Graphikon: Tueftler in Sachen Bildverarbeitung

05.08.1994

Die Ost-Berliner Graphikon GmbH erwartet Innovationsspruenge bei Grafik- und Bildverarbeitung. Gepuscht mit Foerdergeldern fuer Forschung und Entwicklung und mit der Aufnahme von CAD- Vertriebsaktivitaeten, peilt das 1990 gegruendete Unternehmen in diesem Jahr einen Umsatz von mindestens fuenf Millionen Mark an.

Die in Berlin-Ost ansaessige Graphikon GmbH, ein aus der frueheren Akademie der Wissenschaften hervorgegangenes Unternehmen, setzt die Zeichen auf Vorfahrt bei der Vermarktung von eigenentwickelten Systemen zur digitalen Grafik- und Bildverarbeitung. Neben dem spiritus rector des Unternehmens, Professor Juergen Saedler, ist seit mehr als einem Jahr Marketing-Profi Klaus Koegler der Mitgesellschafter und Mitgeschaeftsfuehrer.

Koegler war als Gruender, Geschaeftsfuehrer und Gesellschafter 14 Jahre bei der Berliner Condat Software GmbH, die auf dem Gebiet der Individual-Softwareloesungen und der Kommunikationstechnik aktiv ist. Die heute im Moabiter Focus-Center ansaessige Firma gilt als eines der Berliner Vorzeigeunternehmen, das sich als eine erfolgreiche Existenzgruendung aus der Taetigkeit ehemaliger Tutoren an der TU Berlin etablieren konnte.

Was veranlasst einen Manager, sich seine Gesellschafteranteile seines Unternehmens auszuzahlen, um damit voellig neue Wege einzuschlagen? "Nach einer alten chinesischen Weisheit", so Koegler, "soll man alle sieben Jahre etwas Neues beginnen. Bei mir hat es eben mit vierzehn Jahren doppelt so lange gedauert." Er habe bei Graphikon ein zukunftstraechtiges Geschaeftsfeld entdeckt, das fuer ihn auch eine Herausforderung bedeute.

Die digitale Grafik- und Bildverarbeitung gehoere zu den Technologien, fuer die schon in absehbarer Zeit rasante Innovations- und Wachstumsspruenge zu erwarten seien. Mit der von dem Unternehmen entwickelten Vektorierungssoftware "Vectory" lassen sich zum Beispiel grossformatige technische Zeichnungen aufbereiten.

Auf diesem Feld, so der Marketing-Chef, gibt es nicht nur in den neuen Bundeslaendern viel zu tun: Vor kurzem konnte mit dem groessten amerikanischen Distributor fuer Grossformat-Scanner, Ideal, ein Kooperationsabkommen fuer Vectory mit Mindestabnahmemengen unterzeichnet werden.

Das Berliner Unternehmen ist aus einem Teil des Zentralinstituts fuer Kybernetik und Informationsprozesse (ZKI) an der frueheren Akademie der Wissenschaften der DDR entstanden: 15 Mitarbeiter unter Juergen Saedler gruendeten im Dezember 1990 die Graphikon Gesellschaft fuer Bildverarbeitung und Computergraphik mbH. Die Bildverarbeitung am ZKI hatte einen guten Ruf. So wurden hier Systeme zur Auswertung von Satellitenbildern fuer saemliche sowjetischen Fernerkundungszentren entwickelt.

Darauf aufbauend, wurde im Auftrag der UNO ein Projekt zur Erkennung von Vegetationsveraenderungen durch die Herbizidverseuchung waehrend des Vietnamkrieges und deren Auswirkung auf die landwirtschaftliche Bodennutzung in Suedostasien durchgefuehrt. Aber auch mit westdeutschen Unternehmen kam man ins Geschaeft: Fuer Volkswagen wurde ein System zur automatischen Erkennung von Fahrspurraendern und Verkehrszeichen entwickelt. Heute ist diese Loesung im Prometheus-Projekt integriert, mit dessen Resultaten die Verkehrsprobleme der Zukunft besser bewaeltigt werden sollen.

Die Berliner Firma konzentriert sich auf die Rasterbildverarbeitung und dabei speziell auf die Verarbeitung von grossen Datenmengen in Echtzeit. Neben der Weiterentwicklung seiner Software setzt das Unternehmen sein Know-how im Bereich der Bildverarbeitung zur Produktion von Systemen fuer die Qualitaetssicherung und zur Inspektion von Materialoberflaechen ein. Als drittes Standbein wird Hard- und Software fuer CAD-Anwendungen vertrieben sowie Dienstleistung unter Vectory.

Kuenftige Projektvorhaben im F+E-Bereich konzentrieren sich auf industrielle Anwendungen der Qualitaetskontrolle von Textilien und Lebensmitteln sowie der visuellen Analyse von Blutproben zur Schnelldiagnostik. Grundlage fuer die bei diesen Anwendungen geforderten Verarbeitungsgeschwindigkeiten bilden ASICs und Signalprozessoren aus eigener Entwicklung.

Ein Drittel der Mitarbeiter arbeitet im FuE-Bereich

Zur Zeit sind im Bezirk Prenzlauer Berg 33 Mitarbeiter beschaeftigt, davon 20 in Forschung und Entwicklung. Die Investitionen in diesem Bereich koennen durch oeffentliche gefoerderte Technologieprogramme und weitere Drittmittel ueberdurchschnittlich hoch gehalten werden.

Nachdem das Unternehmen von 1992 auf 1993 eine Umsatzsteigerung von 14 Prozent verzeichnen konnte, rechnet Koegler fuer 1994 "durch die Aufnahme der CAD-Vertriebsaktivitaeten" mit einer Erhoehung der Einnahmen um 80 Prozent auf rund fuenf Millionen Mark.

Von Michael Rausch

Der Autor ist Mitglied des Redaktionsbueros Herrmann, Rausch & Nathanson, Berlin