Web

Google geht an die Börse

30.04.2004
Nun ist es amtlich: Google will Aktien im Wert von 2,7 Milliarden Dollar unters Volk bringen. Dabei verstößt die aus eigener Sicht unkonventionelle Internet-Suchfirma gegen jede Menge Wall-Street-Gepflogenheiten.

Die Internet-Suchfirma Google hat gestern wie erwartet bei der US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) ihren Börsengang beantragt. Dabei schlägt das Unternehmen vor, Aktien im Wert von rund 2,7 Milliarden Dollar über ein Auktionsverfahren zu platzieren, das niemals zuvor für ein IPO (Initial Public Offering) dieser Größenordnung genutzt wurde.

Gründer Larry Page und Sergey Brin: Multimilliardäre in spe.
Gründer Larry Page und Sergey Brin: Multimilliardäre in spe.

Dieses Procedere soll sicherstellen, dass zum einen möglichst viele Anteile an Kleinaktionäre gehen und zum anderen die in der Vergangenheit üblichen Rekordgewinne am ersten Börsentag vermieden werden, die häufig im Mittelpunkt von Investment-Skandalen standen. Es entmachtet außerdem die Investment-Banken, die ansonsten großen Einfluss darauf haben, wer heiß begehrte Aktien erhält und wer nicht. "Wired News" befindet angesichts dessen und weiterer Details des insgesamt 768-seitigen Google-Antrags, die Firma zeige der Wall Street quasi den Stinkefinger.

"Google ist keine konventionelle Firma", schreiben die beiden Firmengründer Sergey Brin und Larry Page in dem Antrag. "Und wir haben nicht vor, eine zu werden." Die beiden abgebrochenen Stanford-Studenten, nun in ihren frühen 30ern auf dem besten Wege zu Milliardären, haben in fünfeinhalb Jahren eine Website geschaffen, die Monat für Monat von mehr als 100 Millionen Menschen genutzt wird und dank gezielter Werbeeinblendungen auch schwarze Zahlen schreibt.

Aus dem SEC-Antrag geht hervor, dass Google seit dem Jahr 2001 profitabel wirtschaftet. Im vergangenen Jahr habe die Firma auf Basis von 962 Millionen Dollar Umsatz einen Nettogewinn von 106 Millionen Dollar erzielt, heißt es. Der Vorsteuergewinn betrug 346,7 Millionen Dollar. 96 Prozent den Einnahmen stammen aus Anzeigen, die Google auf den eigenen und den Web-Seiten von Partnern platziert hat. Investitionen von nur 38 Millionen Dollar hat das Unternehmen inzwischen in einen Bargeldbestand von 455 Millionen Dollar (Stand Ende März) verwandelt. Google beschäftigt zurzeit 1907 Mitarbeiter, bislang waren nur "mehr als 1000" offiziell.

Eine Investition in Google sei allerdings nicht ohne Risiko, heißt es weiter. Vor allem die Rivalen Microsoft und Yahoo nutzten ihre üppigen Ressourcen, um konkurrierende Technik zu entwickeln. Speziell in Sachen Microsoft warnte Google beispielsweise, der Redmonder Konzern könne seine Office-Software so verändern, dass etwa damit erstellte Word-Dateien für Googles Suchtechnik nicht mehr zugänglich wären oder diese störten. Eine Microsoft-Sprecherin dementierte derartige Pläne natürlich prompt. Googles Filing verrät außerdem, dass die exklusive Lizenz auf sein Kern-Patent im Bereich der Suchtechnik im Jahr 2011 ausläuft. Inhaber des Patents ist die Stanford University, wo Brin und Page einst Informatik studierten.

So unkonventionell wie Googles Arbeitsklima ist auch sein Emissionsprospekt.
So unkonventionell wie Googles Arbeitsklima ist auch sein Emissionsprospekt.

Interessantes verrät der Antrag auch zur Management-Struktur von Google. Die Satzungen der Firma legten fest, dass Brin und Page gemeinsam mit CEO Eric Schmidt die Ausrichtung von Google bestimmten. Das Trio tendiere dazu, "die Firma kollektiv zu leiten und sich intensiv untereinander zu beraten, bevor bedeutende Entscheidungen getroffen werden." Dies könne den Prozess der Entscheidungsfindung verlangsamen, heißt es.

Und obwohl die Aktienvergabe beim Börsengang möglichst demokratisch ablaufen soll, will Google auf der anderen Seite dafür sorgen, dass Gründer und Management weiterhin die Kontrolle über die Firma behalten. Dazu sollen zwei Klassen von Aktien geschaffen werden - ein Arrangement, das typischerweise bei in Familienbesitz befindlichen Unternehmen genutzt wird.

Page hat bereits eine siebenseitige "Bedienungsanleitung" für künftige Google-Aktionäre verfasst. Diese sei von den volkstümlichen Jahresberichten des Großinvestors Warren Buffett beeinflusst, räumt der Google-Mitgründer ein, und verspricht, er und seine Management-Kollegen würden die Firma langfristig und nicht auf Quartalsergebnisse hin steuern, immer getreu dem internen Motto "Don't be evil". In dem Einleitungsschreiben für den Emissionsprospekt schreiben Page und Brin konkreter, Google werde Anleger nicht mit vierteljährlichen Quartalsprognosen versorgen. "Wir können unser Geschäft nicht für jedes Quartal eng eingrenzen", so das Gründerduo. "Ein Management-Team, das durch kurzfristige Ziele abgelenkt wird, ist genauso sinnlos wie jemand, der Diät macht und alle halbe Stunde auf die Waage steigt."

Viele Fragen bleiben aber trotz des umfänglichen Antrags noch offen. Nicht bekannt ist bislang unter anderem, wie viele Aktien Google emittieren will, welche Preisspanne dafür geplant ist und an welcher Börse die Anteile überhaupt notiert werden sollen - der Hightech-Börse Nasdaq, der klassischen New York Stock Exchange (NYSE) oder womöglich an beiden.

Zumindest steht zu erwarten, dass Googles Going Public irgendwann in den kommenden drei Monaten der bislang größte Börsengang einer Internet-Firma sein wird - den bisherigen Rekord von Barnesandnoble.com aus dem Jahre 1999 mit 431 Milllionen Dollar dürfte Google lässig toppen. Basierend auf den Einschätzungen im Emissionsprospekt wäre der IPO allerdings nur der fünfzehntgrößte der US-Wirtschaftsgeschichte allgemein (laut Daten von Renaissance Capital). Im Erfolgsfalle würde er gewiss weiteren Hightech-Firmen den Weg an die Börse ebnen, die seit dem Platzen der sprichwörtlichen Internet-Blase im Jahr 2000 mehr oder weniger ausgeschlossen blieben.

Und die Gründer und frühen Investoren von Google werden durch den Börsengang gewiss schwer reich. Brin und Page gehören je rund 15 Prozent der Firma, dem früheren Novell-Chef Schmidt etwa sechs Prozent. Würde Google mit 25 Milliarden Dollar marktkapitalisiert, beliefe sich der Wert der Anteile für Brin und Page auf je vier Milliarden Dollar (beide kündigten explizit an, im Zuge des IPO auch Teile ihrer Aktien zu platzieren) und für den CEO auf 1,5 Milliarden Dollar. Über eine üppige Rendite dürften sich auch die Venture-Capital-Geldgeber der ersten Google-Stunde Kleiner Perkins Caufield & Byers und Sequioa Capital freuen. Ihre Anteile von jeweils knapp über zehn Prozent, 1999 für jeweils um die 13 Millionen Dollar erworben, könnten bis zu 2,5 Milliarden Dollar wert werden. (tc)