Funktionale Defizite gegenüber dem Metro-Standard SDH

Grünes Licht für 10-Gigabit-Ethernet

28.06.2002
MÜNCHEN (pg) - Ethernet trägt jetzt auch offiziell die Weihen eines WAN-Protokolls. Die Standardorganisation IEEE hat die Metroversion 10-Gigabit-Ethernet (10 GE) nach erfolgreichen Interoperabilitätstests unter dem Kürzel IEEE 802.3ae ratifiziert. Potenzielle Nutzer sind Carrier und Großunternehmen.

Der 10-Gigabit-Ethernet-Allianz ist nahezu eine Punktlandung gelungen. Mit nur dreimonatiger Verspätung haben die Protokollhüter des IEEE die 802.3ae-Spezifikationen nun endgültig abgesegnet. Anders als das klassische Ethernet (10 Mbit/s) und dessen Nachfolger Fast Ethernet (100 Mbit/s) sowie Gigabit Ethernet (1 Gbit/s) ist 10 GE nicht mehr nur für den Betrieb im lokalen Netz ausgelegt. Der Standard orientiert sich vielmehr an dem Einsatzgebiet Metro- beziehungsweise Wide Area Networks (WAN). Diesem Umstand trugen die Normierer laut Hans Lackner, stimmberechtigtes Mitglied der IEEE 802.3 und Geschäftsführer der auf Netzplanung spezialisierten Firma Qoscom, mit acht unterschiedlichen Interfaces Rechnung. Damit werden, so der Experte, Reichweiten von 65 Metern bis zu 40 Kilometern abgedeckt, also sowohl im LAN als auch im WAN.

Als Trägermedium dienen dabei nicht mehr Kupfer-, sondern Glasfaserkabel in Monomode- oder Multimode-Ausführung. Da Multimode-Kabel aber lediglich eine maximale Reichweite von 300 Metern aufweisen, sind sie für den Einsatz in 10-GE-Netzen nur bedingt tauglich, zum Beispiel, um im Rechenzentrumsbereich Server anzubinden. Lackner rät deshalb zu Monomode, da sie sich nicht nur besser für die Vernetzung von verteilten Unternehmensstandorten eignen, sondern auch für die Klientel der Carrier.

Ob jedoch beide Zielgruppen so schnell auf 10 GE anspringen, wie es sich die Industrie erhofft, ist fraglich. Die Hersteller versprühenzwar Optimismus, die Marktlage spricht jedoch dagegen. "10 GE ist für das Enterprise zurzeit viel zu teuer", räumt selbst Val Oliva ein, Vorsitzender der technischen Kommission der 10-GE-Allianz.

In der Tat wären die Investitionskosten gegenwärtig erheblich. Derzeit rangieren die Port-Kosten zwischen 17000 Dollar im LAN und 100000 Dollar im WAN - abhängig vom jeweiligen Interface. Sobald die Preise für 10-GE-Komponenten fallen, würden sich aber auch Großanwender für die Technik interessieren, zeigt sich Oliva zuversichtlich. Momentan hätten die Firmen aber weder das Budget noch den Bedarf für so große Bandbreiten.

Das bestätigt auch Netzspezialist Lackner. Seiner Meinung nach sind bandbreitenintensive Applikationen noch Mangelware, so dass den Unternehmen ihre aktuellen Leitungen heute noch ausreichen. "10 GE lohnt sich nur, wenn viele Anwendungen parallel laufen und man die Bandbreite aggregiert voll ausschöpt", gibt Lackner zu bedenken. Als solche potenziellen 10-GE-Treiber werden in der Branche Disaster Recovery, Backup, hochwertiger Videotransfer sowie IP-basierende Speichernetze gehandelt.

Wie schnell die Preise für die superschnellen Ethernet-Komponenten fallen, ist momentan nicht absehbar. Optimistische Prognosen sehen die Port-Kosten im LAN Ende 2003 nicht mehr bei 17000, sondern nur noch bei 1000 Dollar, im WAN zwischen 40000 und 60000 Dollar. Lackner warnt jedoch vor zu viel Euphorie. Es sei gefährlich, den Fast-Ethernet-Boom auf 10 GE zu projizieren. In diesem Fall habe man es mit Carrier-Technologie zu tun, wo der Preisverfall langsamer voranschreite.

Momentan ruhen die Hoffnungen der Hersteller ohnedies mehr auf dem Interesse der Netzbetreiber für 10 GE, weil die Kosten gegenüber den etablierten SDH-Komponenten (SDH = Synchronous Digital Hierarchy) geringer sind. Bei dieser Metropolitan-Technik werden je Port 200000 Dollar veranschlagt. Trotzdem glaubt Lackner nicht, dass die Carrier nun in Scharen auf Metro-Ethernet umsteigen, da sie durch SDH einen hohen Qualitätsanspruch haben. Das Verfahren definiert im Gegensatz zu 10 GE nämlich die Quality of Service (QoS), weil es unter anderem Flow-Control-Mechanismen enthält.

Fehlanzeige heißt es bei 10 GE auch in Sachen Sicherheit. Die Full-Duplex-Technologie arbeitet laut Lackner im Betrieb zwar stabil, andere Sicherheitsaspekte wurden aber den höheren Ebenen überlassen. Und auch in puncto der Management-Funktionalität OAM (Operation, Administration und Maintainance) kann 10 GE der SDH-Technik nicht das Wasser reichen. OAM sei in 802.3ae zwar integriert, so der Experte, aber nur in einer "Light-Version".