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Gründer auf dem Rückzug

12.02.2003
Von Dietrich Jaeschke

Innovation, ohne die Bestandskunden auf Neues zu drängen - das kommt an. Anders als die Konkurrenten Bäurer und Brain erfreut sich Soft M einer robusten wirtschaftlichen Basis. Den Umsatz kann das Unternehmen weiterhin deutlich steigern, die Verluste halten sich im Rahmen. Das liegt auch an dem Effekt, der Merten persönlich am meisten in der IT-Entwicklung beeindruckt hat: Dass die IT mehr dazu beigetragen hat, die Informationsflut zu schaffen als sie zu bewältigen. Und von der Informationsflut wird auch Soft M noch lange gut leben können.

Große Anbieter verzerren Wettbewerb 

Die chargenorientierte Industrie hat auch andere Gründernaturen groß werden lassen. Hierzu gehört Peter Schimitzek, Geschäftsführer und Gründer der CSB System, Geilenkirchen. Als gestandener mittelständischer Unternehmer sorgt er sich heute um seine Zunft. Das Monopolstreben verschiedener großer IT-Anbieter hat seiner Meinung nach mittlerweile zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen geführt, zum Beispiel durch Kooperationen mit Beratungsunternehmen und mit Hochschulen. Um den Mittelstand zu schützen, fordert der Firmengründer, müssten Berlin und Brüssel aktiv werden.

Obwohl er CSB 1996 in eine AG umwandelte, hat Schimitzek den Weg an die Börse bislang ge-scheut. Aufgrund der Erfahrungen anderer mittelständischer Softwareanbieter plant er auch nicht, das nachzuholen. Damit bleibt die CSB, was sie schon immer war: ein inhabergeführtes mittelständisches Familienunternehmen. Schimitzek setzt dabei erfolgreich auf Spezialisierung. Die Kernkompetenz der CSB liegt in Branchen wie Nahrung und Genussmittel, Chemie sowie Pharma. Nach der deutschen Wiedervereinigung hat das Unternehmen 85 Prozent der fleischverarbeitenden Betriebe in den neuen Bundesländern mit Hard- und Software ausgerüstet. Das 1977 gegründete IT-Unternehmen beschäftigt heute über 500 Mitarbeiter und ist in der ganzen Welt aktiv.

Ein Kind der SAP

Während die einen von den beherrschenden Unternehmen der IT-Branche bedroht werden, haben sich andere mit ihnen arrangiert. Steeb Anwendungssysteme, Abstatt, ist seit 1991 eine 100-prozentige Tochter der SAP AG - geführt von einem SAP-Eigengewächs. Anfang 2000 übernahm Martin Boll die Geschäfte von dem Gründer Helmut Steeb und leitet seitdem die Geschicke des auf den Mittelstand konzentrierten Software- und Systemhauses. 18 Jahre war Boll für die Walldorfer Softwareschmiede tätig, bevor er zu Steeb ging. Das hat bei dem Unternehmer seine Spuren hinterlassen: Unter seinen beruflichen Vorbildern steht der SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp an erster Stelle. Damit die körperliche Fitness bei dem Schreibtischarbeiter nicht schwindet, hat er sich einen harten Sport ausgesucht: Triathlon.

Die Hinwendung zur SAP hat sich für Steeb gelohnt. Das Beratungshaus hat in den vergangenen Jahren sein Geschäft kontinuierlich ausgebaut. In diesem Jahr sollen 50 Millionen Euro umgesetzt werden. Über 200 Mitarbeiter beschäftigt Steeb und ist damit einer der führenden Anbieter im Mittelstand. Dass das so bleibt, ist das oberste Ziel von Boll. Besser und schneller sein als die Wettbewerber, so will er seine Vorstellungen verwirklichen.

Mit Spezialisierung ist auch Jürgen Schröder groß geworden. 1972 kam er zur Datel GmbH, die sich zur heutigen Danet-Gruppe, Weiterstadt, wei-terentwickelt hat, einem Beratungshaus für Telekommunikations- basierende IT-Lösungen in Großunternehmen. Seit 30 Jahren ist Schröder Chef des Unternehmens beziehungsweise der Vorgängerorganisationen. Soziales Engagement steht für ihn ganz oben auf der Prioritätenliste - sowohl in Bezug auf die Mitarbeiter als auch im Privatleben. Als Mitglied im Lions-Club engagiert er sich unter anderem für soziale Projekte und internationale Verständigung. Im eigenen Unternehmen setzt er auf Mitarbeiterbeteiligung.

Erfolgreich durch Mitarbeiterbeteiligung  

Fast jeder Zweite der über 900 Beschäftigten hat von dieser Option Gebrauch gemacht. Seit Danet-Mitarbeiter auch Mitgesellschafter ihres Unternehmens werden können, steigen Umsatz und Ertrag rascher denn je. Und davon profitieren auch die übrigen Danet-Gesellschafter, die Deutsche Telekom AG und der amerikanische Softwarekonzern Science Applications International Corp. (SAIC). Kein Wunder, dass Schröder nichts mehr ärgert als Kollegen und Mitarbeiter in Führungsaufgaben, die sich nicht loyal zeigen und dadurch Schaden im Unternehmen bewirken.

Foto: Materna GMBH

Fast schon ein Nachkömmling in der Riege der Unternehmensgründer ist Winfried Materna, Mitbegründer der 1980 ins Leben gerufenen Materna GmbH, Dortmund, die er zusammen mit dem ebenfalls noch heute aktiven Helmut an de Meulen aufgebaut hat. Der Wahl-Dortmunder Materna ist in der Gestaltung des krisengeschüttelten Wirtschaftsstandorts engagiert. Als Präsident der örtlichen Industrie- und Handelskammer versucht er, die weichen Standortfaktoren zu verbessern und so den Strukturwandel seiner Region zu unterstützen. Darüber hinaus engagiert sich Materna auch sozial - als Mitglied im Lions Club und in der Kulturstiftung Dortmund.

Materna hat mit der Verbindung von PC und Großrechnern seine ersten Erfolge gefeiert. Heute spielen darüber hinaus Produkte für die Telekom-munikationsbranche eine wichtige Rolle. Die Materna GmbH profitiert dabei vom Aufstieg der Mobilfunkanbieter. Zu den Kunden zählen Netzbetreiber wie die Vodafone-Gruppe, E-Plus und Debitel. Mit bis zu 250 Millionen übertragenen SMS-Kurznachrichten monatlich ist Materna einer der weltweit größten Anbieter mobiler Mehrwertdienste - ein Erfolg, der auch auf die visionären Einsichten des Gründers zurückzuführen ist.

Neustart statt Ruhestand 

Einer, der es nicht lassen kann, ist Helmut Polzer. Der heute 59-Jährige hat 1971 die BIW GmbH als AS/400-Softwarehaus gegründet. 1998 hat er es mit Rembold + Holzer zu Brain International fusioniert. Doch das Ausscheiden aus dem Unternehmen Ende 2000 kam für den eingefleischten Unternehmer zu früh. Seit Mitte 2002 ist er wieder aktiv.

Die Green Software Solutions AG, Weinstadt, will geschlossene ERP-Systeme öffnen. Auf diese Weise sollen proprietäre Unternehmensanwendungen zukunftsfähig gemacht werden - ein riesiger Markt. Nicht wenige Mittelständler verwenden Softwaresysteme von Nischenanbietern, für die das Leben ob der starken internationalen Konkurrenz immer schwerer wird.

Einmal Gründer, immer Gründer - das trifft auf viele Persönlichkeiten der mittelständischen Softwareindustrie zu. Kein Wunder, dass viele sich selbst mit 60 Jahren oder mehr nicht aus dem operativen Geschäft zurückziehen wollen. Und dass die Firmen dieser IT-Veteranen heute noch zu den erfolgreichsten der Branche zählen, zeigt, wie bedeutsam auch im Internet-Zeitalter die Erfahrung der großen Alten ist.