RAL-Software soll generell nach DlN-Standards entwickelt werden:

Güteprüfung greift nur bei neuen Programmen

26.09.1986

FRANKFURT - Dem RAL-Gütitezeichen Software haben die bisher durchgeführten Prüfungen bei Alt-Programmen offenbar mehr Branchenschelte eingetragen als erwartet. Möglicherweise erscheint deshalb ein "Qualitäts-Check" künftig nur für solche Produkte sinnvoll, die von vornherein nach den bestehenden Güte- und Prüfbestimmungen (DIN 66285) entwickelt werden. Dies erklärten jetzt Vorstandsmitglieder der Gütegemeinschaft Software e.V. (GGS) in Frankfurt.

"Wer bezahlt schon gerne Gebühren für Produktprüfungen, bei denen Negativ-Testate zu erwarten sind", begründete Helmut Bender, GGS-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer der Bertelsmann Datenverarbeitung, Gütersloh, die bislang relativ geringe Zahl von insgesamt 16 vergebenen Qualitätsplaketten. "Aber bei einem Softwarepaket aus der Vor-Gütezeichen-Ära entstehen zwangsläufig entsprechende Prüf- und Nachbesserungskosten, wenn das Programm letztendlich den Ansprüchen der DIN-Vornorm gerecht werden soll."

Erstmals nahmen damit die Initiatoren des umstrittenen Qualitätssiegels offiziell auch zu Vorwürfen aus der Branche Stellung. Seit der Anerkennung der Prüfbestimmungen für Software und dem Eintrag des Emblems in die Gütezeichenliste durch das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. (RAL) im Oktober letzten Jahres war die neue Qualitätsmarke verstärkt ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Vor allem der Zentralverband des Deutschen Handwerks und die Vereinigung Deutscher Softwarehersteller (VDS) wetterten gegen das ihrer Meinung nach unausgegorene Prüfverfahren und die damit verbundene "Geldschneiderei". Der VDS bezeichnete das Gütesiegel gar als ein willkommenes Marketinginstrument für die großen Hersteller, den Markt gegenüber kleineren Anbietern abzuschotten (siehe auch CW Nr. 36 vom 5. September 1986, Seite 1).

Bei den öffentlichen Diskussionen der letzten Zeit, so verteidigte Bender die Initiativen der Gütegemeinschaft, seien die Bedürfnisse der Anwender, die nach Orientierungshilfen Ausschau hielten und für die letztlich alle diese Aktivitäten bestimmt seien, von den Kritikern teil weise aus den Augen verloren worden. Die Güte- und Prüfbestimmungen lägen in einer ersten Fassung als Kompromiß der drei Marktpartner vor; dabei hätten sich "Qualitäts-Extremisten" der Anwender genausowenig durchgesetzt wie die "Qualitäts-Minimalisten" der Hersteller. Auch die hochgeschraubten Geschäftserwartungen von autorisierten Prüfstellen seien auf ein "Normalmaß" zurückgenommen worden.

Einer Erweiterung der heutigen Güte- und Prüfbestimmungen, die sich überwiegend auf das Qualitätsmerkmal der Funktionserfüllung bescheiden, stehen auch die Hersteller nicht ablehnend gegenüber. "Wir sind bereit, weitere Qualitätsmerkmale in die Norm miteinzubeziehen", versprach Helmuth Kraus, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Gütegemeinschaft Software und Leiter der Zentralen Qualitätssicherung des Bereichs Datentechnik bei der Siemens AG, München. "Dazu zählen beispielsweise Kriterien wie Zeitverhalten oder Benutzerfreundlichkeit." Dies setze aber voraus, hierfür quantitative und anerkannte Meßlatten zu finden.

Durchgefallene Produkte doch auf dem Markt

Auf der Liste der bereits "gütegesiegelten Softwarepakete" sind die Großen der Branche indes noch nicht vertreten. Dazu Wolfhart Hauser, Leiter der Prüfstelle Software beim TÜV Bayern: "Rund 80 Prozent der getesteten Programme bleiben beim ersten Anlauf auf der Strecke. Freilich kommt ein Großteil der durchgefallenen Produkte dennoch auf den Markt."

Für die meisten der kommerziell orientierten Prüfstellen blieb das erhoffte Zusatzgeschäft mit dem Gütesiegel bislang aus. Führende Hersteller wie IBM und Siemens beantragten bei der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) ihre Ernennung zum autorisierten Prüfinstitut. Jüngstes Mitglied dieser Schar ist seit letzter Woche die Philips Kommunikations Industrie AG. Damit stieg die Zahl der Prüfstellen auf insgesamt dreizehn.

Die Gütegemeinschaft sieht diese Entwicklung positiv. Wie aus involvierten Kreisen verlautet, habe man sich mit einer Foreierung von Prüfungen der bereits am Markt verfügbaren Programme zu einseitig engagiert. Für Außenstehende sei der Eindruck entstanden, die Grundidee der Qualitätssicherung und der Markttransparenz für den Anwender käme ins Hintertreffen. Jedoch sei von jeher eine Langzeitwirkung beabsichtigt gewesen: Software solle künftig von Anfang an nach den verabschiedeten DIN-Kriterien produziert werden. Dazu Helmut Bender: "Bei etlichen Herstellern hat bereits ein Umdenkprozeß eingesetzt. Als Durchbruch der Idee würde ich es bezeichnen, daß bereits jetzt Softwarehäuser die Güte- und Prüfbestimmungen zum Bestandteil ihrer Entwicklungsrichtlinien gemacht haben."