Heutiger Systemstand muß auch für die nächsten Jahre herhalten, denn:

Großer Innovationsschub ist nicht abzusehen

15.05.1987

Die Einführung eines PPS-Systems läßt sich nicht von heute auf morgen realisieren. Bis ein solches Projekt komplett einsatzbereit ist, vergehen im Normalfall zwei bis fünf Jahre. Für die Entwicklungstendenzen der näheren Zukunft bleibt deshalb der heutige Systemstand maßgeblich. Roland Sengen* beleuchtet verschiedene Facetten der Produktionsplanung- und -steuerung.

Maschinenbau und Elektroindustrie nehmen in puncto PPS-Anwendungen und Standardsystemangebote eine Vorreiterposition ein. Insgesamt geht für diese Branche der Trend zu Lösungen, die nicht direkt den Bereich Einzel- oder Auftragsfertigung beziehungsweise als Gegenpol Serienfertigung zum Inhalt haben. Es ist vielmehr zu beobachten, daß aus Marktgegebenheiten heraus PPS-Systeme sowohl Serien- als auch Einzelfertigung abdecken müssen. Deshalb werden sich bei anspruchsvollen Anwendern in der Zukunft nur noch Systeme durchsetzen können, die sowohl in der Serien- als auch in der Auftragsfertigung befriedigende Lösungen aufweisen.

Immer stärker fordern die gesamtindustriellen Anwender, daß nicht nur PPS-Systeme angeboten werden, die stückorientierte Fertigung unterstützen und dort Lösungen anbieten. In Zukunft werden vielmehr stärker branchenspezifisch ausgelegte PPS-Systeme notwendig. Dies gilt besonders für die Prozeßindustrie (unter anderem die gesamte Chemie-, Farben-, Pharmazie-, Kunststoffherstellungs- und kunststoffverarbeitende Industrie sowie die Papierindustrie).

In diesen Branchen sind zur Zeit nur Speziallösungen vorzufinden, da fast alle auf dem Markt befindlichen PPS-Systeme von Stücklistenstrukturen ausgehen, die hierarchisch aufgebaut sind. Dieser Ansatz läßt sich aber für die prozeßverarbeitende Industrie nicht verwenden. Deshalb ist zu erwarten, daß bestimmte PPS-Systeme für den Bereich der prozeßorientierten Industrie als Standardlösungen entwickelt werden.

Mit zunehmender Leistungsfähigkeit der Hardware für PPS-Systeme wird es in der Zukunft Entwicklungen für die Verbesserung der gesamten Terminierung und Kapazitätswirtschaft geben. Darunter ist zu verstehen, daß die heutzutage in allen größeren Systemen verbreitete Methode mit Übergangszeiten und statistischen Verteilungsdauern der Arbeitsgänge künftig nicht in ausreichendem Maße den tatsächlichen dispositiven Gegebenheiten entspricht.

Es läßt sich deshalb absehen, daß in Zukunft die sogenannte dynamische Terminierung (Terminfindung in Abhängigkeit der Ist-Kapazitätsauslastung) zumindest in Teilbereichen Anwendung finden wird. Man darf jedoch nicht unterschätzen, daß die dynamische Terminierung eine erhebliche Rechnerbelastung bedeutet; die ist insbesondere deshalb kritisch zu sehen, weil heutzutage bei komplexen PPS-Anwendungen die Performance noch immer nicht als unproblematisch gelten kann. Außerdem stellen die Konsequenzen der dynamischen Kapazitätsterminierung auf die Materialwirtschaftstermine eine große Schwierigkeit dar, deren Lösung noch nicht vollständig erarbeitet ist.

Die Integration der PPS-Systeme im Jahr 1990 dürfte über den bisherigen Funktionsumfang hinausgehen; das heißt, es werden auch zunehmend die kommerziellen Systeme wie Kundenauftragsabwicklung und Einkauf zum integralen Bestandteil der PPS-Systeme gehören. Diese Entwicklung ist deshalb besonders wichtig, da Datenschnittstellen zu diesen Systemen komplex und schwer handhabbar sind, so daß es sich anbietet, diese Einkaufs- und Abwicklungssysteme innerhalb eines PPS-Systems als integrativen Bestandteil anzusiedeln.

Die Integration über den PPS-Bereich hinaus in die sogenannte CIM-Umwelt wird eher langsam voranschreiten, da sich sowohl die Problematik der organisatorischen Schnittstellen als auch die der Interfaces zwischen verschiedenen Hardwaresystemen, nur langsam lösen läßt. Trotzdem kann man vorhersagen, daß auch im Jahr 1990 CIM-Systeme nicht als Standard angeboten werden können; denn die individuellen Verhältnisse in gewachsenen Unternehmen erfordern normalerweise eine besondere, zum Teil sehr aufwendige Anpassung sowohl im PPS-Bereich als auch in den anderen CIM-Bausteinen.

Von der organisatorischen Seite her wird es künftig zu einer verstärkten Einbindung der indirekten Bereiche in die Produktionsplanung und -steuerung kommen. Darunter ist zu verstehen, daß Bereiche wie Arbeitsvorbereitung, Konstruktion, Vertrieb, Einkauf und Kalkulation eben falls als zu planende Kapazitäten in die gesamte Terminierung und Kapazitätswirtschaft zur realistischen Lieferterminbestimmung einzubinden sind. Dazu gehört selbstverständlich auch die Durchsetzung von Rückmeldeaktivitäten in diesen indirekten Bereich.

Flexibilität des Systems wird immer wichtiger

Es ist jedoch damit zu rechnen, daß in den indirekten Bereichen die Durchsetzung der Integration in die Produktionsplanung und -steuerung nicht unterstützt wird. Darüber hinaus werden sich natürlich die Systeme am PPS-Markt in den Funktionen weiterentwickeln. Verbesserungen in allen Bereichen der Material- und Kapazitätswirtschaft sind deshalb in Zukunft mit Sicherheit zu erwarten.

Verglichen mit den augenblicklichen Anforderungen der verschiedenen Funktionsbereicher wie etwa Konstruktion, Disposition oder Einkauf, ist heute bei der Auswahl von PPS-Standardprodukten durch den Anwender der angebotene Funktionsumfang des Systems das wichtigste Kriterium. In künftigen Auswahlverfahren dürften sich die Beurteilungskriterien erweitern und in ihrer Gewichtung verschieben. Der Anwender wird zunehmend die Flexibilität des Systems in seiner Entscheidung berücksichtigen.

Dies betrifft nicht nur die Anwenderfunktion und Schnittstellen zu den bereits erwähnten Bereichen, sondern insbesondere auch Aspekte wie Hardwareportabilität, Einbindung unterschiedlicher relationaler Datenbanken und Abfragesprachen, Portierung auf unterschiedliche Betriebssysteme - dabei wird insbesondere Unix sicher eine große Rolle spielen - oder Einbindung grafischer Systeme. Besonders durch Einbeziehung der PC-Systeme wird sich die Bedieneroberfläche von PPS-Systemen radikal verändern und sich allmählich zum Beispiel dem Standard von Leitwerten in Energieunternehmen anpassen.

Diese Anforderungen werden allerdings nur die PPS-Systeme erfüllen können, die in ihrer Softwarebasis konsequent strukturiert und nach den Kriterien der Standardsoftwareentwickler realisiert sind. Der Wettbewerb durfte sich folglich nicht wie heute fast ausschließlich auf der Ebene der Anwenderfunktionen abspielen, sondern vielmehr berücksichtigen, inwieweit die Software die erwähnten Anforderungen erfüllen kann. Es werden sich nur die Systeme auf dem Markt behaupten können, die die Modularisierung nicht nur in den Broschüren, sondern auch in ihrer Softwarekonstruktion berücksichtigt haben.

Große Entwicklungssprünge bei PPS nicht gefragt

Insgesamt läßt sich sagen, daß der PPS-Markt erst am Anfang einer Wachstumsphase steht. Dies gilt speziell dann, wenn man den Durchdringungsgrad des potentiellen Anwendungsmarktes mit PPS-Software betrachtet. Er liegt ungefähr, je nach Statistik, zwischen fünf und zehn Prozent.

PPS-Systeme haben sich in der Vergangenheit - wie alle komplexen Softwaresysteme - eher evolutionär entwickelt, als daß große Entwicklungssprünge oder Innovationen festgestellt werden konnten. Deshalb kann man heutzutage davon ausgehen, daß sich die Systeme auch in den Jahren 1990 bis 1995 eher weiterentwickeln werden, als daß mit komplett neuen Ansätzen zu rechnen wäre.

Es zeichnet sich jedoch ab, daß aus dem Angebot von zirka 130 PPS-Standardsystemen diejenigen aus dem Markt gedrängt werden, die die rasante Entwicklungsgeschwindigkeit aufgrund ihrer unflexiblen Softwarebasis nicht mehr realisieren können. Auch auf diesem Markt wird es folglich in den nächsten fünf Jahren einen starken Konzentrationsprozeß geben.