Grundlagen sind wichtiger als Praxis

30.07.2003

Neben dem Berufseinstiegsalter bereiten den Industrievertretern die vielen Abschlüsse Sorgen. Denn neben den Diplomstudiengängen an Universitäten und Fachhochschulen führen beide Bildungseinrichtungen fleißig Bachelor- und Master-Studiengänge ein. Die Idee hinter den neuen Zertifikaten war eine bessere internationale Vergleichbarkeit von akademischen Abschlüssen. Die Initiative unterstützten Industrie und Politik gleichermaßen. Die ersten Absolventen bewerben sich in den kommenden Monaten. Sie treffen in vielen Unternehmen auf völlig unvorbereitete Personalchefs. "Es gab viel Aktionismus, und ich habe den Unterschied zwischen einem Master- und einem Diplomabschluss noch nie verstanden. Ich habe den Eindruck, wir überfordern die Kollegen aus der Wirtschaft mit diesen vielen verschiedenen Ausbildungsgängen. Transparente und klare Strukturen wären hier hilfreich", merkt Broy selbstkritisch an.

Wer sich ein Bild davon machen möchte, worin sich die einzelnen Ausbildungswege unterscheiden, muss sich die Curricula ansehen. "In den USA wird unser dreijähriges Bachelor-System bisher nicht automatisch anerkannt", erzählt Mayr, sondern nur ingenieurnahe Studiengänge. "Dort ist ein vierjähriges Bachelor-Studium üblich, in Osteuropa sind es oftmals sogar fünf Jahre." Das Ziel, im internationalen Wettbewerb eine bessere Vergleichbarkeit zu erzielen, erfüllte sich bisher nicht. Broy hofft allerdings auf den Lernerfolg der Personalverantwortlichen in den Firmen, denn mit den ersten Bewerbungen können Vorurteile abgebaut und Unsicherheiten überwunden werden. HVB-Geschäftsführerin Bauer kommt es bei Neueinstellungen auf die Fach- und Sozialkompetenz der Bewerber an und weniger auf Traditionen. Die IT-Managerin entscheidet sich durchaus auch für Fachhochschulabsolventen oder Bewerber mit einem Bachelor- oder Master-Abschluss, obwohl das Beratungshaus HVB Systems bisher für bestimmte Bereiche bevorzugt Diplominformatiker engagierte. "Kürzlich habe ich einen Abteilungsleiter gefragt, weshalb er beispielsweise in den Stellenausschreibungen immer Diplominformatiker und keine Master-Absolventen sucht. Er sagte: 'Frau Bauer, ich möchte jemanden, der an einer deutschen Hochschule studiert hat.‘"