Erste Eindrücke von drei Einstiegsprogrammen

Grafik-Tools: Gestaltung steht vor der Bildbearbeitung

12.11.1999
Rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft gehen drei Einsteiger-Bildprogramme in eine neue Runde. Ihre Ausstattung übertrifft zum Teil den Funktionsumfang teurer Profi-Tools. Heico Neumeyer* hat sich die Updates angesehen.

Der Boom bei Digitalkameras sorgt für Schwung im Bereich der Grafiksoftware. Ständig erscheinen Programme zur Bildbearbeitung, die sich vor allem an Anfänger richten. Neue Versionen gibt es jetzt auch von Uleads "Photo Express", MGIs "Photosuite" und Microsofts "Picture It". Sie werben mit Features, die man selbst bei professionellen Produkten wie "Photoshop" vergeblich sucht. Alle Programme kosten 100 bis 150 Mark und liegen teilweise auch Digitalkameras, Scannern oder CD-Brennern bei.

Ein auffälliges Merkmal der Updates ist zunächst, daß die Hersteller ihre bunten Vorlagen, mit denen sich eigene Bilder ins Internet stellen lassen, verbessert haben. Es entstehen nicht mehr nur die üblichen Galerien von Miniaturen. Photo Express 3 und Picture It 2000 bieten fertige Arrangements an. Sie zeigen etwa vier Bilder des Anwenders gerahmt in einem Museum. Per Klick geht es weiter zu den folgenden Motiven oder zu einem vergrößerten Einzelbild. Je nach Thema herrscht Bewegung auf der HTML-Seite: Beim "Abschlußball" flackern Lichter und tanzen Noten, durch die Hochzeitsseite kurvt ein Cadillac, zu Halloween segelt eine Hexe ins Bild.

Besonders Picture It 2000 reizt die Möglichkeiten des Web-Designs stark aus und bleibt doch einsteigergerecht einfach zu bedienen. Bei diesem Programm lassen sich die Überschriften und Bildkommentare auf den HTML-Seiten frei ändern. Es entstehen sogar Internet-Seiten mit mehreren Frames: Die Randspalte zeigt eine Reihe von Bildern als Miniaturen, das gewählte Motiv sieht man groß im Hauptfenster. Auch hier erscheinen die Bilder aufwendig gerahmt oder als stilisierte Polaroid-Aufnahme, dazu kommen Hintergrundmuster. Die Überschriften lassen sich überdies zum Laufen bringen - ein Effekt, der jedoch nur von Microsofts "Internet Explorer 5" wiedergegeben wird, während Netscapes "Navigator 4.6" die Texte statisch anzeigt. Überdies kann man die Seite mit eigenen Hyperlinks ausstatten und mit der persönlichen E-Mail-Adresse verbinden.

Das Microsoft-Programm lädt die fertigen Web-Seiten gleich bei einigen Providern hoch. Dazu werden das Paßwort und weitere technische Daten abgefragt. Die Übertragung einer privaten AOL-Seite bereitete im Test keine Schwierigkeiten.

Schleichwerbung ist dabei inbegriffen. Auf den Web-Seiten, die mit Uleads Photo Express entstehen, liest man häufig den Hinweis "Erstellt mit Photo Express 3.0". Ein Klick ruft die deutsche Web-Seite des Herstellers auf. Einen entsprechenden Button sieht auch Picture It vor, hier läßt sich die Reklame jedoch leicht verbannen. Besser als die Konkurrenzprodukte eignet sich Picture It 2000 auch zur Produktion von animierten GIF-Dateien. Dieses Format wird verwendet, um Trickfilme, Bewegtbilder oder Laufschriften auf WWW-Seiten zu stellen. Das Programm faßt sämtliche geöffneten Dateien in einer GIF-Bildfolge zusammen, so daß eine einzige Datei eine komplette Diaschau enthält. Überdies kann man die einzelnen Objekte einer Montage per GIF-Animation ausblenden, rotieren oder springen lassen. Auf diese Weise entstehen Web-Grafiken wie Schaltflächen, Banner, Laufschriften oder andere Animationen.

Allerdings fehlt dem Microsoft-Produkt eine optimale Kontrolle der Eigenschaften einer GIF-Datei. Zwar gibt es Eingabefelder für Gesamtlaufzeit, Pixelgröße und Zahl der Einzelbilder eines Trickfilms, doch die bei GIF obligatorische Reduktion der Farbtiefe regelt Picture It ohne Eingriffsmöglichkeit von außen. Das Programm erzeugt stets GIF-Dokumente mit hoher Farbtreue - diese Files werden zwangsläufig relativ groß und kosten mehr Übertragungszeit. Nur mit Spezialprogrammen wie "GIF Animator" oder "Image Ready" ließe sich die Dateigröße noch senken. Auch die Standzeit eines einzelnen Bildes innerhalb der Animation ist bei Picture It nicht zu regeln.

Wer komplexe Montagen nicht ins Netz stellen, sondern nur drucken will, profitiert ebenfalls von den aktuellen Features der Einsteigerprogramme. Noch bequemer als früher lassen sich mehrere Bilder auf eine Druckseite packen, wenn man teures Fotodruckpapier optimal ausnutzen möchte. Umgekehrt ist der Druck von Postern möglich, bei denen sich das Motiv über mehrere A4- oder A3-Seiten erstreckt - hier sollte natürlich erst der Testdruck eines Ausschnitts erfolgen, um die Qualität von Farbwiedergabe und Bildauflösung zu prüfen.

Weiter aufgestockt haben alle Anbieter ihren Vorrat an "Fertigmontagen für alle Anlässe". Der Benutzer braucht lediglich seine persönlichen Schnappschüsse einzuklinken und ein paar Textzeilen zu korrigieren, um aufwendige Grußkarten, Einladungen oder Kalenderblätter zu erhalten. Photosuite-Hersteller MGI wirbt mit 1200 vorbereiteten Montagen, die auf zwei CDs beiliegen - unterteilt in zahllose Kategorien bis hin zu Etiketten für Hochzeitsweinflaschen.

Die Qualität der Vorlagen variiert allerdings erheblich: So bietet Photo Express ein ausgesprochen kitschiges Material, während Photosuite viele ansprechende Entwürfe mitliefert. Eine Besonderheit sind die Kopfmontagen bei Picture It: Hier kann man vertraute Gesichter in Fotos von Affen, Athleten oder Geschäftsmännern einsetzen. Diese Vorlagen wurden so perfekt vorbereitet, daß die bizarren Montagen mitunter erst auf den zweiten Blick Staunen erwecken.

"Fertigmontagen für alle Anlässe"Während die Anbieter viel Energie in derartige Gestaltungsideen stecken, hapert es in einigen Programmen allerdings noch bei den klassischen Jobs der Bildbearbeitung. Picture It 2000 etwa bietet nur wenige Funktionen zur Korrektur von Kontrast und Farbabstimmung, die zudem nicht überzeugen. Photo Express zeigt die Objekte einer Montage nicht in einer separaten Übersicht an. So bleibt oft unklar, wie die einzelnen Elemente verteilt sind. Photosuite kennt zwar eine solche Objektübersicht, soll jedoch ein einzelnes Objekt retuschiert werden, muß man erst umständlich den Modus wechseln und sieht das Objekt dann nur noch isoliert ohne den Hintergrund der Montage.

Mit einer Besonderheit, die es bis vor kurzem fast nur in Spezialprogrammen gab, warten Photo Express und Photosuite auf: Per Fotopanorama lassen sich mehrere Aufnahmen von benachbarten Motivteilen nahtlos aneinandersetzen - die Ergebnisse geraten überraschend gut. Photo Express verwandelt diese Bilder zudem in Quicktime-Panoramen: Die Landschaft rast vorüber, als ob man sie aus dem Cockpit eines Flugzeugs erlebte. Mit Photosuite lassen sich die Bilder nicht nur nebeneinander, sondern auch übereinander anordnen, sollten etwa Hochhäuser oder Leuchttürme abschnittweise fotografiert worden sein.

Als einziges Allround-Bildprogramm bietet Photosuite überdies Fotomosaike an. Hier baut die Software das aktive Bild aus maximal 1500 Miniaturfotos neu auf - eine Gestaltungstechnik, die in der Branche für Aufsehen sorgte. Das Ergebnis zeigt immer noch deutlich die Konturen und Farbflächen des ursprünglichen Motivs. Die Zahl der Einzelbilder läßt sich ebenso definieren wie die Ausgabegröße. Vorab erfährt der Benutzer die resultierende Dateigröße. Das Programm meldet überdies, wie viele Bildzeilen und -spalten zustande kommen. Man ist zwar auf die Bilder angewiesen, die der Hersteller mitliefert, die Testergebnisse wirkten aber stets ansprechend.

Insgesamt bieten die neuen Bildprogramme der Einsteigerklasse zahlreiche verblüffende Vorlagen und Effekte. Natürlich eignet sich nicht alles für den professionellen Bereich. Bei Fotoretusche und Fotomontage erhält man teilweise nur die nötigsten Funktionen.

*Heico Neumeyer arbeitet als Fachautor und Trainer für Bildbearbeitungs-Programme in Gaißach/Oberbayern (neumeyer@aol.com).