Buchtipp zu Big Data

Großer Bruder Algorithmus

21.06.2016
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Algorithmen überwachen alles, was wir tun, wann wir wo und für wie viel einkaufen und nach welchem Flug wir gerade suchen. Wie genau sie funktionieren, erklärt Christoph Dösser in seinem Buch „Total berechenbar? Wenn Algorithmen für uns entscheiden“.

Kredit bekommt nur, wer keinen braucht. Wer in einem ärmeren Viertel wohnt, darf nicht gegen Rechnung bestellen. Warenhäuser wissen von der Schwangerschaft eines Teenagers früher als seine Eltern. Benutzer von Dating-Apps wischen nach jedem Treffen gleich wieder von Bild zu Bild und können sich für niemand entscheiden. An alledem sind angeblich Algorithmen schuld: Sie überwachen uns und setzen den Markt auch da durch, wo er nichts verloren hat.

Algorithmen von Mächten wie Google, Amazon und Facebook überwachen uns jederzeit.
Algorithmen von Mächten wie Google, Amazon und Facebook überwachen uns jederzeit.
Foto: iuneWind - Fotolia.com

Der Wissenschaftsjournalist Christoph Drösser hält es für sinnvoll, wenn man weiß, worüber man redet. Deshalb erklärt er in seinem Buch "Total berechenbar? Wenn Algorithmen für uns entscheiden", wie die - laufend veränderten - Algorithmen von Mächten wie Google, Amazon und Facebook funktionieren. Er erleichtert das Verständnis mit Gegenbeispielen aus dem nichtdigitalen Alltag: Auch ein Kochrezept, allerdings nur ein gut geschriebenes, ist ein Algorithmus, nämlich "eine Reihe von Vorschriften, bei der jeder Schritt eindeutig definiert ist". Wer einen Stapel CDs alphabetisch sortiert, braucht dafür mehr oder weniger lange, je nach der Qualität des Algorithmus, dem er folgt.

Algorithmen diskriminieren nicht

Algorithmen vorzuwerfen, dass sie diskriminieren, ist müßig. Wie sie funktionieren, hängt allein davon ab, wie sie programmiert sind und wo sie überhaupt zum Einsatz kommen. Sie sind Werkzeuge, mit denen man Gutes, Schlechtes oder gar nichts tun kann. Die Entscheidung, wie berechenbar Menschen sein wollen, liegt bei den Menschen.

Christoph Dössers Buch "Total berechenbar? Wenn Algorithmen für uns entscheiden gibt es für 17,90 Euro (Print) oder 13,99 Euro (E-Book).
Christoph Dössers Buch "Total berechenbar? Wenn Algorithmen für uns entscheiden gibt es für 17,90 Euro (Print) oder 13,99 Euro (E-Book).
Foto: Carl Hanser Verlag

Christoph Drösser ist ein Buch der zwei Geschwindigkeiten gelungen. Auch wer es schnell liest, wird mit überraschenden Einsichten versorgt, die in gesellschaftlichen Diskussionen über Algorithmen, Internet und Big Data nicht fehlen sollten. Von manchem Vorurteil kann er sich verabschieden. Wer das Buch langsam liest, wird Algorithmen verstehen, als verstünde er etwas von Mathematik.

Christoph Drösser: Total berechenbar? Wenn Algorithmen für uns entscheiden, München (Carl Hanser Verlag) 2016, 252 Seiten, 17,90 Euro (Print), 13,99 Euro (E-Book).