Kolumne

"Grenze durchbrochen"

20.03.1998

Was haben der Kanzlerkandidat der SPD und die CeBIT neben ihrem Standort gemeinsam?Sie sind Medienereignisse erster Güte.Bei Gerhard Schröder verwundert das nicht, schließlich geht es im Bundestagswahlkampf darum, wer Deutschland ins nächste Jahrtausend führt.Aber das gesamtöffentliche Interesse an der CeBIT - bei "Spiegel" und "Focus" taugt sie zur Titelgeschichte - ist neu.Zwar war die Hannoveraner Schau schon bisher ein Großereignis, das sich über mangelnde Berichterstattung in Fach- und Wirtschaftspublikationen nicht beklagen konnte, aber die Aufmerksamkeit blieb auf die Branche beschränkt.

Diese Grenze ist offenbar durchbrochen.Allerdings muß den Messemachern klar sein, daß dieser Durchbruch nicht ihr Verdienst ist.Der breite Zuspruch scheint vielmehr Ausdruck eines tiefgreifenden Sinneswandels zu sein.Auf der einen Seite beginnen auch deutsche Unternehmer - und zwar nicht nur einzelne, sondern massenweise - die Erkenntnis umzusetzen, daß sie ohne modernste Informationstechnologie international nicht konkurrieren können.Einiges deutet darauf hin, daß sie inzwischen von sehr vielen Firmen so ernst genommen wird, wie es Insider schon seit Jahren predigen.Neben dem IT-Einsatz in den klassischen Branchen entsteht eine wachsende Zahl von Dienstleistern, die es ohne Informationstechnik gar nicht gäbe: angefangen bei den neuen TK-Service-Anbietern über Web-Designbüros, Internet-Agenturen bis hin zu virtuellen Shops.

Auf der anderen Seite steht die Informationstechnologie und damit die CeBIT auch deshalb im Mittelpunkt des Interesses, weÆl sie zum Hoffnungsträger für eine Belebung am Arbeitsmarkt stilisiert wird.Doch obwohl die Politik den Aufbruch in die Informationsgesellschaft als Chance auf mehr Arbeitsplätze verkauft, ist diese Hoffnung trügerisch.In der Summe entstehen nicht mehr Jobs, sondern lediglich andere.Gebraucht werden nicht die Millionen meist für herkömmliche Berufe ausgebildeten Arbeitslosen, sondern ein paar hunderttausend hochqualifizierte Software-Entwickler und sogenannte Knowledge-Worker.Darüber kann auch nicht das Fehlen von 20000 IT-Fachkräften hinwegtäuschen, das der Fachverband Informationstechnik beklagt.Sie sind ein Zeichen für den Boom der Branche - nicht mehr, aber auch nicht weniger.