Wearable Computing

Google Glass bereitet den Weg

04.01.2014
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Schon bald werden Uhren, Armbänder und Kleidung vernetzt sein. Vorreiter der Wearable-Computing-Bewegung ist die Cyberbrille Google Glass.

Wer mit dem Gedanken spielt, sich das nächste iPhone oder ein anderes Smartphone zu kaufen, sollte sich die durchaus kostspielige Anschaffung noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Glaubt man den neuesten Prognosen, geht der Trend hin zu Wearable Gadgets. Wer mit der Smartwatch telefoniert oder mit der Brille fotografiert, kann sein Handy öfter mal in der Jacken- oder Hosentasche lassen. Möglicherweise ist es daher sinnvoller, sein Geld anderweitig zu verplanen und das alte Smartphone weiter zu nutzen.

Dass es sich bei Wearables um mehr als einen vorübergehenden Trend handeln könnte, glauben Marktforscher zu wissen: Den Analysten von Juniper zufolge werden in diesem Jahr weltweit bereits 15 Millionen smarte, tragbare Devices verkauft. Bis 2017 soll die Zahl sogar auf 70 Millionen springen. Die Kollegen von ABI Research gehen davon aus, dass der Markt in diesem Zeitraum auf 170 Millionen Geräte anwächst.

Treibendes Element neben den zahlreichen Uhren, Fitness-Armbändern und anderen Sport-Gadgets ist dabei vermutlich die Cyberbrille Google Glass. Das Device ist derzeit nur als 1600 Dollar teurer Prototyp (Explorer Edition) für ausgewählte Personen und insbesondere Entwickler verfügbar, soll jedoch voraussichtlich schon 2014 in einer deutlich günstigeren Endkundenversion auf den Markt kommen.

Für Menschen, die das letzte Jahr in einem Schweigekloster oder im tiefsten Amazonas-Gebiet verbracht haben, hier ein kurzes Update: Bei Google Glass handelt es sich um eine Datenbrille, die via Bluetooth mit einem Smartphone verbunden wird und verschiedene Informationen im oberen Sichtfeld des Trägers vor dem rechten Auge einblendet, etwa Termine, Wetterdaten oder Navigationshinweise. Gleichzeitig ist es möglich, damit zu telefonieren und Videokonferenzen abzuhalten, sowie Fotos mit fünf Megapixeln Auflösung und Video mit 720p aufzunehmen. Die Steuerung erfolgt über Sprache und Wischgesten am Brillenbügel.

Google Glass: Spätestens nach fünf Stunden ist der Spaß vorbei...
Google Glass: Spätestens nach fünf Stunden ist der Spaß vorbei...
Foto: Vectorform

Was die Faszination von Google Glass ausmacht, konnte die COMPUTERWOCHE von Kevin Foreman, Director Product Vision bei Vectorform, aus erster Hand erfahren. Sein Team hatte sich im Frühjahr erfolgreich für das Early Explorer Program "#ifIhadglass" beworben und beschäftigt sich als Spezialist für Design und App-Entwicklung seitdem intensiv mit der intelligenten Brille. Foreman selbst trug Google Glass vor allem zu Beginn täglich solange, bis der Akku seinen Dienst versagte - das trat je nach Nutzungsverhalten nach bis zu fünf Stunden ein.

Fehler ja - aber viele Vorteile

Der Prototyp habe noch viele Fehler aufgewiesen, bilanziert Foreman. Trotzdem habe Glass ein wichtiges Ziel erreicht, so sein Fazit nach mehr als acht Wochen Dauertest: Die Datenbrille habe bewiesen, dass am Körper getragene Computer viele Vorteile gegenüber Devices wie Smartphones und Tablets brächten. Sie böten unglaubliche neue Möglichkeiten, da sie eine noch intensivere Verflechtung unserer physikalischen und digitalen Welten erlaubten.

Für Foreman stellt Google Glass auch eine neue Entwicklungsstufe in puncto Benutzeroberflächen dar. So konnte man mit den in den 1990er Jahren populär und erschwinglich gewordenen PCs erstmals bequem und schnell im Internet recherchieren, mit Smartphones und Tablets wurde das Computing dann mobil und handlich, erklärt er. In beiden Fällen müsse man sich aber für den Erhalt der gesuchten Informationen einem separaten Display zuwenden - ein Problem, das Google Glass durch das Einblenden von Inhalten löse.

Cyborg-ähnliche Wesen

Spätestens an diesem Punkt werden nicht nur passionierte Datenschützer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und an eine Gesellschaft mit Cyborg-ähnlichen Wesen denken, die alles um sie herum googeln, fotografieren oder filmen und anschließend im Web posten. So überrascht es wenig, dass das Thema derzeit in den Medien, aber auch im realen Leben hochgekocht wird. Unter anderem gibt es in den USA bereits die ersten Bars und Kneipen mit Google-Glass-Verbot. Im Silicon Valley - typischerweise einer Region mit hoher Google-Brillen-Dichte - wurde schon früh der Begriff "Glasshole" als Bezeichnung für eine Person geprägt, die sich ständig via Google Glass unterhält und die Welt um sich herum ignoriert.

Was solche Einschätzungen und den Schutz der Privatsphäre anbelangt, hatte der Google-Chairman und frühere Chef des Internet-Konzerns Eric Schmidt bereits im Frühjahr in einem "BBC"-Interview eingestanden, dass die Benutzung von Wearables wie Glass erst einmal gesellschaftliche Akzeptanz finden müsse. Das Unternehmen hoffe jedoch auf eine Selbstregulierung, da es mit anderen Technologien, etwa Smartphones, ähnliche Probleme gebe.

Immerhin hat Google versprochen, Gesichtserkennung via Google Glass zu unterbinden, solange keine entsprechenden Sicherheitsfunktionen existierten. Vectorform-Mann Foreman berichtet außerdem, dass heimliches Fotografieren und Filmen mit der Datenbrille, - so sehr dabei die Chance auf besonders natürliche Aufnahmen reize - kaum möglich sei, da das Gerät dabei anders als etliche Smartphones ein Blinksignal sende. Darüber hinaus sei Google Glass bei Videoaufnahmen als Standard nur auf eine Zehn-Sekunden-Sequenz eingestellt.

Kevon Foreman, Vectorform
Kevon Foreman, Vectorform
Foto: Vectorform

Ein großes Akzeptanzproblem sieht der in Detroit ansässige Foreman für die Brille aber ohnehin nicht. Trage man sie in der Öffentlichkeit, reagierten andere Leute auf Google Glass in erster Linie verwirrt, neugierig oder begeistert, nur selten aber beunruhigt. In letzterem Fall schiebe er einfach das Gerät wie eine Sonnenbrille nach oben in die Haare.

Interessanterweise berichtet Foreman außerdem, dass er mit Glass deutlich weniger Daten konsumiere als mit seinem Smartphone - aus dem einfachen Grund, weil er von der Brille ständig auf dem Laufenden gehalten werde und die Notwendigkeit wegfalle, regelmäßig einen Blick auf das Display mit all seinen Verlockungen durch Apps und Services zu werfen.