Aufbruchstimmung in der Branche

Googles unkonventioneller Börsengang

07.05.2004
MÜNCHEN (CW) - Die Suchmaschine Google will auf Druck ihrer Kapitalgeber in diesem Jahr an die Börse gehen. Seit der Ankündigung steht das Silicon Valley wieder unter Strom.

Mit dem offiziell angekündigten Börsengang (IPO) der Suchmaschine Google hat sich die IT-Branche mit einem medialen Paukenschlag in der Öffentlichkeit zurückgemeldet. Nach jahrelanger Krise lockt wieder die Hoffnung auf schnelles Geld. Verantwortlich dafür sind die beiden ehemaligen Stanford-Studenten Sergey Brin und Larry Page, die vor fünfeinhalb Jahren die Google-Website ins Leben gerufen und zuletzt mit rund 1900 Mitarbeitern betrieben haben. Monat für Monat wird sie von mehr als 100 Millionen Menschen genutzt. Dank gezielter Werbeeinblendungen schreibt das Unternehmen seit 2001 auch schwarze Zahlen. Im vergangenen Jahr konnte die Firma auf Basis von 962 Millionen Dollar Umsatz einen Nettogewinn von 106 Millionen Dollar erzielen, der Vorsteuergewinn betrug 347 Millionen Dollar. Rund 96 Prozent der Einnahmen stammen aus Anzeigen, die Google auf den eigenen und den Web-Seiten von Partnern platziert. Investitionen von nur 38 Millionen Dollar hat das Unternehmen inzwischen in einen Bargeldbestand von 455 Millionen Dollar verwandelt.

Brin und Page gehören je rund 15 Prozent des Unternehmens; der frühere Novell-Chef und heutige Google-CEO Eric Schmidt hält etwa sechs Prozent. Würde Google eine Börsenbewertung von 25 Milliarden Dollar erreichen, beliefe sich der Wert der Anteile für die Gründer auf je vier Milliarden und für den CEO auf 1,5 Milliarden Dollar. Über eine üppige Rendite dürften sich auch die Venture-Capital-Geldgeber Kleiner Perkins Caufield & Byers und Sequoia Capital freuen. Ihre Anteile von knapp über zehn Prozent, 1999 für jeweils um die 13 Millionen Dollar erworben, könnten bis zu 2,5 Milliarden Dollar wert werden.

Google wird seine Aktien im Rahmen einer Versteigerung an die Investoren bringen. Damit sollen einerseits Kleinanleger am Börsengang (IPO) stärker als sonst üblich profitieren können, andererseits wird die Macht (und die Vergütung) der Investmentbanken beschnitten. Anlegerschützer warnen davor, dass eine starke Nachfrage die Preise der Papiere während der Auktion in die Höhe treiben könnte: Nach der Überhitzung folge der Kälteschock in Form fallender Kurse. Dass die Kurse nach der Versteigerung deutlich steigen, ist nicht zu erwarten: Wer ein zu niedriges Gebot abgegeben hat, dürfte hinterher kaum teurer zukaufen wollen. Ob sich die institutionellen Investoren mit der Auktion anfreunden werden, gilt als unsicher.

Noch sind zudem viele Fragen offen: Weder die Zahl der ausgegebenen Aktien noch der Zeitpunkt des IPO sind bekannt. Beobachter rechnen damit, dass es noch Monate dauern wird, bis es zu offiziellen Verlautbarungen von Google kommt, während in der Zwischenzeit die Nachfrage angeheizt wird. Bislang ist geplant, den neuen Investoren Papiere anzubieten, die lediglich ein Zehntel der Stimmrechte aufweisen, mit denen die Aktien des Google-Managements ausgestattet sind. Diese Trennung - etwa vergleichbar mit den hiesigen Vorzugs- und Stammaktien - stieß bei Wirtschaftswissenschaftlern in den USA auf herbe Kritik. Sie verstoße gegen die in den vergangenen Jahren aufgestellten Leitlinien der Corporate Governance - wer zahlt, schafft an (beziehungsweise kontrolliert das Management).

Google will die strategische Ausrichtung des Unternehmens nicht durch kurzfristige Interessen verwässern. So sollen beispielsweise keine Quartalsprognosen abgegeben werden, auch um den Einfluss der Finanzanalysten gering zu halten. An deutschen Anlegern geht der Trubel um die Erstnotiz der Suchmaschine weiträumig vorbei: Es sei nicht vorgesehen, dass sich Privatanleger außerhalb der USA an der Versteigerung beteiligen können, heißt es in der offiziellen Mitteilung.

Verspielt akademische Kultur

"Google ist keine konventionelle Firma", schreiben die beiden Firmengründer Brin und Page in ihrem Antrag an die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC, "und wir haben nicht vor, eine zu werden." Bis zu 2,718281828 Milliarden Dollar sollen durch den Aktienverkauf ins Unternehmen fließen, heißt es weiter. Die Ziffern sind der Anfang der unendlichen Eulerschen Zahl, der Basis des natürlichen Logarithmus. Die Anspielung auf den mit 13 Kindern gesegneten Schweizer Mathematiker Leonhard Euler (1707 - 1783) soll eine immer noch verspielt akademische Firmenkultur zum Ausdruck bringen. Ob diese auch unter dem Druck des Börsengeschäfts Bestand haben kann, bleibt abzuwarten. (tc/ajf)

Unternehmensresultate im Überblick

Firemnname / Anlass / Berichtszeitraum / Umsatz / Veränderung zum Vorjahr / Nettoergebnis / Nettoergebnis im Vorjahr / Prognose* [up, =, down]

Akamai / Geschäftszahlen / Q1 / 48,4 Mio. $ / +32 % / 2,9 Mio. $ / -8,6 Mio.$ / Keine

Alcatel / Geschäftszahlen / Q1 / 2,74 Mrd. _ / -3 % / 134 Mio. _ / -461 Mio. _ / up

Altiris / Geschäftszahlen / Q1 / 37,4 Mio. $ / +79 % / 3,1 Mio. $ / 2,5 Mio. $ / Keine

Ariba / Geschäftszahlen / Q2 / 56 Mio. $ / -5% / -0,8 Mio. $ / -51,6 Mio. $ / Keine

BMC Software / Geschäftszahlen / FJ 2004 / 1,42 Mrd. $ / +7 % / -26,8 Mio. $ / 48 Mio. $ / =

Business Objects / Geschäftszahlen / Q1 / 217 Mio. $ / +83 % / 3,3 Mio. $ / 8,8 Mio. $ / down

Cray / Geschäftszahlen / Q1 / 42,1 Mio. $ / -4 % / -3,8 Mio. $ / 1,2 Mio. $ / Keine

Electronic Arts / Geschäftszahlen / FJ 2004 / 2,9 Mrd. $ / +19 % / 577 Mio. $ / 317 Mio. $ / =

Epiphany / Geschäftszahlen / Q1 / 20,2 Mio. $ / -10 % / -4,2 Mio. $ / -10,9 Mio. $ / down

France Télécom / Geschäftszahlen / Q1 / 11,45 Mrd. _ / +1 % / 2,55 Mrd. _ (Ebit) / 2,2 Mrd. _ (Ebit) / =

IDS Scheer / Geschäftszahlen / Q1 / 64,6 Mio. _ / +41 % / 4,8 Mio. _ / 3,7 Mio. _ / =

Intershop / Geschäftszahlen / Q1 / 4,4 Mio. _ / -30 % / -2,5 Mio. _ / -8,4 Mio. _ / =

NCR / Geschäftszahlen / Q1 / 1,29 Mrd. $ / +5 % / -5 Mio. $ / -27 Mio. $ / up

Network Associates / Geschäftszahlen / Q1 / 217 Mio. $ / -2 % / 56 Mio. $ / 12 Mio. $ / down

Real Networks / Geschäftszahlen / Q1 / 60,4 Mio. $ / +29 % / -10,4 Mio. $ / -2,8 Mio. $ / =

SAP SI / Geschäftszahlen / Q1 / 75,9 Mio. _ / +17 % / 6,7 Mio. _ / 5,5 Mio. _ / =

Software AG / Geschäftszahlen / Q1 / 95,7 Mio. _ / -7 % / 9,8 Mio. _ / -14,8 Mio. _ / up

Sonicwall / Geschäftszahlen / Q1 / 31,8 Mio. $ / +57 % / -0,2 Mio. $ / -3,9 Mio. $ / =

Stellent / Geschäftszahlen / FJ 2004 / 75,8 Mio. $ / +16 % / -10,5 Mio. $ / -32,4 Mio. $ / =

Surfcontrol / Geschäftszahlen / Q3 / 22 Mio. $ / +19 % / 3,3 Mio. $ / 2,2 Mio. $ / =

Symantec / Geschäftszahlen / FJ 2004 / 1,87 Mrd. $ / +33 % / 371 Mio. $ / 248 Mio. $ / up

Toshiba / Geschäftszahlen / FJ 2004 / 43,9 Mrd. _ / -1 % / 219 Mio. _ / 142 Mio. _ / down

Utimaco / Vorläufige Zahlen / Q3 / 6,1 Mio. _ / +2 % / 0,3 Mio. _ (Ebit) / 0,2 Mio. _ (Ebit) / Keine

Vignette / Geschäftszahlen / Q1 / 39,7 Mio. $ / -3% / -24,7 Mio. $ / -7,5 Mio. $ / Keine

*Prognosen der Unternehmen zum Geschäftsverlauf