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Haben bei Bäurer die Banken das Sagen?

09.08.2001
Die Aktionäre der Bäurer AG wurden in den vergangenen Monaten hart geprüft: Die Firma hat sich auf ihrem offenbar überzogenen Akquisitionsmarathon im In- und Ausland vergaloppiert und muss sich stark über Bankkredite absichern.

Von Andrea Goder *

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Aktionäre der Bäurer AG wurden in den vergangenen Monaten hart geprüft. Entsprechend harsch fiel die Kritik der Anleger auf der Hauptversammlung aus, die vor einigen Wochen in Stuttgart stattfand. Mit 21 Euro war das Papier im Dezember 1999 am Neuen Markt an den Start gegangen. über 150 Euro erreichte es in der Spitze, um dann eine noch rasantere Talfahrt hinzulegen. Heute notiert der ERP-Titel unter vier Euro. Und was mindestens genauso so schlimm ist: Der Kursverfall der Bäurer-Aktie vollzog sich parallel zum finanziellen Substanzverlust des Unternehmens.

Was Firmengründer Heinz Bäurer dabei vor allem zu schaffen machen dürfte, ist die Tatsache, nicht mehr uneingeschränkter Herr im eigenen Haus zu sein. Um finanzielle Engpässe zu Beginn dieses Jahres abzuwenden, stellten mehrere Banken dem Unternehmen einen Kontokorrentkredit in Höhe von 27,5 Millionen Mark zur Verfügung. Als Gegenleistung verpfändete Bäurer 2,5 Millionen Aktien aus seinem Besitz. Auch weitere Bankkredite sind mit Aktien des Firmenchefs besichert. Mit anderen Worten: Der 48-jährige Vorstandssprecher, mit 56 Prozent der Anteile immer noch formell Mehrheitseigner, hat mehr als die Hälfte seines Aktienpakets verpfändet. Bereits im vergangenen Jahr wurden laut Geschäftsbericht zudem Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten durch "Globalabtretungen der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Sicherheitsübereignung des Warenlagers und Verpfändung der Rechte am EDV-Programm Kifos" besichert.

Dass die Situation des Unternehmens heute so angespannt ist, hätte man sich noch vor einem Jahr nicht träumen lassen. Immerhin erwirtschaftete der mittelständische ERP-Anbieter bis 1998 ordentliche Gewinne und stemmte das kontinuierliche Wachstum der letzten Jahre aus eigener Kraft. Dann allerdings wurde mit dem Going Public ein verhängnisvolles Kapitel in der mittlerweile 20-jährigen Firmengeschichte aufgeschlagen.

Übernahmen nahezu im Monatsrhythmus

Knapp 50 Millionen Mark Emissionserlös spülte der Schwarzwälder ERP-Company der Börsengang in die Kassen. Heinz Bäurer, der bei seiner mittelständischen Klientel als bodenständiger und solider Unternehmer gilt und erst im Juni zum Vizepräsidenten des Herstellerverbands Bitkom gewählt wurde, verfiel einem regelrechten Kaufrausch Ð und vertraute offenbar den falschen Beratern. Nur drei Wochen nach dem IPO hatten sich die Badener mit der Regensburger Unternehmensberatung UBG GmbH und dem Softwareunternehmen CAI Systemhaus GmbH in Würzburg bereits zwei Unternehmen einverleibt. In diesem Tempo ging es weiter. Nahezu im Monatsrhythmus folgten vergangenes Jahr immer neue Übernahmen, die allerdings am Kapitalmarkt längst nicht mehr mit Kurssprüngen honoriert wurden.

Dank der Zukäufe konnte der Umsatz bis zum Jahresende 2000 auf 163,1 Millionen Mark hochgefahren werden. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von 72 Prozent. Doch bei allem Wachstum hatten die Schwarzwälder das Geldverdienen vergessen. Während die Kapitalspritze aus dem Börsengang schnell aufgebraucht war, schlitterte die Company von Quartal zu Quartal tiefer in die Verlustzone. Bis Ende 2000 war schließlich ein Fehlbetrag von 24,6 Millionen Mark aufgelaufen (1999: minus 13,2 Millionen Mark).

Trotz der bereits angespannten Finanzlage kündigte Bäurer noch im November vergangenen Jahres die Übernahme des ERP-Geschäftsbereichs "Distribution Solutions" der AC-Service AG an - alles andere als eine "Perle", denn in den vergangenen beiden Jahren musste der Stuttgarter IT-Dienstleister herbe Umsatz- und Gewinneinbußen in dieser Sparte hinnehmen. Der Deal, der der Bäurer AG in Folge entsprechend vorgesehener Migrationsangebote in erster Linie eine Erweiterung des eigenen Kundenstamms bringen sollte, bedeutete also zunächst hohe Aufwendungen für Sonderabschreibungen.

Teuer zu stehen kam die Übernahme, die laut Kaufvertrag zu einem Preis von 11,4 Millionen Mark in bar erfolgen sollte, die Bäurer AG dann aber auch noch in anderer Hinsicht. Da die Firmenkasse im vierten Quartal 2000 bereits klamm war, bürgte der Vorstandschef zunächst mit einem Aktiendarlehen (250000 Aktien), das Ende Dezember noch dem Kaufpreis von 11,4 Millionen Mark entsprach. In trockene Tücher konnte der Deal allerdings erst im Januar (und nach einer zwischenzeitlich erfolgten Kapitalerhöhung) gebracht werden.

Offenbar um Liquiditätsengpässe zu überbrücken, wurden im Mai dieses Jahres auch die Anteile an der Openshop AG (7,4 Prozent) veräußert. "Die strategische Kooperation mit Openshop gab keinen Sinn mehr", stellt Heinz Bäurer den Verkauf allerdings in ein anderes Licht. Noch zum Börsengang hatte die Allianz mit dem Ulmer New-Economy-Unternehmen Bäurer jedenfalls zu einer glanzvollen IPO-Story verholfen. Die Shop-Lösung von Openshop wurde in die neue Version von Bäurers ERP-Standardsoftware integriert, die heute "B2" heißt. Durch Zukäufe wurde die objektorientierte ERP-Lösung auch um Module in den Bereichen Customer-Relationship-Management (CRM) und Supply-Chain-Management (SCM) ergänzt.

Verlustreiches CRM-Abenteuer

Ob sich die Investments bezahlt machen, bleibt abzuwarten. Bäurer adressiert mit seinen Produkten vorwiegend mittelständische Fertigungsbetriebe - eine Klientel, die als konservativ gilt. Als wenig glücklichen Schachzug in der Akquisitionsstrategie werten Analysten zumindest die Übernahme der Münchner TPS Labs AG. Der CRM-Anbieter wies allein im vergangenen Jahr zwei Millionen Mark Verlust aus.

Auch Heinz Bäurers Vision eines E-Business-Portals für den Mittelstand hat mittlerweile an Glanz verloren. Gemeinsam mit Openshop wurde vor einem Jahr das Joint Venture B-Gate AG gegründet. Mit Hilfe der B-to-B-Handelsplattform "B-Gate" sollten Firmen einer Branche vernetzt werden, um Geschäftsprozesse im Ein- und Verkauf zu verbessern. Bislang wurde allerdings mit "Openoptics", einem Marktplatz für die Augenoptikerbranche, erst ein Projekt umgesetzt und viel Geld dabei verbrannt. "Betreiber für Marktplätze zu finden ist im Moment nicht ganz einfach", musste Heinz Bäurer auf der Hauptversammlung denn auch einräumen.

ERP-Kerngeschäft läuft nicht gut

Doch auch Bäurers Kerngeschäft, der Verkauf von Softwarelizenzen samt produktnaher Beratung, ist seit Monaten in einer schlechten Verfassung. Laut Firmenchef liegt das Wachstum im ERP-Markt derzeit bei mageren sechs Prozent. Was um so fataler ist, als die ursprünglichen Wachstumsprognosen führender Marktforschungsunternehmen hier wesentlich höher zielten. Unter dem konjunkturbedingten Einbruch im Markt leiden auch mittelständische Konkurrenten wie Infor, Brain International, PSI oder Navision, die den Wettbewerb immer mehr über den Preis entscheiden. CEO Bäurer glaubt deshalb, im vergangenen Jahr

"nicht preisaggressiv genug" aufgetreten zu sein.

Dumpingpreise der Wettbewerber dürften aber im Moment nicht das zentrale Problem der Schwarzwälder sein. Vielmehr geht es für sie jetzt darum, die Kontrolle über die vielen Baustellen im In- und Ausland zu behalten. Neben 18 deutschen Geschäftsstellen ist Bäurer heute in insgesamt 13 Auslandsmärkten präsent. Niederlassungen gibt es neben Großbritannien und Frankreich auch in den USA und in Indien. Mit Filialen in Polen, Ungarn, Rumänien und Tschechien wurde bereits der osteuropäische Markt besetzt. "Wir haben nichts anderes getan als das, was unsere Kunden von uns erwartet haben. Das heißt, in den Ländern zu sein, in denen auch sie operieren", verteidigte Bäurer vor den Aktionären seine teure Expansionsstrategie.

Noch stehen die Anstrengungen aber in keiner Relation zu den Ergebnissen. Erst sieben Prozent der Einnahmen (11,7 Millionen Mark) wurden im letzten Geschäftsjahr im Ausland erzielt. Als größter internationaler Verlustbringer der Firmengruppe entpuppte sich dabei die in Los Angeles ansässige Tochtergesellschaft, die im letzten Jahr marginale Umsätze erzielte (0,3 Millionen Mark) und auch in diesem Jahr rote Zahlen schreiben wird. "2002 muss in den USA zumindest eine schwarze Null erreicht werden", lautet Bäurers Ziel.

Standortschließungen und Entlassungen

Um den Konsolidierungsprozess zu beschleunigen, will man jetzt auf die Kostenbremse treten. Standorte sollen zusammengelegt und Verwaltungskosten reduziert werden. Mitarbeiter, die im Jahr 2000 in der allgemeinen Euphorie "auf Vorrat" (Bäurer) eingestellt wurden, müssen wieder entlassen werden. Bis zum Jahresende sollen zehn Prozent der 950 Beschäftigten (Stand: 31. Dezember 2000) davon betroffen sein.

Um dringend benötigtes Kapital zu beschaffen, wird laut Bäurer derzeit auch der Ausstieg aus Beteiligungen diskutiert. "Wir betreiben aber jetzt keinen Ausverkauf", beteuert der Firmenchef, dessen Handlungsspielraum jedoch stark eingeschränkt ist. Auch in der Branche und der Financial Community, wo seit Wochen Gerüchte über das angeblich prekäre Ausmaß der finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens die Runde machen. Je tiefer der Aktienkurs in den letzten Monaten sank, umso höher dürfte jedenfalls der Druck der Banken auf die Bäurer AG geworden sein. Schließlich ist das Aktienpaket, mit dem man Ende Januar die gewährte (und zum 1. September erstmals kündbare) Kreditlinie besicherte, heute nur mehr ein Fünftel wert. Heinz Bäurer indes lassen solche Spekulationen noch kalt: "Wir brauchen von den Banken derzeit keine Zusage zur Kreditverlängerung, da unsere Linien bis in den Dezember hinein gesichert sind", gibt er gegenüber der CW zu Protokoll. Da man stets gerade im vierten Quartal einen hohen Umsatz und Cashflow erwarte, bestehe hier "aktuell auch kein Handlungsbedarf".

Warten auf das zweite Quartal

Fest steht: Weitere Verluste kann sich das Unternehmen wohl kaum mehr leisten. Bäurers ursprüngliches Ziel, in diesem Jahr ein Ebit von rund 13,5 Millionen Mark zu erzielen, halten jedoch selbst wohlwollende Analysten für unrealistisch. Für zunehmende Spannung dürfte deshalb Ende August, wenn die Zahlen für das zweite Quartal gemeldet werden müssen, allemal gesorgt sein. Mirko Maier, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg

(LBBW), die auch Konsortialführerin beim Börsengang war und heute einer der Kreditgeber der Bäurer AG ist, rechnet jedenfalls mit einem "deutlich niedrigeren Ergebnis".

Im ersten Quartal 2001 erzielte das Unternehmen rund 38,3 Millionen Mark Umsatz und musste erneut ein negatives Ebit von 7,8 Millionen Mark ausweisen. Heinz Bäurer zufolge hat sich die Konjunktur in der IT-Branche seit dem zweiten Quartal "deutlich verschlechtert". Von dem bereits eingeleiteten Restrukturierungskurs erhofft sich der Firmenchef "ein Kostensenkungspotenzial in Millionenhöhe". Sein verhaltener Ausblick: "Wir müssen erst abwarten, wie sich diese Effekte noch in diesem Jahr auf unsere Erfolgsrechnung auswirken werden. Sicher ist aber, dass bereits im zweiten Halbjahr der Ergebnistrend deutlich nach oben zeigen wird.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München