhalte ausgeben wollten, teilt Boubguira nicht: "In Frankreich haben sich beispielsweise 36 Firmen für 13 Mobile-TV-Kanäle beworben." Allerdings warnt Sattler davor, jetzt eigene Mobile Channels zu schaffen, denn damit könnten die User noch nichts anfangen, "die Sender müssen vielmehr auf ihren eingeführten Markennamen aufbauen".

Business-Modelle

Als Business-Modell sehen die Experten anfangs eine Mischung aus einer geringen monatlichen Gebühr und Einnahmen für Werbespots. Die Zukunft gehöre auf dem Handy allerdings der interaktiven Teilnahme am Fernsehen durch Anrufe oder SMS: "Hier ist im Gegensatz zum herkömmlichen Fernsehen die Interaktion nur einen Klick entfernt." Eine andere Idee sind mobile Videotheken. Per Handy-TV würden permanent die Trailer ausgestrahlt, während der eigentliche Film dann per HSPA ausgeliehen beziehungsweise auf das Handy heruntergeladen würde. Vorstellbar sind aber auch neue interaktive Werbeformen, die sich mit Location based Services (LBS) koppeln ließen. Bis diese neuen Geschäftsmodelle zum Tragen kommen, dürften aber noch zwei Jahre ins Land gehen. (hi)