First Look auf Novells Netware 4.11

Grafische Benutzerführung soll Administratoren helfen

21.06.1996

Konnte Novell mit den ersten Netware-4-Versionen im Markt noch herumexperimentieren, so ist die Schonzeit mittlerweile vorbei: Windows NT 3.51 setzt dem ehemals unangefochtenen Marktführer so stark zu, daß er nicht mehr alleine das Maß der Netzwerk- Betriebssysteme bestimmt. Entsprechend Großes erwarten die Administratoren und Anwender von dem für kommenden Herbst angekündigten Netware 4.11.

Nachdem die Novell Directory Services (NDS) inzwischen stabil arbeiten, konzentrieren sich die Netzwerker in ihrer neuen Netware-Version darauf, die von dem Produkt gebotenen Möglichkeiten deutlicher aufzuzeigen und eine leichtere Handhabung zu bieten. Allen voran sticht der neue "Nwadmin" ins Auge, mit dem Netzadministratoren die NDS-Datenbank verwalten können (siehe Abbildung 1).

Das Tool beherrscht nun beispielsweise den Umgang mit mehreren Verzeichnisbäumen und erlaubt die Zuweisung von Einstellungen an mehrere Benutzer. Ebenso gibt es jetzt ein schnelles Setup für die Einrichtung der Druckservices.

Beim Starten des Werkzeugs erscheint ein Wizard, der mit Bedienungshinweisen aufwartet. Dabei lassen sich alle Informationen, die Nwadmin in der Toolbar oder Statuszeile anzeigt, beliebig konfigurieren. Gleiches gilt für die Detailanzeige eines Objekts. Novell hat zwar das grundlegende Outfit der Vorgängerversion beibehalten: Die Registerkarten- ähnlichen Felder der Detailanzeige befinden sich immer noch am rechten und nicht, wie von modernen Applikationen her gewohnt, am oberen Fensterrand. Alles in allem zeigt sich das Werkzeug jedoch mittlerweile bedeutend benutzerfreundlicher.

Neben einer 16-Bit-Ausführung für Windows 3.1x wird Novell eine 32-Bit-Variante des Nwadmin mitliefern. In der vorliegenden Betaversion lief diese unter Windows 95 jedoch nur in Verbindung mit dem von Novell stammenden Client für Windows 95. Der Versuch, das 32-Bit-Tool unter Windows NT oder auf einer Windows-95- Workstation, auf der Microsofts NDS-Client arbeitet, zu starten, scheiterte.

Mit dem neugestalteten Nwadmin feiert auch der "Netware Application Manager" (NAM) seinen Einstand. Mit ihm können Netzverwalter innerhalb des Verzeichnisbaums Objekte für die im LAN eingesetzten Applikationen erstellen.

Diesen lassen sich dann Eigenschaften wie Kommandoparameter, Zugriffsrechte, Laufwerks- und Druckerzuordnungen zuweisen. Anwender, die auf ihrer Windows-3.1x- oder Windows-95-Workstation den dazu komplementären "Netware Application Launcher" (NAL) benutzen, sehen im NAL-Fenster nur die für sie freigegebenen NAM- Applikationen. Beim Starten dieser Anwendungen werden dann die im NAM definierten Einstellungen aktiviert und beim Beenden des Programms wieder deaktiviert.

Ebenfalls in einer 16- sowie 32-Bit-Variante kommt ein weiteres neues Netware-4.11-Tool: der "NDS-Manager". Er dient zur Pflege der NDS-Partitionen und -Reproduktionen sowie zur Statusüberprüfung der Zeitsynchronisation (siehe Abbildung 2). Seine Funktionalität reicht weit über den bislang in Nwadmin integrierten Partitions-Manager hinaus.

Beispielweise kann der Netzwerkverwalter über dieses Programm von einer Windows-Workstation aus eine Reparatur der NDS-Datenbank sowie ein Update der NDS-Version auf den in den Verzeichnisbaum eingebundenen Netware-Servern vornehmen. Das erforderte unter Netware 4.1 noch die Konsultation des direkt auf dem Server ablaufenden "Dsrepair.NLM". Zudem läßt sich der NDS-Manager auch als separate Applikation starten.

Auf Server-Seite sucht man dagegen vergeblich nach einer solchen Benutzerfreundlichkeit. Sowohl die Installation von Netware auf dem Server als auch dessen Wartung erfolgt mit Programmen, deren DOS-Outfit zwar funktional ist, aber dennoch überholt wirkt. Fehlanzeige heißt es auch in Sachen direkte grafische Administration des Servers: Ein entsprechendes, Windows-basiertes Tool steht nicht im Pflichtenheft für Green River. Novells Chefarchitekt Drew Major verweist in diesem Zusammenhang gerne auf Suns Java. Die auf der Brainshare in Salt Lake City angekündigte Integration der Internet-Programmiersprache in das Netware- Betriebssystem (vgl. CW Nr. 12 vom 22. März 1996, Seite 1: "Novell plant Zukunft mit Java als Anwendungs-Server für Netware") soll unter anderem eine grafische Verwaltung des Netware-Servers ermöglichen. Sie erfolge, so Major, unabhängig von der dazu verwandten Client-Plattform oder dem Standort des Verwalters, der sich mit seiner Workstation nicht im LAN befinden muß. In der vorliegenden Betaversion war hiervon aber noch nichts zu sehen. Somit bleibt offen, ob die entsprechende Funktionalität noch nachgeliefert oder erst in einer späteren Netware-Version das Licht der Welt erblicken wird.

Die Installation läßt sich dagegen im Plug-and-play-Verfahren durchführen. Glücklicherweise läßt sich diese Funktion aber auch abschalten, denn sie scheint noch nicht ausgereift zu sein. Bei dem im Test verwendeten Server "HP Netserver LS/2", einer Zwei- Prozessor-Maschine, erkannte die Installationsroutine den verwendeten SCSI-Chip "7870" von Adaptec nicht. Diverse Netzwerkkarten von Cogent, Intel und SMC bereiteten dagegen keine Schwierigkeiten. Vor allem in Sachen Treiberauswahl zeigte sich deutlich, daß Green River noch im Betastadium steckt: Auf der CD- ROM befanden sich nur wenige LAN-Treiber. Zur endgültigen Auslieferung verspricht Novell aber, die verbreiteten Netzkarten zu bedienen.

Groupwise ersetzt MHS

Mit Netware 4.11 hat auch das Messaging-System "MHS" ausgedient. Novell favorisiert nun "Groupwise" als E-Mail-Lösung, deren Administration über die NDS und Nwadmin erfolgt. Ob es sich dabei bereits um das kommende Groupwise 5 oder eine abgespeckte Version des jetzigen Release handeln wird, steht offenbar bisher nicht fest: Der gesamte E-Mail-Part fehlte in der vorliegenden Betaausführung noch. Weitere sichtbare Neuerungen des Servers beschränken sich derzeit auf einige wenige Befehle, mit denen der Anwender zum Beispiel zur Problemlösung die momentane Konfiguration des Netzwerk-Betriebssystems ermitteln und in einer Textdatei festhalten kann.

Der Betaversion lag bereits der "Netbasic"-Interpreter von Hitec Soft zur Erstellung von Server-Programmen im Visual-Basic-Muster bei. Ob der Interpreter oder gar, wie in Insider-Kreisen kolportiert, der Compiler des Anbieters auch Einzug in die endgültige Fassung von Green River hält, war bis Redaktionsschluß nicht zu klären. Fehlanzeige hieß es auch in puncto "Netware Distributed Print Services" (NDPS). Sie stehen zwar für Netware 4.11 auf der Ausstattungsliste, waren aber in der Beta noch nicht implementiert. Die Gemeinschaftsentwicklung mit Hewlett-Packard und Xerox soll den Umgang mit den Druckservices im LAN stark vereinfachen. Zentral vom Netzadministrator bereitgestellte Druckertreiber werden automatisch beim Ausdrucken zu der betreffenden Workstation übertragen und eingebunden. Zudem sollen erweiterte Benachrichtigungsfunktionen die Arbeit von Druckoperatoren erleichtern. Ob dem so sein wird und welche konkreten Hard- wie Softwarevoraussetzungen zu erfüllen sind, bleibt abzuwarten.

Andere Änderungen sind dagegen schon erfolgt. Novell hat die Bibliothek CLIB modularisiert, um den RAM-Bedarf zu senken. Zwei neue Set-Parameter weisen den Server an, nach einem Absturz sofort oder nach einer bestimmten Wartezeit wieder neu zu starten, während Netware Informationen über den Crash, falls möglich, in einer Textdatei protokolliert. Außerdem gehört zur Serienausstattung von Netware 4.11 nun auch die bislang über Produkte von OEM-Herstellern optional erhältliche Unterstützung des symmetrischen Multiprocessings (SMP), die mit der verwendeten Hardware einwandfrei funktionierte. Spezielle Routinen und die Erweiterung vorhandener Befehle sollen die Sicherheit des Netzwerk-Betriebssystems auf C2-Level erhöhen.

Nachdem Microsoft bereits seit Monaten zur Internet-Intranet- Offensive bläst und zu Windows NT kostenlos den "Internet Information Server" (IIS) hinzupackt, zieht Novell nun nach. Green River wird aller Voraussicht nach der "Netware Web Server" beiliegen, was in der vorliegenden Betaversion allerdings noch nicht der Fall war. Für die erforderliche TCP/IP-Unterstützung sorgt künftig Netware/IP. Der daraus bekannte "DNS"-Server ordnet IP-Adressen den jeweils entsprechenden aussagekräftigen Textbezeichnungen zu. Wer die TCP/IP-Implementation bisher aufgrund der nicht ganz trivialen Definition von IP-Adressen für jede Workstation scheute, darf sich ebenfalls freuen: Nach Windows NT beherrscht nun auch Netware 4.11 das Dynamic Host Configuration Protocol (DHCP), das die dynamische Zuweisung einer IP-Adresse an eine Workstation aus einem zuvor festgelegten Adreß-Pool übernimmt.

Vollkommen neu sind ferner die "Netware Licensing Services" (NLS), die "Netware Loadable Modules" (NLMs) für den Server, ein speicherresidentes DOS-Programm sowie Windows-DLLs (Dynamic Link Libraries) umfassen und auf der NDS-Datenbank aufbauen. Auf diese Weise sind Netzadministratoren künftig in der Lage, die Nutzungs- beziehungsweise Aufrufhäufigkeit im Metering-Verfahren zu überwachen, um dem Bedarf entsprechend Lizenzen für Applikationen zu erwerben. Die von Microsoft, Novell und anderen Unternehmen erarbeitete Programmier-Schnittstelle Licensing Service API (LSAPI) gibt Herstellern zudem die Möglichkeit, den illegalen Einsatz einer Software über die erworbene Lizenzenzahl hinaus zu begrenzen..

*Eric Tierling ist freier Journalist in leichingen und Autor zahlreicher Netware-Bücher.