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Analyse

Google gerät in das erste Kartellverfahren der Internet-Ära

27.06.2011
Mit Untersuchungen der US-Wettbewerbshüter steht Google so stark wie noch nie im Visier der Kartellwächter.

Es geht um das Kerngeschäft des Konzerns, die Internet-Suche und damit verbundene Anzeigen, mit denen Google Milliarden verdient.

In der alten Industrie erinnerten Kartellverfahren oft an klassische Detektiv-Arbeit. Die Spuren lagen in der realen Welt: Entwicklung von Preisen und Produktion, Reisebuchungen für geheime Treffen, im Idealfall lieferte auch noch ein Kronzeuge den endgültigen Beweis. Die Ermittlungen um Google führen die Wettbewerbshüter jedoch in die ganz andere, schwer greifbare Internet-Welt. Im Mittelpunkt stehen komplexe Formeln und Algorithmen, die regeln, ob eine Website in der Ergebnissen einer Internet-Suche ganz oben steht - oder nicht.

Wettbewerber werfen Google vor, die führende Suchmaschine lasse die Links zu ihnen im Keller der Treffer verschwinden - dort, wo weniger Nutzer sie sehen und anklicken. Das Ziel sei, die Kunden zu eigenen Diensten zu lenken und Rivalen aus dem Geschäft zu drängen, behaupten etwa einige Preisvergleichs-Websites oder Reisevermittler sowie der wichtigste Google-Wettbewerber Microsoft mit seiner Suchmaschine Bing. Google weist dies zurück und kontert, es gehe darum, den Nutzern die bestmöglichen Ergebnisse zu liefern. Und schließlich sei die Konkurrenz ja "nur einen Klick entfernt".

Die Wettbewerber tun sich schwer, Google Kunden abzujagen. Im Heimatmarkt USA laufen mehr als 60 Prozent der Anfragen über die führende Suchmaschine, in einigen Ländern Europas sind es zum Teil über 90 Prozent. Google sagt, dies sei das Ergebnis harter Arbeit und vieler Innovationen. Rivalen wie Microsoft argumentieren, das Suchmaschinen-Geschäft sei eines, in dem Größe noch mehr Größe nach sich ziehe: Je mehr Daten man hat, desto besser kann man die Suchergebnisse gewichten. Je mehr Kunden den Dienst nutzen, desto effizienter ist die Werbung. Microsoft-Manager beklagten schon vor Jahren, dass Bing es schwer habe, eine kritische Masse zu erreichen, um für Werbetreibende interessant zu werden.

Am Anfang von Google stand eine Formel. Larry Page und Sergey Brin hatten eine Idee, wie man Suchergebnisse auf Basis von Links zwischen Websites gewichten kann. Das Verfahren funktionierte so gut, dass Google in kürzester Zeit zur führenden Internet-Suchmaschine wurde. Heute hat sich PageRank zu einem noch komplexeren Algorithmus entwickelt, bei dem hunderte verschiedener Parameter berücksichtigt werden. Jeden Tag gebe es eine bis zwei Änderungen an der Formel, schrieb Googles Suchexperte Amit Singhal schon im vergangenen Herbst, als sich das EU-Wettbewerbsverfahren zusammenbraute. "Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass wir Google gebaut haben, um Nutzer zu begeistern - und nicht unbedingt Website-Besitzer."

Dem Nutzer möglichst direkt die richtige Antwort zu liefern, sei auch das Leitmotiv bei der Weiterentwicklung der Suchmaschine in den vergangenen Jahren gewesen, betont der Internet-Konzern. Wenn man etwa "100 Dollar in Pfund" eintippt, bringe einem das fertige Ergebnis mehr als der Link zu einem Währungsrechner. Das Prinzip weitet Google auch auf andere Bereiche aus. Wenn man jetzt etwa "Flüge von Hamburg nach München" ins Suchfenster eintippt, werden direkt Fluginformationen angezeigt. Mit der Übernahme des amerikanischen Spezialisten für Flugdaten-Software ITA soll der Dienst noch verbessert werden, verspricht Google. Reise-Suchmaschinen wie Expedia laufen dagegen Sturm. Das US-Justizministerium sah nach einer monatelangen Prüfung jedoch keine Gefahr für den Wettbewerb.

Fairsearch.org, ein Zusammenschluss unzufriedener Google-Wettbewerber, wirft dem Konzern jedoch vor, Suchergebnisse und deren Anzeige zu manipulieren. So würden eigene Dienste des Internet-Konzerns und Links zu Werbepartnern bevorzugt - und ihre Angebote tiefer platziert, erklären sie. Google hingegen gibt an, den Algorithmus nur einmal manipuliert zu haben: Als der Marktführer vor einigen Monaten beweisen wollte, dass Bing auch auf Google-Ergebnisse zurückgreift und dafür sinnfreie Suchbegriffe mit beliebig ausgewählten Websites verknüpfte. (dpa/tc)