Wie Startups die Insolvenz vermeiden

Guter Rat für Gründer in der IT

16.11.2016
Von 
Susanne Köppler ist nach einigen Jahren als Praktikantin und freie Mitarbeiterin in den Redaktionen des IDG Medienhauses nun als Content Managerin Events für die inhaltliche Ausgestaltung der Channel- und C-Level-Events bei IDG verantwortlich.
Immer weniger IT-Experten wagen die Selbstständigkeit. Kein Wunder: Studien belegen, dass nur jedes zehnte Startup langfristig erfolgreich ist. Welche Fehler die Jungunternehmer begehen und wie sie sich davor schützen sowie im Krisenfall richtig handeln, erläutert Professor Lucas Flöther, einer der führenden deutschen Sanierungsexperten.
  • Alle 20 Stunden wird ein IT-Unternehmen in Deutschland gegründet.
  • Lösen Startups ein Problem am Markt, das so nicht wahrgenommen wird, ist das Scheitern vorprogrammiert.
  • Im Schnitt benötigt ein IT-Startup in den ersten zwei Jahren 2,4 Millionen Euro frisches Kapital.

Mehr als die Hälfte aller Startups in Deutschland kommt aus der IT-Branche. Die meisten Neugründungen sind mit 15,3 Prozent dem Bereich Software-as-a-Service (SaaS) zuzuordnen, gefolgt von den Segmenten E-Commerce (10,1 Prozent) und IT/Softwareentwicklungen (8,6 Prozent). Das überrascht wenig, gelten IT-Startups mit ihren Technologien und Entwicklungen doch als äußerst innovativ. Dennoch ist die "Kultur des Scheiterns" auch in der IT-Startup-Szene allgegenwärtig: "Das Scheitern von Startups kann viele Gründe haben", sagt Professor Lucas Flöther, Sanierungsexperte und Insolvenzverwalter. "Meist liegt es daran, dass wesentliche Prinzipien missachtet werden, die für den langfristigen Erfolg entscheidend sind."

Eine gute Idee allein reicht nicht aus. Unternehmer brauchen auch ein solides, finanzielles Fundament, betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Branchen-Know-how, um wettbewerbsfähig zu sein.
Eine gute Idee allein reicht nicht aus. Unternehmer brauchen auch ein solides, finanzielles Fundament, betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Branchen-Know-how, um wettbewerbsfähig zu sein.
Foto: Aysezgicmeli - shutterstock.com

Gute Konjunktur geht zulasten der Innovation

Laut DIHK-Gründungsreport 2016 ist das momentan nachlassende Gründungsinteresse auch ein Spiegelbild der guten Konjunktur. Fähige junge Menschen finden zu Zeiten des Fachkräftemangels schnell einen Job und wollen lieber Angestellter statt Unternehmer werden. Flöther sieht darin allerdings ein Risiko für die Volkswirtschaft: "Diese Entwicklung ist fatal, leisten doch innovative Ideen und Technologien einen entscheidenden Beitrag, damit die deutsche Wirtschaft an Dynamik gewinnt." Laut Zukunftsatlas 2016 sind besonders IT-Gründungen für das digitale Ökosystem von Regionen entscheidend. So schaffen Gründer der Digitalbranche nicht nur Tausende Arbeitsplätze in Deutschland, sie tragen auch maßgeblich zum Gelingen der digitalen Transformation bei. Digitalisierung und Innovationsfähigkeit stehen somit in engem Zusammenhang. "Als Insolvenzverwalter sehe ich immer wieder, dass eine gute Idee allein nicht ausreicht", erklärt Flöther. "Unternehmer brauchen auch ein solides, finanzielles Fundament, betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Branchen-Know-how, um dauerhaft wettbewerbsfähig zu sein. Wer dann doch in Schieflage gerät, sollte darauf vorbereitet sein."

Finde ein Produkt für deine Kunden

Hightech-Startups bewegen sich in einem volatilen Umfeld. Alle 20 Stunden wird ein IT-Unternehmen in Deutschland gegründet, entsprechend groß ist die Konkurrenz. Gründer sollten sich deshalb fragen: Bringt meine Idee einen wirklichen Zusatznutzen, der für den Kunden einzigartig ist? "Wenn Nutzer sagen, die Idee ist ganz nett, aber kaufen würde ich sie nicht, hat man nichts gewonnen", gibt Flöther zu bedenken. Damit sich ein IT-Unternehmen etablieren könne, müssten zudem Märkte adressiert werden, die ausreichend groß seien. Das heißt: Lösen Startups ein Problem am Markt, das als solches nicht wahrgenommen wird, ist das Scheitern vorprogrammiert.

Finanzierung als Hindernis

Aber auch finanziell müssen Gründerunternehmen erhebliche Hürden überwinden. Im Schnitt benötigt ein IT-Startup in den zwei Jahren nach der Gründung die stolze Summe von 2,4 Millionen Euro frisches Kapital, um seinen Finanzierungsbedarf zu decken. Gerade Hightech-Startups müssen anfangs große Investitionen tätigen und machen somit zwangsläufig erst einmal Verluste. Das Problem: Bis eine Finanzierung zustande kommt, vergehen in der Regel Monate.

Professor Lucas Flöther: Eine Krise kann junge IT-Unternehmen schnell treffen.
Professor Lucas Flöther: Eine Krise kann junge IT-Unternehmen schnell treffen.
Foto: Flöther & Wissing

Rund 55 Prozent der Jungunternehmer fühlen sich von den langwierigen Finanzierungsrunden abgeschreckt, so das Ergebnis einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom. Nur jedes dritte IT-Startup gab zudem an, in den nächsten 24 Monaten über ausreichende finanzielle Mittel zu verfügen. Grund dafür sind neben den langen Finanzierungsverhandlungen häufig auch grobe Kalkulationsfehler. Dabei ist es entscheidend, dass Unternehmer alle wichtigen Kennzahlen auf den Tag genau abrufen können. "Dies gilt insbesondere für alle Verbindlichkeiten und deren Fälligkeiten", warnt Flöther. "Dazu zählen allerdings nicht nur die Kreditoren aus der Offene-Posten-Liste wie zum Beispiel Lieferanten. Auch die Höhe und Fristen von Zahlungen an Krankenkassen, das Finanzamt, Arbeitnehmer oder Banken sind entscheidend." Und: Besonders in der Anfangszeit müsse das Ausfallrisiko von Kunden einkalkuliert werden.

Bei der Finanzierung spielen öffentliche Fördermittel für IT-Gründer eine wichtige Rolle. Aber auch Business Angels und Risikokapitalgeber gewinnen weiter an Bedeutung. Das Risiko dabei: Solche kleinteiligen und informellen Investments sind häufig undurchschaubar; Risiken und Laufzeiten werden nicht hinreichend überblickt. "Ist erst mal ausreichend Kapital vorhanden, müssen Jungunternehmer langfristig planen", erklärt der Sanierungsexperte. "Sobald die gute Konjunktur nachlässt, ist der negative Effekt auf Neugründer umso heftiger. Besonders dann, wenn sie über eine zu geringe Eigenkapitaldecke verfügen."

Auch Krisen können gemeistert werden

Problematisch und zur Geduldsprobe wird für IT-Startups oft auch die Auswahl der Mitarbeiter. Laut Bitkom ist jedes vierte Hightech-Unternehmen vom Fachkräftemangel betroffen. Zahlreiche Stellen in der Digitalbranche sind unbesetzt. Top-Programmierer und andere Digitalexperten werden von Konzernen abgeworben, für die jungen Gründer ist die Auswahl eher gering. Hinzu kommt, dass mehr als die Hälfte aller Jungunternehmen an internen Streitigkeiten scheitern, so die Berliner Startup Academy. Schließlich erfordert die Gründung einer Firma enormen persönlichen und finanziellen Einsatz. Geschäftspartner müssen also hinsichtlich Strategien und Risiken an einem Strang ziehen. Das gilt nicht zuletzt für wirtschaftliche Ernstfälle. "Eine Krise kann junge IT-Unternehmen schnell treffen", berichtet Flöther aus seiner Berufspraxis. Wer aber in guten Zeiten die eigene Finanz- und Marktsituation kritisch prüfe und rechtzeitig entschlossen reagiere, könne auch in Krisen wieder auf die Beine kommen, ehe es zu spät sei.

Zu schnelles Wachstum kostet Liquidität

Die Ursachen für Krisen sind vielfältig. Sie reichen von Zahlungsunfähigkeit bei Kunden oder Geschäftspartnern über Krankheiten oder Wirtschaftskrisen bis hin zu unzureichender Unternehmensplanung, mangelhafter Betriebsführung oder fehlerhafter Kalkulation. "Für Internet-Startups ist es deshalb besonders wichtig, langfristig zu denken", so Flöther, der in seiner Karriere über 1000 Insolvenzverfahren betreut hat. "Ein guter Unternehmer weiß mehrere Monate im Voraus, dass zum Beispiel ein Liquiditätsbedarf durch größere Investitionen, Darlehensrück- oder Steuerzahlungen ansteht." Erwirtschaftet ein Startup die ersten Überschüsse, gilt es dieses Geld langfristig im Unternehmen einzuplanen und Rücklagen zu bilden. Flöther warnt deshalb auch vor zu schnellem Wachstum. "Wachstum kostet Liquidität. Wer nur wachsen will um des Wachsens willen, hat schnell ein existenzielles Problem, wenn die Eigenkapitalrücklagen gering sind." Häufig haben Jungunternehmer nur den Umsatz und weniger den Ertrag im Fokus. Das kann schnell Liquiditätsprobleme auslösen.

Schlittert ein IT-Gründer dennoch in die Insolvenz, muss das nicht das Ende bedeuten. Im Gegenteil: Die Zahlungsunfähigkeit kann sogar die unangenehmen Folgen einer finanziellen Katastrophe abwenden. Am Ende der Insolvenz kann nämlich die Entschuldung des Unternehmens stehen, sodass ein Neuanfang gewagt werden kann. Voraussetzung ist, frühzeitig zu reagieren: Wer trotz Pleite die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens versäumt, erfüllt den Straftatbestand der Insolvenzverschleppung.

Lohnt sich eine Firmengründung?

Bleibt die Frage, ob sich die Gründung eines Startups bei so vielen Risikofaktoren lohnt. Studien sagen ganz klar: Ja. Der Deutsche Startup-Monitor hat ergeben, dass die Gründer von Startups deutlich zufriedener mit ihrer Lebenssituation sind als Angestellte. Selbst wenn das eigene Unternehmen aufgegeben werden müsse, würden mehr als 80 Prozent weiterhin einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen. Zwei Drittel der Befragten würden sogar ein neues Startup gründen. "Gründer, die zur richtigen Zeit mit der richtigen Idee auf den Markt treffen, haben große Chancen. Wer darüber hinaus alle Risiken stets im Blick behält und rechtzeitig handelt, wird auch langfristig erfolgreich sein", resümiert Flöther. (pg)