OSF-Gruppe stößt auf Mißtrauen und Kritik anläßlich ihres Sinneswandels in Richtung AIX-Unix:

Groß-Anwender fordern Posix-Standard ein

15.09.1988

ZÜRICH (CW) - "Für den Benutzer gibt es nur eine saubere Lösung: Posix gewinnt", wünscht sich Bernhard R. Bachmann von der Schweizerischen Bankgesellschaft. Während einer Diskussionsrunde zur Swissdata nahmen vier gewichtige Unix-Anwender sechs Hersteller-Vertreter in die Zange: Die Anwender trauen der OSF (Open Software Foundation) nicht über den Weg.

Unix wurde, wie die COMPUTERWORLD Schweiz berichtet, zum Schwerpunktthema der diesjährigen DV-Messe der Eidgenossen. Grund: Inzwischen bietet fast jeder Aussteller mindestens eine Unix-Applikation an. Weil aber das Angebot kommerzieller Unix-Lösungen nach wie vor als lückenhaft gilt, fielen die eindeutigen Anwender-Plädoyers für Unix und hierbei wiederum für die Posix- beziehungsweise die X-Open-Variante auf.

Insbesondere Bernhard R. Bachmann, Leiter der Abteilung Neue Technologien der Schweizerischen Bankgesellschaft, ging in seinen Statements indirekt davon aus, das ein OSF-Standard (Open Software Foundation) ein Herstellerstandard und kein offener Standard sein werde. "Die Industrie hängt weltweit von der Informatik ab - nicht nur als notwendiges Übel, sondern als Lebensstrang und immer mehr als Vehikel zur Vergrößerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit", stellte der Informatikexperte der Schweizer Großbank fest, und fuhr fort: "Daß diese vitale Komponente des mittel- bis langfristigen Erfolgs der Willkür der Computerindustrie ausgesetzt ist, ist unannehmbar. Als Benutzervertreter kann ich es nicht akzeptieren, daß ich eine Erkältung haben muß, weil IBM hustet. Die einzige Lösung liegt bei offenen Standards".

Bachmann provozierte damit zwei Hersteller-Commitments zu Posix und zwar erwartungsgemäß des Sun-Sprechers Peter Nyiroe, aber auch des Züricher IBM-Produktmanagers für AIX, die IBM- und OSF-Unix-Variante. DEC-Sprecher Hans-Rudolf Wittmer ließ die Gelegenheit nicht ungenutzt, diese "Commitments" zu entwerten. Er verwies auf die Rolle der OSF als Implementations-Institution zum Testen und Koordinieren des Test-Know-hows: "Nur mit Definieren und Anerkennen und schön Beten und Beichten haben wir das Problem noch lange nicht erschlagen."

Bachmann sparte nicht mit Verweisen auf eine bereits existierende, entsprechende Institution, nämlich die COS, die Corporation for Open Systems "mit dem Geschäftszweck, Verifikationswerkzeuge zu erstellen". Es gäbe doch überhaupt keine Garantien, daß jemals ein Produkt von OSF kommen werde, das bis auf das letzte Bit dem Posix-Standard entspricht.

Ähnlich pointiert hatte dem streitbaren Bank-Informatiker schon Kurt Bauknecht, der Leiter des Instituts für Informatik an der Universität Zürich, assistiert. Der Hochschul-Lehrer hält es nämlich auch für ein großes Verdienst, wenn die Unix-Parteien OSF und die AT&T/Sun-Gruppe nochmals auf die Ebene zurückkämen, "wo der Standard Posix heißt". Zwar bedauerte er, daß AT&T mit Sun "ausgeschert" seien, prophezeite aber im gleichen Atemzug der OSF, "die ich als heißen Rauch bezeichne, daß sie sowieso nie auf einen Standard kommt, weil viel zu viele Partikularinteressen dabei sind".

(Weitere Zitate aus der, von der COMPUTERWORLD Schweiz, veranstalteten Unixrunde auf Seite 4. Der volle Wortlaut ist in der Ausgabe vom 5. September der COMPUTERWORLD Schweiz von Seite 41 bis 50 abgedruckt.)