Business-TV: Chancen für den Mittelstand?

Großunternehmen zeigen Sendungsbewußtsein

30.04.1999
MÜNCHEN (CW) - Die Vorbehalte gegen das Lern-TV am Arbeitsplatz sind groß: Das Verfahren sei zu teuer, die Programme schlecht umgesetzt und alles sei lediglich ein Spielzeug für das profilierungssüchtige Topmanagement. Großunternehmen, die ihre Mitarbeiter über Business-TV schulen und informieren, haben aber in der Regel gute Erfahrungen gemacht.

"Ohne Firmenfernsehen wären wir aufgeschmissen", beteuert Nick Meyer, ehemals Leiter des Business-TV bei Digital Equipment (DEC) in Europa. Kein anderes Medium sei in der Lage, weltweit verteilte Mitarbeiter ähnlich schnell und umfassend zu erreichen wie das Fernsehen. Hinzu kommt für Meyer, daß "Nachrichten unverfälscht durch alle Ebenen der Firma transportiert werden können". Als weiteren positiven Effekt nennt er geringere Kosten, da Personal und Ressourcen eingespart werden könnten.

Ähnliche Erfahrungen mit dem als "Management by Glotze" verpönten Firmenfernsehen sammelten in den letzten Jahren immer mehr deutsche Unternehmen. Angefangen von Daimler-Chrysler und Volkswagen über die Deutsche Bank, BASF und Gerling reicht die Spanne der Konzerne, die hierzulande eigene Programme senden. Verzichten will heute kaum ein Unternehmen auf die Kommunikationsform - wenn sie denn einmal eingeführt ist.

War vor zwei Jahren noch die Push-Technologie des Internet zur Informationsverteilung in aller Munde, hat sich inzwischen bei der Übertragung von qualitativ hochwertigen Bewegtbildern herausgestellt: An einen satellitengestützten TV-Sendebetrieb kann das Internet noch nicht heranreichen. "Schließlich ist eine Satellitenstrecke immer noch der wirtschaftlichste Übertragungsweg für Bewegtbilder", meint der Geschäftsführer des Beratungshauses Icom, Thomas Geiger.

Die Euphorie der letzten Jahre in Sachen Business-TV ist hierzulande jedoch einer realistischen Betrachtung des Marktes gewichen. Prognosen, die für das Jahr 2001 rund 400 Millionen Mark Umsatz in Aussicht stellten, wurden inzwischen um die Hälfte nach unten korrigiert. Hauptnutzer der Technik bleiben amerikanische Firmen, bei denen Corporate-TV seit geraumer Zeit als Mittel zur Steuerung, Schulung und Information des Personals im Einsatz ist. Allen voran sendet der Automobilkonzern Ford auf 16 Kanälen rund um die Uhr an seine Belegschaft.

Neue Impulse verspricht sich die Branche durch den verstärkten Einsatz von Informationstechnik. Digitale Filme in MPEG-II-Qualität ließen sich auf Servern speichern und bei Bedarf direkt am Arbeitsplatz abrufen. Die Sendungen werden an das firmeneigene Intranet gekoppelt, um die Belegschaft mit zusätzlichen Informationen versorgen zu können. Neben der Siemens AG mit ihrer Lösung "I-Plus" bietet beispielsweise die Hamburger Fantastic GmbH hierfür ein Produkt an.

Diese Systeme sollen den hohen Bandbreitendurchsatz von Satellitenstrecken mit der Flexibilität von IP-Anwendungen kombinieren. Neben Live-Videos und Fernlern-Anwendungen lassen sich durch die IP-basierten Verfahren auch Daten, beispielsweise Software-Updates, mit hoher Geschwindigkeit an dezentrale Standorte verteilen. Als Client-Software eignet sich der allgegenwärtige Web-Browser, darüber hinaus können die Inhalte in verschiedene Kanäle für unterschiedliche Benutzergruppen eingespeist werden.

Auf dem Weg zu einem guten Firmenprogramm lauern jedoch viele Fallstricke. Allein die Umsetzung der Inhalte auf das traditionelle Medium ist schwieriger, als es auf den ersten Blick erscheint. Ein reines "Herrschaftsfernsehen" des Vorstands fällt beim Publikum glatt durch. "Zuschauer stimmen mit den Füßen ab", so der DEC-Produzent Meyer. In einer live gesendeten Diskussionsrunde mit Managern und Technikern des Unternehmens gingen alle Fragen des Auditoriums an die Praktiker. "Die Führungsriege konnte ihre Enttäuschung nur schwer verbergen."

Wie beim echten Fernsehen gilt auch im Business-TV die Devise: "Der Wurm muß dem Fisch schmecken und nicht dem Angler." Kürzere Sendungen in regelmäßiger Reihenfolge binden das Publikum an den Sender. Darüber hinaus ist die Zeitersparnis durch Business-TV nicht nur für das Unternehmen von Bedeutung. Außendienstmitarbeiter und Vertriebler verlieren durch Fernsehschulungen kaum noch ganze Arbeitstage und sind immer auf der Höhe der Produktentwicklung. So wurden vergangenes Jahr beim Versicherungskonzern Gerling rund 2000 Notebooks der Außendienstmitarbeiter durch neue Modelle ersetzt und die Anwender mit einer mehrstündigen Business-TV-Schulung gleich auf die neuen Rechner vorbereitet.

Der Erfolg des Mediums hängt stark von der Interaktivität ab, die jedoch auf Satellitenstrecken nicht gegeben ist. Als Rückkanäle für eine Beteiligung der Zuschauer dienen Telefon oder Internet. Über spezielle Endgeräte nehmen die Angestellten an Gesprächen teil, können Fragen stellen und per Tastendruck Multiple-choice-Tests in Schulungen absolvieren. Nutzer nehmen das Medium eher an, wenn sie sich einbringen können und ihre Meinung ernstgenommen wird. Darüber hinaus läßt sich über die Rückkanäle am Ende der einzelnen Sendungen die Akzeptanz messen: Sind das Konzept, die Inhalte oder der Moderator schlecht, kann die Sendezentrale bis zur nächsten Show reagieren.

Fest steht, daß sich mit Firmenfernsehen keine anderen Übertragungswege im Unternehmen ersetzen lassen. Von entscheidender Bedeutung sei der richtige Medien-Mix, so Cathy Rohnke, Kommunikationsleiterin der Münchener Hypovereinsbank. "Wir wollen keine illustrierte Mitarbeiterzeitung einführen und keinen Zwang auf die Belegschaft ausüben, das Programm zu sehen." Dies würde ihrer Meinung nach die Akzeptanz des Mediums ruinieren.

Das größte Hindernis bei der Umsetzung eines Business-TV-Konzeptes sind die Kosten. Anfangsinvestitionen belaufen sich schnell auf zehn Millionen Mark, ähnliche Summen verschlingt der jährliche Unterhalt von Studios, Redaktionen und Verbindungswegen bei mehreren tausend Zuschauern. Nicht zuletzt deswegen ist das Firmenfernsehen hierzulande immer noch auf Großunternehmen beschränkt, die dezentral organisiert und ausreichend mit finanziellen Ressourcen ausgestattet sind.

Dabei kann sich der Einsatz von firmeneigenen Programmen durchaus auch im Mittelstand lohnen. Für Peter Oden, leitender Handlungsbevollmächtigter für neue Medien beim Kölner Großversicherer Gerling, rechnet sich das Corporate-TV-Konzept seines Unternehmens bereits bei rund 100 Außendienstmitarbeitern (siehe Kasten "Business-TV im Gerling-Konzern"). Ferner planen Interessenvereinigungen spezielle Branchenprogramme, beispielsweise für Ärzte, Steuerberater oder Makler. In Ballungsräumen lassen sich Studios und die nötige Ausrüstung mieten, Übertragungswagen erreichen auch entlegene Regionen.

Icom-Geschäftsführer Geiger wertet die Kostenfrage nicht unbedingt als Hauptkriterium für oder gegen Business-TV. Seiner Meinung nach wissen die meisten Unternehmen sowieso nicht genau, was sie für Information und Weiterbildung ausgeben. "Fragen Sie mal, was eine Mitarbeiterzeitung kostet und was sie nutzt", so Geiger. Kommunikation im Unternehmen habe immer ihren Preis, den die Firmen eben bezahlen müßten. Denn: "Wir führen Konzerne schließlich über Medien.