Der PDA-Pionier steht nicht so gut da wie seine Aktie

Gute Börse verdeckt die Schwächen der Palm-Story

10.03.2000
NEW YORK (CW/IDG) - Das Börsendebüt des kalifornischen Handheld-Spezialisten Palm übertraf selbst die kühnsten Erwartungen. Das Unternehmen ist momentan deutlich höher bewertet als seine Muttergesellschaft 3Com. Inzwischen hat sich das Niveau der Aktie aber halbwegs normalisiert. Auch die Business-Strategie des Wallstreet-Newcomers lässt einige Fragen offen.

Der Börsengang am Donnerstag vergangener Woche hatte selbst für die Verhältnisse an der Nasdaq Ungewöhnliches zu bieten. Jedenfalls kam es bis dato nur höchst selten vor, dass nach dem IPO einer Company diese schon am Ende des ersten Handelstages eine deutlich höhere Marktkapitalisierung vorweisen konnte als ihre Muttergesellschaft. Mit einem Ausgabekurs von 38 Dollar gestartet, kletterte das Papier zeitweise auf über 165 Dollar und schloß mit 95,06 Dollar. Damit errechnete sich für den Kleincomputer-Hersteller ein Börsenwert von 53,4 Milliarden Dollar - fast doppelt so viel wie für die Konzernmutter 3Com. Obwohl der kalifornische Netzequipment-Anbieter nur 23 Millionen Aktien beziehungsweise 4,1 Prozent seiner Palm-Anteile ausgegeben hatte, brachte das Going Public die stattliche Summe von 874 Millionen Dollar in die Kasse des 3Com-Spinoffs.

Beobachter an der Wallstreet werteten den Erfolg von Palm als weiteren Beleg für die Zukunftsperspektive, die die Anleger in Segmenten des IT-Markts wie Internet und Wireless-Computer sehen. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass sich die gute Resonanz des Palm-Papiers an der Börse beileibe nicht mit dem Senkrechtstart vieler Internet-Aktien vergleichen lässt. Die hohe Bewertung von Palm müsse man vor allem im Verhältnis zur derzeit eher schwachen strategischen Performance der Konzernmutter 3Com sehen (siehe Seite 50 "Blick an die Nasdaq"), hieß es. Zu Beginn dieser Woche notierte die Palm-Aktie denn auch bereits deutlich geringer - zuletzt bei Werten um knapp über 80 Dollar.

Immer mehr Analysten zeigten sich in den letzten Tagen eher skeptisch, was die weiteren Aussichten des 3Com-Spinoffs angeht. Zwar wird die Ausgangsposition von Palm als gut angesehen. Mit einem Marktanteil von mehr als 70 Prozent (rund 5,5 Millionen Palms wurden seit ihrer Einführung im Jahr 1996 verkauft) sind die Kalifornier bei den ausgelieferten Stückzahlen unumstrittener Marktführer; Wettbewerber wie Psion, Compaq, Hewlett-Packard (HP), Casio, Nokia oder Ericsson rangieren (noch) unter ferner liefen. Der künftige Erfolg im Business mit den persönlichen digitalen Assistenten (PDAs) wird jedoch, auch darin sind sich die Branchenkenner einig, auf dem Sektor der Betriebssysteme entschieden. Hier zeigt die Palm-Company im Moment aber eher Schwächen.

Nur zögerlich hat man das eigene 16-Bit-Betriebssystem "Palm-OS", das technisch als nicht mehr führend gilt, für andere Hardwarehersteller lizenziert und muss auch deshalb zunehmend um seine führende Stellung im Markt kämpfen.

Unter anderem gegen Microsoft, dem Experten mit dem neuen, modular aufgebauten Windows CE 3.0 nun endgültig den Durchbruch im Markt für Handheld-Software zutrauen. Gefahr könnte Palm aber auch vom Symbian-Konsortium drohen, einer Initiative von Motorola, Ericsson, Nokia, Matsushita und dem Palm-Erzrivalen Psion. Die genannten Firmen arbeiten an einem Handheld-Betriebssystem namens Epoc, das alle gängigen technischen Trends auf einer Plattform vereinigt: WAP- und HTML-Browser sowie Java. Ins Deutsch der Marketiers übersetzt, heißt dies: Handys und PDAs werden künftig vielfach ein und dasselbe Gerät sein - Internet-Anschluss inklusive.

Genau an solchen Visionen habe es Palm in letzter Zeit gefehlt, so die Kritiker. Seit der Markteinführung des ersten Palm-PDAs vor gut vier Jahren habe es keine bahnbrechenden Innovationen mehr gegeben. Auch die offiziellen Stellungnahmen des Palm-Managements zum Börsengang blieben diesbezüglich vieles schuldig. Man werde das gewonnene Kapital in den Ausbau der Produktionskapazitäten sowie in Forschung und Entwicklung stecken, kündigte Chief Executive Officer (CEO) Carl Yankowski eher ausweichend an. Da hilft es wenig, dass das Unternehmen anders als viele Internet-Firmen profitabel arbeitet. Im Geschäftsjahr 1999 (Ende: 31. Mai 1999) wurde bei einem Umsatz von 560 Millionen Dollar ein Gewinn von 29,6 Millionen Dollar erzielt. Im laufenden Fiskaljahr 2000 soll bei den Einnahmen die Milliarden-Grenze übersprungen werden.

Doch noch immer erzielt Palm mehr als 90 Prozent seiner Einnahmen mit Hardware. Jüngste Ankündigungen des Unternehmens, die Bereiche Dienstleistungen und Anwendungssoftware zu forcieren, wirken deshalb, so Analysten, eher wie Lippenbekenntnisse.

Binnen der nächsten sechs Monate soll jetzt jedenfalls die vom Palm-Management seit langem geforderte völlige organisatorische Abnabelung von der Konzernmutter 3Com über die Bühne gehen. Bedeutung könnte auch ein Deal haben, der jetzt im Zuge des publicityträchtigen Börsengangs fast etwas unterging. Im Rahmen einer Privatplatzierung haben Motorola knapp vier beziehungsweise Nokia und America Online(AOL) jeweils knapp fünf Prozent der Palm-Anteile erworben. Offiziell ist nur von einem "Gegengeschäft" für die Lizenzierung des Palm-OS die Rede. Es gibt aber auch Spekulationen, dass sich Palm über kurz oder lang dem erwähnten Symbian-Konsortium anschließen könnte.