Bildschirmarbeit erhöht den Arbeitsstreß

Gute Monitore sind bloß ein kleiner Teil der Ergonomie

04.01.1991

MÜNCHEN (hp) - Berichte über die Schädlichkeit von Bildschirmstrahlungen haben vor allem weibliche Dauer-User in Angst und Schrecken versetzt. Da negative Auswirkungen bisher weder nachgewiesen noch ausgeschlossen werden konnten, raten Experten zum Kauf von strahlungsarmen Monitoren. Für das Wohlbefinden des Mitarbeiters ist jedoch die gesamte Arbeitssituation wichtiger als die pure Hardware.

"Ergonomie ist mehr als eine Sammlung von DIN-Normen", erklärte Theodor Peters, staatlicher Gewerbearzt, auf dem von Nokia Data veranstalteten Seminar "Computer-Arbeitsplatz und Gesundheit" in Bad

Reichenhall. Für ihn sind medizinische Probleme bei der Arbeit mit dem Rechner nicht zwangsläufige Folge der Technologie, sondern in den meisten Fällen die Folge von schlechten Arbeitsbedingungen. So spiele bei dem Wohlbefinden der Mitarbeiter die soziale und psychische Zufriedenheit eine weitaus größere Rolle als die rein technisch bedingte Ergonomie, die aber trotzdem nicht vernachlässigt werden dürfe. "Der größte Streß im Büro entsteht aus der Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation", meint Peters.

Großen Einfluß auf die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes hätten Klima, Licht und Lärm, wobei vor allem die Wechselwirkungen zuwenig berücksichtigt würden. Als Beispiel nennt er die Wärmestrahlung von Kopierern und Computern, die die Luftfeuchtigkeit in den Büros senke.

Die größten gesundheitlichen Bedenken gegenüber den Computer-Arbeitsplätzen werden im Bereich der Bildschirmstrahlung geäußert. Die Forschungsergebnisse sind kontroverse die Konsequenzen recht unterschiedlich. Während in Skandinavien schon seit einigen Jahren strikte Vorschriften bestehen, die Obergrenzen für Bildschirmstrahlungen festlegen, wird dieser Bereich in den meisten anderen Ländern eher großzügig gehandhabt. In Schweden sind schwangere Frauen von der Bildschirmarbeit befreit, in der Bundesrepublik gibt es diesbezüglich keine Vorschriften. Inzwischen vergibt der TÜV das Prädikat "Ergonomisch geprüft", das sich an den schwedischen Richtlinien orientiert.

Bei Bildschirmen mit Kathodenstrahlröhren entstehen elektrostatische Felder und elektromagnetische Wechselfelder im Bereich von 15 bis 30 Kilohertz. Einige Auswirkungen der elektrostatischen Felder auf den Menschen sind bekannt, etwa die Funkentladung und das Aufrichten von Körperhaaren. "Aber um wissenschaftlich haltbare Aussagen über die gesamten Auswirkungen der Bildschirmstrahlungen auf den Menschen zu machen, gibt es zuwenig Forschungsergebnisse", sagte Marino Menozzi vom Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich auf der Bad Reichenhaller Veranstaltung. Allerdings seien genetische Schädigungen nach dem derzeitigen Forschungsstand fast vollständig auszuschließen.

"Wissenschaftliche Untersuchungen über die Auswirkungen von Magnetfeldern auf den Menschen sind sehr aufwendig. Mit diesem Geld könnten statt dessen strahlungsarme Bildschirme gekauft werden", kommentiert Michael Kundi vom Institut für Umwelthygiene in Wien. Maßnahmen, die zu einer starken Verringerung der elektromagnetischen und elektrostatischen Strahlung führen, nennt Menozzi: geerdete Bildschirmoberfläche, erhöhte Luftfeuchtigkeit und spezielle Ablenkspulen.

Sehstörung als Folge von Überbeanspruchung

Bei der Arbeit am Rechner werden vor allem die Augen beansprucht. "Nach vier Stunden ununterbrochener Bildschirmarbeit konnten wir eine Kurzsichtigkeit von durchschnittlich 0,2-5 Dioptrien feststellen. Eine Normalisierung der Sehfähigkeit tritt erst nach 15 bis 20 Minuten wieder ein", meint Bernhard Kurz vom Institut für Ergonomie der technischen Universität München. Zudem sei bei den meisten Arbeitsplätzen der Sehabstand nicht optimal, was besonders bei älteren Mitarbeitern mit starken Beanspruchungen des Akkomodationsapparates verbunden sei. Haben Mitarbeiter Probleme mit den Augen, so muß es aber nicht immer nur am schlechten Bildschirm, ungünstiger Belichtungssituation oder an der mangelnden Brille liegen. Laut Peters kann auch mentale Überanspruchung zu Sehstörungen führen.

Daß Computerarbeit für viele Mitarbeiter zur Belastung werde, liegt unter anderem an der starren Anordnung von Bildschirm und Tastatur. Dies führe zu Zwangshaltungen, die zu Verspannungen und auf Dauer zu chronischen Haltungsstörungen führen könnte. Im Gegensatz zur Tastatur, bei der immer gleiche Bewegungsabläufe zur Uberbeanspruchung führen könnten, setze der Schreiber bei der normalen Handschrift den ganzen Arm ein.

Zum gleichen Ergebnis kommt Kurz: "Die Tastaturen sind völlig unergonomisch. "Es gebe schon benutzerfreundliche Entwicklungen, bei denen die Tastatur, aus zwei geneigten Teilen mit einer Auflage für die Hände bestehen. Zudem seien die Buchstaben anders angeordnet. Die Untersuchungsergebnisse dieser Entwicklung seien sehr positiv ausgefallen. "Nach einer Eingewöhnungszeit von acht Stunden schrieben die Versuchspersonen um 15 Prozent schneller - und das bei niedriger Belastung von Fingern, Armen und des Schulterbereiches. Leider konnte sich diese ergonomische Ausführung nicht am Markt durchsetzen", beklagt Kurz.

Der schönste Bildschirm und die ergonomisch ausgefeilteste

Tastatur nützen wenig, wenn schlecht ausgearbeitete Software die Nerven der Anwender strapaziert. Zudem müssen bei den unkomfortablem Produkten lange Lernzeiten und somit teure Schulungen in Kauf genommen werden. Software-Ergonomie ist deshalb für DV-Kunden eines der wichtigsten Kaufkriterien. Rolf Ilg vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation plädiert für eine einheitliche Benutzeroberfläche, die den Schulungsaufwand beträchtlich verringere. Für Unternehmen, die selbst Programme entwickeln oder anpassen, hätte sich eine Richtlinie für die Entwickler als nützlich erwiesen.