Steuert der Bundestag Richtung Open Source?

Halbherziger Wunsch der Politik nach Linux

26.10.2001
MÜNCHEN (wh) - Geht es nach dem Willen einiger SPD-Abgeordneter, so arbeiten die Angestellten des Deutschen Bundestags künftig mit Linux- statt mit Windows-PCs. Doch die Landes- und Bundesbehörden fahren in Sachen Open Source einen Schlingerkurs. Hinter den Kulissen hat Microsoft seine Lobbying-Aktivitäten ausgeweitet.

"Mein Wunsch wäre es, den Bundestag zur Microsoft-freien Zone zu erklären", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss. "Ich halte es nicht für verantwortbar, dass wir im Parlament Software einsetzen, deren Quellcode nicht offen gelegt ist."

Ob der Wunsch des SPD-Vertreters in Erfüllung geht, kann derzeit niemand beantworten. Fest steht, dass die zirka 5000 PC-Systeme in der Bundestagsverwaltung spätestens Ende 2002 ausgetauscht werden müssen. Dann stellt Microsoft den Support für das bislang verwendete Betriebssystem Windows NT 4.0 ein.

Über die IT-Ausstattung der Volksvertreter entscheidet der Ältestenrat des Bundestags. Er orientiert sich an einer Vorlage, die die beigeordnete IuK-Kommission derzeit erarbeitet. Mit einer Entscheidung sei allerdings erst Anfang 2002 zu rechnen, so der Kommissionsvorsitzende Uwe Küster gegenüber der CW.

Die Bundesbehörde lässt sich damit ungewöhnlich viel Zeit. Bereits im April demonstrierte IBM gemeinsam mit Suse Linux ein Open-Source-System in Berlin.

Derzeit würden in der Bundestagsverwaltung einige Testsysteme installiert, berichtet Michael Rissmann, Geschäftsstellenleiter der Berliner Suse-Dependance. Für die Clients kämen Office-Pakete wie Suns "Star Office" oder "K-Office" vom Open-Source-Projekt KDE in Betracht. Auf Länderebene hat Suse bereits zwei Pilotprojekte mit Linux-Clients und -Servern erfolgreich abgeschlossen. Ein drittes Projekt werde vorbereitet.

Microsoft hält sich in dieser Sache bedeckt. Der Bundestag evaluiere derzeit verschiedene IT-Systeme, darunter auch Microsoft-basierte, erklärt Sprecher Thomas Baumgärtner. Im derzeitigen Stadium wolle man dazu keinen weiteren Kommentar abgeben. Das vielfach angeführte Kostenargument mag er dennoch nicht gelten lassen: Berücksichtige man die Verwaltungsaufwendungen für Open-Source-Software, koste sie auf lange Sicht mehr Geld als Microsoft-Systeme.

Bundes- und Landesbehörden fahren in Sachen Open Source derzeit alles andere als einen klaren Kurs. Erst vor einigen Wochen etwa schloss das Bundesinnenministerium einen Rahmenvertrag über die Nutzung von Microsoft-Programmen in der öffentlichen Verwaltung. Als Verhandlungsführer fungierte die Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung (KBSt) im Bundesinnenministerium. In internen Schreiben empfiehlt die KBSt aber gleichzeitig den Einsatz von Open-Source-Software. Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) spricht sich für quelloffene Programme aus.

Microsofts aggressives LobbyingInnerhalb der Bundes- und Landesverwaltungen hätten sich zwei Lager gebildet, die an unterschiedlichen Stellen ihren Einfluss geltend machen, ist aus dem Umfeld des Bundestags zu hören. Die Verwaltung scheue noch davor zurück, sich klar zu Open Source zu bekennen. Eine solche Entscheidung hätte in jedem Fall Modellcharakter. "Wenn es zum Schwur kommt, überwiegt die Angst vor der eigenen Courage", kritisiert ein Insider das Verhalten einiger Behörden. Vor allem Microsoft selbst betreibe "massives Lobbying". Der Konzern versuche, Ängste zu schüren, etwa mit dem Argument, Open-Source-Software funktioniere in großen Verwaltungen nicht.

Was Lobbying konkret bedeutet, erfuhr der SPD-Bundestagsabgeordnete Hubertus Heil, der sich öffentlich für Open Source ausgesprochen hatte. Während eines Besuchs der Microsoft-Zentrale im US-amerikanischen Redmond wurden ihm zwei "Begleiter" des Konzerns zur Seite gestellt, die ihn "massiv bearbeitet haben", berichtet Fraktionskollege Tauss. Es könne nicht Sache des Staates sein, sich in wirtschaftliche Angelegenheiten einzumischen, erklärten ihm die Microsoft-Ökonomen. Tauss: "Der kam richtig geschockt zurück."

Die SPD-Fraktion setzt bereits seit 1995 Linux-Server ein. Derzeit sind Web-Server, Firewalls und File-Server installiert. Auf den rund 300 Client-PCs der Fraktion arbeitet derzeit noch Windows NT 4. Gegenwärtig teste man die Open-Source-Software "Star Office", erläutert Küster. Entscheidend dabei sei die Interoperabilität mit Office-Programmen aus der Microsoft-Welt. Linux bringt für ihn gewichtige Vorteile mit sich. "Der Einsatz von Open-Source-Software sorgt für Wettbewerb. Monopole sind nie gut." Linux laufe sehr stabil und sei zudem preisgünstig. Für Tauss geht es zunächst darum, einen lebendigen Wettbewerb um das Bundestagsprojekt zu schaffen. Dazu aber müsse die Open-Source-Gemeinde aktiver werden. "Ein Bundestag ohne Microsoft-Software wäre ein wichtiges Symbol."