Die Folgen der Gier

"Gut ausgebildete IT-Profis müssen um ihren Job bangen"

05.11.2009
Von Hadi Stiel

Wenig Spielraum für Gewinnmaximierung

CW: Wäre die Freisetzung von Spezialisten für die Unternehmen nicht höchst unproduktiv?

RUTER: Richtig. Nehmen wir als Beispiel das verarbeitende Gewerbe als stark exportabhängigen Motor für die deutsche Gesamtwirtschaft. In diesem Bereich die richtigen Spezialisten aufzubauen dauert sechs bis zehn Jahre. Kaum anders sieht es im IT-Bereich aus. Eine kurzfristige und -sichtige Freisetzung von Fachkräften kann sich somit unter dem Strich für die Unternehmen nicht auszahlen. Sie müssten anschließend das abgegebene Spezialisten-Know-how wieder teuer einkaufen und zeitaufwändig aufbauen. Das würde Folgen haben. Die verarbeitende Industrie könnte ihre Funktion als Motor für die deutsche Wirtschaft verlieren. Auch der deutsche IT-Sektor könnte in seiner Bedeutung erheblich Schaden nehmen. Zumal Unternehmen mit einer verfehlten Spezialistenpolitik schnurstracks in den demografischen Wandel hineinlaufen werden. Spätestens in zehn Jahren ist mit erheblich weniger Hochschulabgängern zu rechnen.

CW: Viele Unternehmen wähnen sich wieder mit ihrer unveränderten Strategie und Personalpolitik auf der sicheren Wachstumsseite. Steigende Börsenkurse scheinen ihnen Recht zu geben. Immerhin wurden auch die vergangenen Krisen erfolgreich durchstanden. Was halten Sie von solchen Einschätzungen?

RUTER: Die Unternehmen aller Branchen werden sich selbst nach überwundener Krise auf Jahre hinaus auf geringe Wachstumsraten einstellen müssen. Für kurzfristige Gewinnmaximierung und Gier wird somit wenig Spielraum bleiben. Umso wichtiger wird es für die Unternehmen werden, ihre Geschäfts- und Personalpolitik langfristig auszurichten, und ihre Strategien auf mehr ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung auszulegen. Viel Zeit dafür bleibt nicht mehr. Nach meiner Einschätzung werden nur so die aktuelle Wirtschaftskrise überwunden und umfangreiche Personalfreisetzungen vermieden werden können.