Handelskammer Hamburg investiert in Dokumentenverwaltungssystem 13 Tonnen Firmenaktenarchiv in das neue System integriert

13.10.1995

Von Ingo Claussen*

Die Hamburger Handelskammer (HK) archiviert ihre Akten neuerdings mit dem SNI-System "Arcis-IHK". Mit dem elektronischen Archiv will man nicht nur Platz sparen, sondern spaeter auch entsprechend den Anforderungen einer umfassenden Dokumentenverwaltung aufstocken koennen. Die HK ist eine der groessten Kammern in der Bundesrepublik.

Basis fuer die Loesung war ein Pflichtenheft mehrerer Handelskammern. Die Umsetzung legten die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) und die IHK-GfI (Gesellschaft fuer Informationsverarbeitung mbH, Dortmund und Goeppingen) als System- und Softwarehaus der deutschen IHKs gemeinsam in die Haende des SNI-Partners Comline GmbH, Dortmund. Als Basis fuer das elektronische Firmenaktenarchiv diente das branchenneutrale Arcis- Grundsystem der SNI.

Die einzelnen Komponenten (Hardware und Software) wurden bei Comline implementiert, vorinstalliert, getestet und dann schluesselfertig uebergeben.

Ziel war die einheitliche Archivierung der Firmenakten. Weiterhin sollte Schriftgut aus diesen Akten nach vorgegebenen Merkmalen ueber das vorhandene PC-Netz (Ethernet) recherchiert werden koennen. Das Netz arbeitet mit Novell Netware V 3.12, als Netzwerkprotokoll wird TCP/IP eingesetzt. Die einzelnen Recherchearbeitsplaetze werden mit PCs mit mindestens 486DX2/50-CPU, 8 MB RAM und einer 250-MB-Festplatte ausgeruestet.

Das Archivsystem wurde als Client-Server-Architektur realisiert. Aus Sicherheits- und Performance-Gruenden fiel die Entscheidung fuer die Systemsoftware fuer den Server auf ein Unix-Derivat (Sinix). Der eingesetzte Server, ein RISC-basierter SNI RM400, uebernimmt die Verwaltung der Benutzer, der relationalen Datenbank Informix- Online 5.0 sowie der optischen Speichermedien (WORM-Jukebox) und stellt die Archivdienste den Windows-Clients zur Verfuegung.

Ein MS-Windows-PC mit X.11-Emulation und 21-Zoll-Monitor wird fuer die Archiv-Server-Administration genutzt. Dieser PC ist auch mit einem Mod/WORM-Lesegeraet ausgestattet, das dazu dient, die eingescannten Altbestaende von der Servicefirma einzulesen, da diese per wiederbeschreibbarer Magneto Optical Disc (MOD) angeliefert werden. Der Scan-Platz fuer die taeglichen Neuaufnahmen ist mit einem Fujitsu-Scanner ausgestattet, der eine Leistung von 15 bis 20 Seiten pro Minute hat und auch DIN-A3-Belege verkraftet.

Mehr als die Haelfte der eingesetzten PCs sollen zukuenftig auf das Archiv zugreifen. Heute sind acht Arbeitsplaetze im Einsatz, Ende des Jahres sollen 20 eingebunden sein. Fuer Klaus Rohwedder, Leiter der Abteilung Organisation/DV der Handelskammer Hamburg, ist die Integration von 120 PC-Anwendern spaetestens bei der Nutzung des Sachaktenarchives beschlossene Sache.

Die Mitgliederverwaltung erfolgt ueber eine BS2000-Host- Applikation. Fuer die Archivierung der Daten wird der Sinix-Rechner genutzt. Monatliche Updates sorgen fuer die Aktualitaet der Firmendaten im Archiv. Die Datenaenderungen (Neuanlagen, Modifikationen etc.) werden in der Host-Datenbank vorgenommen und einmal im Monat in das Archiv ueberspielt.

Weiterhin koennen die Mitarbeiter, die mit der Host-Anwendung arbeiten, direkt auf das Archiv zugreifen, wenn zusaetzlich archivierte Informationen benoetigt werden. Auf dem Host-Rechner werden Beitragsbescheide in das Archivsystem uebernommen und automatisiert den jeweiligen Firmenakten zugeordnet. Fuer diese Belege gilt ein zusaetzlicher Zugriffsschutz.

Der zu verwaltende Bestand umfasst zirka 50000 Firmenakten mit durchschnittlich zirka 20 Seiten. Der taegliche Zugang betraegt zirka 500 Seiten. Die Leserechte sind differenziert nach Benutzern festgelegt. Innerhalb einer Firmenakte werden die einzelnen Dokumente in verschiedene Aktenfaecher einsortiert. Fuer den Zugriff auf eine einzelne Firma dient eine Firmen-Identnummer als eindeutiger Schluessel. Jeder Firmenakte ist ein Aktendeckel mit den Grunddaten der jeweiligen Firma zugeordnet.

Das Archiv kann sich an die vom Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) vorgegebene Musteraktenordnung (MAO) halten. Dieses kammereinheitliche Ablageschema beruht auf einer Zuordnungssystematik mit etwa 20000 zwoelfstelligen Nummern. Jeder Nummer sind 200 Byte fuer die Bezeichnung und 300 Byte fuer bis zu zehn Stichwoerter zugeordnet.

Gegenwaertig wird jedoch noch nicht nach der MAO archiviert. Die HK Hamburg hat sich der Praktikabilitaet wegen fuer sieben logische Aktenfaecher entschieden, auf die die Firmenangaben nach Sachfragen aufgeteilt archiviert werden. Jedes Fach wird durch einen Datentraegerpool abgebildet. Das hat den Vorteil, dass die Anwender in der Kammer gleich entsprechend sachlichen Gesichtspunkten suchen koennen. So werden sie schnellstmoeglich mit den benoetigten Informationen bedient. Der zweite Grund fuer die Aufteilung nach Sachfragen sind die unterschiedlichen Aufbewahrungsfristen. Wenn ein WORM-Datentraeger (WORM = Write Once, Read Multiple) voll ist, kann er nach Ablauf einer festgesetzten Zeit aus der Jukebox herausgenommen werden und im Panzerschrank aufbewahrt werden. Das Archivsystem verweist bei entsprechenden Anfragen natuerlich auch auf diese Daten und ihren Aufbewahrungsort.

Die Kammerbeitraege werden nach der Wirtschaftskraft der

Betriebe, nach ihren Gewerbeertraegen, festgelegt. In einem separaten Datenpool werden die Beitragsbescheide archiviert und zusaetzlich vor unberechtigtem Zugriff ueber Passwort abgesichert.

Altbestand sollte mit archiviert werden

Es handelt sich hierbei um codierte Informationen in Form von Druckdateien, die im Archiv uebernommen werden. Die dazugehoerigen Formulare werden in separaten Dateien archiviert. Bei dem Ausdruck werden die variablen Daten in das entsprechende Formular gemischt. Diese Vorgehensweise ist erheblich wirtschaftlicher hinsichtlich Arbeitsaufwand und Speicherplatzbedarf, als wenn man die Originalbelege einscannen, indizieren und dann archivieren wuerde.

Die Aufbewahrungsfristen sind je nach Erfordernis festgelegt.

Eine unverzichtbare Forderung an den Auftragnehmer war, dass auch der Altbestand mit archiviert werden konnte. Er umfasste ungefaehr 60 000 Ordner. Eine Firmenakte kann aus bis zu zwoelf Ordnern bestehen. Die Bestaende waren bisher in einem Raum von ungefaehr 80 Quadratmetern in Schraenken abgelegt.

Die Akten befanden sich in 18 hohen Rollschraenken, die mit Leitern erstiegen werden mussten. Zusaetzlich kamen noch zehn Meter Regalwand hinzu. Insgesamt wog allein das Papier 13 Tonnen.

Dieser Platz wurde fuer neue Bueros dringend benoetigt. Zudem sollten die HK-Mitarbeiter einen einfachen Zugriff auf die Firmenakten erhalten. Diese sind in erster Linie ein internes Arbeitsmittel fuer die Handelskammer. Durchschnittlich greift jeder Mitarbeiter, der fuer seine Taetigkeit Archivmaterialien benoetigt, drei- bis viermal am Tag auf das Archiv zurueck.

Einscannen und Indexieren uebernahm eine Servicefirma

Bei der Uebernahme des Archivbestands wurde die Firmenzuordnung ueber die Handelsregisternummer durchgefuehrt.

Diese Nummer stellt somit auch die Verbindung zwischen den Handelsregisterdaten in der Verwaltungsdatenbank und der Akte im Archiv her. Das Einscannen und das Indexieren des Altbestandes uebernahm eine Servicefirma. Zirka 80 Prozent des Altbestands sind bereits neu archviert.

Ab 1996/97 sollen auch die Sachakten in das elektronische Archiv eingebunden werden. Dabei soll ein vorgangsgerechter Arbeitsfluss vom Posteingang bis zum fertig bearbeiteten Produkt organisiert werden. Die Technik ist hierfuer bereits in der IHK vorhanden und fuer das Archiv vorgesehen. Denkbar ist dabei, dass die eingehende Post nach Archivierungswuerdigkeit vorsortiert wird. Sehr umfangreiche Anlagen zu Dokumenten sollen zum Beispiel nur fallweise eingescannt und archiviert werden.

Schon heute vermerkt ein Registrator zu jedem Dokument, welcher Bearbeiter es erhalten soll, ob zum Beispiel die Geschaeftsfuehrung sofort informiert werden muss etc. Dieses Verfahren muss DV- technisch abgebildet werden. Zusaetzlich wird dann der Vorgang mit einer Identifizierungsnummer fuer die Registratur versehen.

Fuer die Administration musste bei der HK kein umfangreiches Fach- Know-how aufgebaut werden. Der Administrator regelt, welche Mitarbeiter der HK grundsaetzlich Zugang zum System beziehungsweise detaillierte Recherche- und Archivierungsrechte fuer einzelne Aktenfaecher haben. Zusaetzlich nimmt der Administrator das automatisierte Back-up vor.

Fuer beide Stufen ist der Systemadministrator mit gesonderter Zugangsberechtigung zustaendig. Bei der Aufnahme eines Benutzers registriert er den Namen und vergibt ein Passwort und die Rechte fuer die einzelnen Aktenfaecher. Das Anmelden am System ist nur moeglich, wenn ein registrierter Name mit dem zugehoerigen Passwort am PC eingegeben wird. Fuer jedes einzelne Aktenfach kann dabei jede Kombination aus Recherchieren, Archivieren und Administrieren festgelegt werden. In der Auswahlbox werden stets nur die Aktenfaecher angezeigt, auf die der angemeldete Benutzer bei der gewaehlten Funktion (Recherche, Archivieren) Zugriff hat.

Das System ist mit einer Jukebox fuer maximal 144 WORM-Disks mit pro Stueck 1,3 GB Kapazitaet ausgestattet.

Zum jetzigen Zeitpunkt werden ungefaehr 50 Diks fuer das Archiv genutzt. Im Endausbau des Firmenaktenarchivs werden rund 70 bis 80 WORM belegt sein. Heute werden zwei Laufwerke zum Schreiben und Lesen eingesetzt.

Unix-basiertes System auch fuer andere IHKs geeignet

Die installierte Archivloesung ist in Richtung weiterer Anwendungen ausbaufaehig. "Das ist auch der Grund, weshalb wir uns mit Arcis fuer ein Unix-basiertes System entschieden haben", so Org.-/DV-Chef Rohwedder.

Die IHK-GfI entscheidet bei der Produktauswahl nach den Kriterien Zukunfts- und Investitionssicherheit. Sie richtet sich dabei an den Beduerfnissen der Kammern aus. Die in Hamburg installierte Archivloesung ist von der IHK-GfI massgeblich mitgestaltet worden und wegen ihrer hohen Integrationsfaehigkeit fuer andere IHKs ebenso geeignet.

* Ingo Claussen, Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG, Paderborn.