Interview

"Gut, dass Microsoft an uns beteiligt ist"

21.07.2000
Mit Dale Fuller, Interims-Chef von Inprise, sprach IDG-Korrespondentin Clare Haney

CW: Microsoft ist mit zehn Prozent an Inprise beteiligt. Gleichzeitig konkurrieren die Unternehmen im Tool-Markt miteinander. Wie ist Ihr Verhältnis zu Redmond, insbesondere angesichts der möglichen Microsoft-Zerschlagung?

Fuller: Jahrelang hat das Unternehmen versucht, uns zu zerschlagen. Heute gehören wir zu den wichtigsten Entwicklungspartnern von Microsoft. Insofern bin ich froh, dass wir ihnen teilweise gehören, zumal wir weiterhin als Wettbewerber auftreten können.

CW: Und das Urteil im Kartellprozess?

Fuller: Eine Aufspaltung von Microsoft hilft uns sehr. Zum ersten Mal würden wir auf gleichem Niveau konkurrieren. Microsoft kommt nun wie ein unerfahrenes Lamm in einen Dschungel, in dem wir schon lange zu Hause sind.

CW: Woran ist im Rückblick der Merger mit Corel gescheitert?

Fuller: Strategisch ging es darum, die Produktivitäts-Werkzeuge von Corel ins Web zu integrieren. Taktisch mussten beide Firmen ihre Geschäftsziele erfüllen, um bei Kasse zu bleiben. Bis Februar sah alles großartig aus, aber im März verpasste Corel seine Ziele, und damit platzte der Deal. Wir mussten unsere Vorgaben halbieren und die Prioritäten neu verteilen. Aber wir waren nicht in der Lage, die Kosten der Auflösungserscheinungen rasch genug aufzufangen. Bis Mai hatten wir alle Hände voll zu tun, um uns aus dieser Situation zu befreien.

CW: Haben die gescheiterte Fusion und Corels finanzielle Probleme Inprise geschadet? Schließlich schreiben auch Sie rote Zahlen.

Fuller: Nach vier Quartalen, die ich bei Inprise bin, ist die Tendenz ermutigend. Im April vergangenen Jahres haben wir 25 Millionen Dollar pro Quartal verheizt, hatten kaum mehr Ersparnisse und keine neuen Produkte in der Pipeline. Heute liegen 150 Millionen Dollar auf der Bank, und es gibt neue Produkte. Außerdem passen die Ausgaben zu unseren Einnahmen. Im nächsten Quartal wollen wir in die Profitzone kommen. Am 25. Juli, wenn die neuen Ergebnisse bekannt gegeben sind, werden wir es wissen.

CW: War es nicht ein Fehler den bekannten Markennamen Borland gegen Inprise einzutauschen?

Fuller: Delphi, Borland und Visibroker sind unsere Markenartikel. Wie die Firma heißt, von der sie kommen, ist nicht so wichtig. Ich habe die Markenbezeichnung Borland wieder ins Rampenlicht befördert. Die Firma aber wieder in Borland umzubenennen würde signalisieren, dass wir nicht wissen, was wir wollen.

CW: Sieht man von der Meldung ab, dass die Deutsche Bank weltweit Visibroker einsetzen will, ist es um diesen Object Request Broker ruhig geworden. Warum?

Fuller: Object Request Broker kauft man nicht wie Rasierklingen oder Milch im Laden um die Ecke. Firmen wie Cisco, Oracle, Sabre, Bank of America und Novell integrieren die Software in ihre neuen Kerntechniken. Das dauert seine Zeit und ist nicht besonders schlagzeilenträchtig. Wenn Yahoos Website unser Produkt benutzt, schreibt niemand darüber.

CW: Womit machen Sie am meisten Geschäft?

Fuller: Mit den Entwicklungsumgebungen Delphi und Jbuilder sowie mit dem Visibroker. Aber selbst Produkte, die nicht mehr weiterentwickelt werden, lohnen sich noch. "Turbo Pascal" etwa bringt jährlich mehrere hunderttausend Dollar und kostet nur einen Mitarbeiter.

CW: Das ist aber nicht Ihre Zukunft?

Fuller: Nein, die liegt ausschließlich in der Web-Integration. Unsere Strategie dafür heißt Blue Dwarf (Blauer Zwerg). Außerdem bauen wir unsere Stärken im Bereich Professional Services und technischer Support aus. Oracle hat vorgemacht, wie man damit Geld verdient.

CW: Große Sprünge bei Firmenkäufen werden Sie wohl nicht machen können?

Fuller: Richtig. Wir konzentrieren uns auf Investitionen in kleine Technologie-Shops im Rahmen von fünf Millionen bis 15 Millionen Dollar. Wir würden aber auch 150 Millionen Dollar springen lassen, wenn beispielsweise Microsoft dafür zum Kauf stünde.

CW: Wann werden Sie vom Interims-President und -CEO zum richtigen Chef befördert?

Fuller: Das muss ich mir verdienen. Vielleicht, wenn ich den Aktienkurs auf 100 Dollar hochtreibe (zur Zeit des Gesprächs stand er bei 6,31 Dollar). Alles ist möglich. Dann will ich aber auch einen Firmenjet (wie Steve Jobs, der mehrere Jahre Apple als Interims-Chef führte, Anm. d. Redaktion).