Gründer müssen offensiv und aggressiv agieren

17.06.2002
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Zielsetzung des III. Unternehmertages der Deutschen Venture Capital (DVC ) in München war es, nach positiven Signalen für die Startup- und VC-Branche zu suchen. Laut DVC-Geschäftsführer Werner Schauerte sollte die Veranstaltung keine depressive Sitzung mit gegenseitigen Mitleidsbekundungen werden. Vielmehr versuchten die Redner, Hilfestellungen und Aussichten für die Zukunft zu geben.

Zu Beginn der Veranstaltung bemühte sich Schauerte, die düstere Situation in der VC-Branche nach dem Platzen der Dotcom-Blase zu umreißen. Zur Zeit gebe es nur noch wenige Start-Finanzierungen, erklärte der DVC-Geschäftsführer, sondern nur einige große Deals. Nachdem in den letzten zwei Jahren vor allem neue kleinere VC-Firmen das Feld verlassen mussten, richten die Überlebenden nun den Blick nach vorn auf ein Ende der Rezession und die Wiederöffnung der Exit-Kanäle.

Kapital für eine bessere Zukunft ist laut Schauerte vorhanden: Die DVC verfügt derzeit über 300 Millionen Euro zum Portfolio-Management und 100 Millionen Euro für Neuinvestitionen. Die Gelder werden aber sehr selektiv eingesetzt, betonte der Sprecher des Veranstalters . Erste Zeichen für eine Revitalisierung der Industrie sind seiner Meinung nach bereits erkennbar. Trotz der aufkeimenden Hoffnung, dass innerhalb von zwölf Monaten die Rezession vorbei ist, warnte Schauerte gleichzeitig vor zuviel Optimismus: Eine ähnliche Prognose hatte er bereits vor einem Jahr gegeben.

Guy Kawasaki, CEO von Garage Technology Ventures.

In der Ansicht, dass derzeit harte Zeiten für VC-Firmen und Startups herrschen, bestätigte ihn Guy Kawasaki. In welchem Ausmaß sein Unternehmen durch das Platzen der Dotcom-Blase in Mitleidenschaft gezogen wurde, wollte der CEO von Garage Technology Ventures aus dem Silicon Valley zumindest vor Beginn der Rede nicht preisgeben - aus Angst, anschließend nicht mehr für voll genommen zu werden.

Sein Tipp für den Zeitpunkt einer Erholung der VC-Branche: Wenn die Suchmaschine Google an die Börse geht, sind die Exit-Märkte wieder offen. Gleichzeitig erklärte Kawasaki, dass Firmen wie Ebay, Yahoo oder Netscape heute bei einer Finanzierung scheitern würden. Der Grund: Anders als zu Zeiten des Dotcom-Hypes sind nicht mehr smarte Ideen gefragt, sondern handfeste Technologien. Trotz früherer Ankündigung, die Lügen der VCs würden den Rahmen einer Top-Ten-Auflistung sprengen, wagte sich der Garage-CEO an eine Rangliste:

1."Mir persönlich gefällt die Firma, aber meine Partner sind dagegen."

2. "Sobald eine Lead-Finanzierung da ist, werden wir uns anschließen."

3. "Sie sind nicht in meinem Trefferbereich." (Gelungene Investitionen zeigen sich erst nach dem Deal)

4. "Wir investieren in Ihr Management-Team."

5. "Ich bin nur kurz telefonieren."

6. "Unsere anderen Portfolio-Firmen werden Ihre Produkte kaufen."

7. "Wir haben das alles kommen sehen und daher nicht in B-to-B/C investiert."

8. "Das ist ein Vanilla Term Sheet." (eine "konservative" Absichtserklärung, bei der der Kapitalgeber nur etwas mehr als den investierten Betrag wieder zurück erhält).

9. "Wir haben Unmengen von Geld zur Verfügung."

10. "Ich mag zwar jung aussehen, habe aber bereits eine Menge von Firmen gegründet und geführt." (Diese Leute haben ausgesorgt und sind längst vom Markt).

Auch im Produktbereich versuchte Guy Kawasaki, den Unternehmern auf die Sprünge zu helfen. Obwohl bereits 1999 geschrieben, erklärte der ehemalige Apple-Evangelist, sind die zehn Regeln aus seinem Buch "Rules for Revolutionaries" noch immer gültig - da zeitlos. So etwa der Tipp "Spring zur nächsten Kurve": Anstatt sich auf den Anfangserfolgen auszuruhen, sollten die Gründer immer neue Ziele in Angriff nehmen. So würde heute niemand über Amazon.com sprechen, wenn sich die Company mit 200.000 statt drei Millionen Buchtiteln zufrieden gegeben hätte.

Ein weiterer Ratschlag, der laut Kawasaki aber nur mit Einschränkungen für die Biotech-Branche gilt, lautet: "Don't worry, be crappy" - Erst ausliefern, dann testen. Nach Ansicht des Garage-CEO genügt es zu Beginn, wenn ein neues Produkt besser als existierende, vergleichbare Waren auf dem Markt ist. Wer auf das ultimative Produkt oder die Dienstleistung schlechthin wartet, verliert den Anschluss. Oder er verpasst die Möglichkeit, einen neuen Bedarf zu schaffen.

Schlecht zu sein bedeutet aber nicht, schlecht zu bleiben. Nach dem Stapellauf sollte das Produkt jedoch kontinuierlich überarbeitet werden, meinte der Keynote-Sprecher und schielt dabei auf Microsoft: Als Anregung können auch die (schlechten) Erfahrungen der Anwender dienen. Auch sonst sollten die Unternehmen versuchen, ihre Kunden vor den Karren zu spannen, erklärte der ehemalige Apple-Evangelist aus eigener Erfahrung. Wenn es gelingt, einige Kunden zu überzeugen, wird ein Großteil des Werbeaufwands überflüssig, da diese das Produkt kostenlos weiterempfehlen.

Guy Kawasaki: "Serious times make serious businesses."  

Foto: Garage Technology Ventures

Überlegungen, warum die falschen Leute das Produkt kaufen, sind dagegen sinnlos, postuliert Kawasaki. Statt dessen sollte man sich darüber den Kopf zerbrechen, warum sie das Produkt gekauft haben und dann das Angebot entsprechend verbessern. Vergebliche Liebesmüh ist es seiner Meinung nach außerdem, potenziellen Kunden hinterher zu rennen, die das Produkt verschmähen: "Man investiert Zeit und Geld, um ihnen das Produkt schmackhaft zu machen und sie kaufen es immer noch nicht."

Im Übrigen sollte man die Kunden auch nicht zu etwas zwingen, was man selbst nicht tun würde - nach Ansicht von Kawasaki der beste und einfachste Test für jede Management-Entscheidung. Und vor allem: Nur nicht von Besserwissern von etwas abbringen lassen - sie könnten sich gewaltig irren.

Als Beweis führte Kawasaki drei folgenschwere Urteile aus der Vergangenheit an: So schätzte Thomas Watson, Chairman von IBM, 1943 den weltweiten Bedarf an Computern auf maximal fünf Stück. Western Union, einst Pionier mit der ersten transkontinentalen Telegrafenleitung in den USA, schrieb in einer internen Mitteilung von 1876: "Das Telefon hat zu viele Mängel als von uns als Kommunikationsmittel angesehen zu werden. Das Gerät ist daher für uns wertlos."

Und zuletzt Kawasaki selbst mit seinem Milliarden-Dollar-Irrtum: "Es ist zu weit, um mit dem Auto zu pendeln und wie kann man mit einer Suchmaschine überhaupt Geld verdienen?" - Kawasakis Antwort auf eine Einladung, bei Yahoo für den Job als CEO vorzusprechen.