Grossrechner-freie Zukunft vorhergesagt Gartner Group sieht Mainframes in einer Todesspirale gefangen

27.05.1994

LONDON (CW) - Die Gartner Group sieht in Zukunft die kommerzielle Datenverarbeitung ohne Grossrechner agieren. Mainframes seien zu teuer, zu proprietaer, und die Weiterentwicklung von MVS-Software schreite viel langsamer voran als die nicht MVS-basierter Systeme.

Eine mainframefreie Zukunft ist fuer Wesley Melling, Director Midrange Computer Strategies bei der Gartner Group, unausweichlich. Allerdings sei die Gegenwart gepraegt vom Kampf zwischen Top-down- und Bottom-up-Strategien, zitiert ihn der englische Branchendienst "Computergram". Die eine, so Melling auf einem gemeinsam von Data General und Gartner Group veranstalteten Seminar, wuerde von den 40 Prozent der DV-Profis verfolgt, die proprietaere oder Unix-Systeme einsetzten. Die restlichen 60 Prozent seien Anwender von MS-DOS und Netware-basierten Systemen und Verfechter der Bottom-up-Strategie. Der Kampf um die Vorherrschaft werde im Midrange-Sektor ausgetragen. Das erklaert laut Melling Novells Schritt, mit Unixware ins Unix-Geschaeft einzusteigen und Microsofts Entwicklung von NT als Serverbetriebssystem.

Allerdings werde kein dominantes System aus diesem Kampf hervorgehen. Bis 1997 halten die Berater fuer NT im Servergeschaeft einen Marktanteil von 13 Prozent fuer moeglich, waehrend Unix auf einen Anteil von 40 Prozent kommen koenne.

1996, so Melling weiter, stellten Client-Server-Systeme die bevorzugte Architektur fuer neue Applikationen dar, da sich bis dahin Unternehmen staerker in Richtung offene Systeme bewegten und verteilte DV-Modelle weiterentwickelt worden seien. Die Notwendigkeit zum Business Process Re-Engineering und die Reorganisation der Aufgaben verlange nachhaltige Veraenderungen in der DV.

Zu hohe Kosten zwingen zum Mainframe-Abschied

Melling geht davon aus, dass die DV-Architekturen kuenftig preiswerter und herstellerunabhaengiger sein werden als in der Vergangenheit. Die ihnen zugrundeliegende Software unterstuetze die Entwicklung portierbarer Applikationen, stelle die Interoperabilitaet neuer Systeme sicher, vereinfache den Aufbau von Cross-vendor-Loesungen und verbessere die Handhabbarkeit von Netzwerken. Die Betriebssysteme fuer diese Software muessten dem Posix Standard entsprechen und XPG3-zertifiziert sein. Die Preisgestaltung habe genauso aggressiv zu sein wie die fuer RISC und CISC-Systeme. Unix- und Nicht-Unix-Systeme sollten auf offene Standards setzen, da Anwender immer seltener proprietaere Systeme guthiessen.

Der Druck auf die Kosten und das Preis-Leistungs-Verhaeltnis bringe ebenfalls immer mehr Anwender dazu, den Mainframe zu verlassen. Melling verwies auf eine Studie unter den fuenf groessten New Yorker Banken. Danach koste der Geldtransfer via Mainframes doppelt so viel wie ueber alternative, offene Systeme. Mainframe-Prozessoren, -Speicher, -Be- triebssysteme und -Anwendungssoftware seien zu teuer, betonte der Berater. Ausserdem sei MVS geschlossener und propriertaerer als die meisten anderen Umgebungen.

Fuer Melling ist das "die Todesspirale der zentralen Datenverarbeitung". Unternehmen wuerden mit "schweren Planierraupen ihre zentralen DV-Abteilungen einebnen", zitiert "Computergram" den Berater.

Melling fordert angesichts kleinerer, leistungsstaerkerer und sicherer Maschinen dazu auf, das traditionelle Downsizing-Konzept zu ueberarbeiten. Der Anwender muesse schlauer werden und mehr von seinem Lieferanten verlangen.

Allerdings raeumt auch der Gartner-Mann ein, dass das endgueltige Aus fuer den Mainframe von der Unternehmenspolitik und der Verfuegbarkeit entsprechender Applikationen abhaengt. Er sieht bereits unverbesserliche Mainframer sich einigeln und Wagenburgen bauen - wie General Custer am Little Big Horn.