Google wird zur Kasse des Internet

04.07.2006
Mit dem neuen Bezahldienst "Checkout" möchte Google eine weitere Schaltstelle des E-Commerce besetzen.

Nach Monaten der Gerüchte um "GBuy" und "Google Wallet" schickt der Suchmaschinenprimus nun "Checkout" an den Start. Der Bezahlservice speichert eine Reihe von Kundeninformationen, darunter Namen, Lieferadressen, Kredikartennummern sowie alle aufgelaufenen Rechnungen. Der Dienst richtet sich primär an kleinere Online-Händler, denen er das Inkasso abnehmen soll.

Nach Einschätzung von Marktbeobachtern repräsentiert Checkout eine wesentliche Komponente im Portfolio von Google. Es ergänzt besonders das erfolgreiche Such- und Anzeigengeschäft, mit dem der neue Service eng verknüpft wird. Die kalifornische Company nutzt ihre dort erreichte Marktmacht aus, um dem Bezahldienst zum Durchbruch zu verhelfen. So soll in den Suchergebnissen ein Einkaufswagensymbol die Werbeanzeigen kennzeichnen, wenn der betreffende Händler die Bezahlung über Checkout akzeptiert. Gerade für weniger bekannte E-Shops könnte sich dies zu einem wesentlichen Merkmal entwickeln. Sie leiden nämlich in der Regel unter hohen Abbruchraten im Bestellprozess, weil Käufer zögern, ihnen Kreditkarteninformationen oder die E-Mail-Adresse anzuvertrauen. Ein weithin bekanntes Bezahlsystem könnte die Zahl der erfolgreichen Kauftransaktionen erhöhen.

Als zusätzlichen Anreiz bietet Google seinen Werbekunden einen Preisnachlass. Händler können Transaktionen bis zum Zehnfachen ihres Adwords-Budgets kostenlos tätigen. Wer also beispielsweise 1000 Euro im Monat für Googles Pay-per-Click-Anzeigen ausgibt, muss für einen Umsatz von bis zu 10000 Euro keine Provision bezahlen. Google hofft, dass die Mehreinnahmen der Händler durch sinkende Abbruchraten unmittelbar in das Budget für Online-Werbung fließen.

Gefahr für Ebays Paypal

Wenn ein Web-Gigant wie Google einen neuen Service startet, stellt sich immer die Frage, welche Konkurrenten darunter am meisten leiden könnten. Die Börse gab darauf eine Antwort, indem sie den Kurs von Ebay um über einen Dollar drückte. Der Online-Auktionär betreibt mit "Paypal" einen eigenen Bezahldienst. Dieser übernimmt jedoch nicht nur die Transaktionen zwischen Händlern und Konsumenten, sondern vor allem auch zwischen Privatpersonen, die Waren auf Ebay versteigern und erwerben. Einige Kommentatoren sehen daher in Checkout keine große Bedrohung für Paypal. Die Forrester-Analystin Charlene Li hält es sogar für möglich, dass Google neben Kreditkarten in Zukunft auch Paypal als Zahlungsmittel akzeptieren könnte. Im Wettlauf um die Gunst der Händler unterbietet der Suchmaschinenprimus Ebay jedoch deutlich bei den Gebühren pro Transaktion. Während die Mehrzahl der Paypal-Kunden pro Bezahlvorgang 2,9 Prozent des Warenpreises plus 30 Cent berappen müssen, begnügt sich Google mit 2 Prozent plus 20 Cent.

Basis für neues Werbemodell

Ein möglicher Erfolg von Checkout wäre für Google auch ein wichtiger Schritt in Richtung der angekündigten Werbeform "Cost per Action" (CPA). Dort müssen Werbekunden im Gegensatz zum derzeitigen "Pay per Click" (PPC) erst dann bezahlen, wenn der Besucher ein Geschäft abschließt. Der bloße Klick auf eine Anzeige würde ihnen keine Kosten verursachen. CPA ist für Missbrauch weniger Anfällig als PPC, das durch Klickbetrug und Web-Spam zunehmend in Verruf gerät. Mit Hilfe eines weithin akzeptierten Bezahlsystems könnte Google die Aktivitäten von Online-Käufern vom Klick auf ein Werbemittel bis zur Abrechnung der bestellten Waren verfolgen.

Nach Einschätzung von Marketing-Experten plant Google nicht nur eine Verlagerung seiner Werbeaktivitäten von PPC in Richtung CPA, sondern möchte Anzeigen stärker auf die Vorlieben des Benutzers zuschneiden. Derzeit blendet das Unternehmen Werbemittel abhängig von eingegebenen Suchbegriffen oder vom Bedeutungsumfeld einer Website ein. Je mehr Daten Google über Verbraucher sammelt, desto mehr kann es Anzeigen auf ihr Profil ausrichten ("Behavioural Targeting"). Wichtige Informationslieferanten sind derzeit die personalisierte Suche und Dienste wie "Google Mail" oder "Google Calendar". Da Checkout sämtliche Rechnungen aus Online-Bestellungen speichert, kann sich Google damit gut auf die Konsumgewohnheiten seiner Benutzer einstellen. (ws)