Grossanwender: Einkaufen am Carrier vorbei?

24.09.1999

Gegenwärtig vermitteln TK-Broker Telefonminuten und Bandbreiten lediglich zwischen Netzbetreibern und Resellern. Ein direkter Einkauf von TK-Diensten durch Großanwender wie Banken oder Versicherungen findet hingegen noch nicht statt. Völlig aus der Luft gegriffen ist diese Idee jedoch nicht. Pate könnte dabei der Stromhandel stehen. Dort kaufen zum Beispiel energieintensive Unternehmen wie die Heidelberger Zement ihren Strom direkt ein und planen sogar, selbst als Anbieter zu agieren.

Auch die Unternehmensberatung Price Waterhouse-Coopers kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, daß Großkunden mittelfristig zumindest teilweise unter Umgehung des Carriers selbst als Nachfrager am Markt auftreten könnten. Walter Grau, stellvertretender Vorsitzender der Anwendervereinigung Telecom e.V., hält diese Entwicklung ebenfalls für nicht ausgeschlossen: "Die Idee ist gut, von der Realität aber noch weit entfernt." Seiner Ansicht nach stellt es technisch kein Problem dar, Corporate Networks mit Schnittstellen zu Maklern auszustatten.

In der Praxis zeichnet sich laut Grau im Moment jedoch eine andere Entwicklung ab. Hier geht die Tendenz bei Großunternehmen dahin, in jährlichen Ausschreibungen Minutenpreise mit Carriern auszuhandeln. Dabei wird ein Pauschaltarif festgeschrieben, der nicht mehr zwischen Orts- und Fernebenen unterscheidet.

Für kleine und mittelständische Firmen ist hingegen eine andere Einkaufsform interessant. Sie können ihre TK-Services bei Maklern wie der Operator AG ordern. Der Düsseldorfer Anbieter wirbt damit, seinen Kunden Sprachdienste pauschal 30 Prozent unter dem ISDN-Standardtarif der Telekom anzubieten. Möglich wird dies laut Alfred May, Vorstand der Operator AG, durch den Einkauf von Kontingenten bei mehreren Netzbetreibern. Dadurch könne man den Preisvorteil an den Kunden weitergeben. Dabei wird jedem Kundennetz ein Server - sprich Least Cost Router - vorgeschaltet, auf dem die Routing-Tabellen der Operator AG eingespielt werden. Je nach Zielort wählt der Router dann die günstigste Verbindung oder schaltet bei einem Ausfall auf einen anderen Carrier um.