Globalvertraege, Hausstandards, Garantieabsprachen Franzoesische Anwender planen IT-Budgets zunehmend restriktiv Von CW-Mitarbeiter Lorenz Winter

04.03.1994

PARIS - Franzoesische Einkaeufer haben 1993 rund 311 Milliarden Franc (zirka 103 Millionen Mark) fuer DV-Equipment und Software ausgegeben - kaum mehr als im Vorjahr. Rigide Budgetkontrolle und das veraenderte Einkaufsverhalten der IT-Grossverbraucher sind zwei Gruende fuer diese Stagnation.

Nach Erhebungen des Pariser Beratungsunternehmens Pierre Audoin Conseil (PAC) investierten Frankreichs wichtigste Anwenderbranchen zwischen zwei und vier Prozent des Umsatzes in Informationstechnik. Eine Ausnahme stellt die Luft- und Raumfahrtindustrie dar, die bis zu elf Prozent ihrer Einnahmen fuer DV ausgab. Die Gesamtinvestitionen von 311 Milliarden Franc umfassen Software und Services, die Abschreibungen auf bereits installierte Geraete, nicht aber Neukaeufe von Hardware (vgl. die Abbildungen).

Je sparsamer die Anwender ihre DV-Etats gestalten, desto wilder entbrannte der Wettbewerb der Lieferanten um die kleiner gewordenen Budgets. "Nicht Honig, sondern Essig scheint die Bienen zu locken", formuliert ein Berater von PAC.

Laut Serge Seletzky, IT-Direktor beim Oelkonzern Elf-Aquitaine, koennten sich die Anwender ueber das Leistungsangebot am Markt nicht beklagen. Immer schwerer falle es hingegen, ein klares Bild von der Qualitaet einzelner Bezugsquellen zu gewinnen. Neben Geraetelieferanten, Softwareschmieden und Systemhaeusern traeten verstaerkt Telecomfirmen, Technologie- und Management-Berater, ja sogar DV-Abteilungen grosser internationaler Treuhandgesellschaften als Mitbewerber auf.

Vor allem Grossunternehmen haben aufgrund der Rezession und des Vormarsches von PC-Equipment ihr Einkaufsverhalten veraendert. Allerdings seien den Grossanwendern die "verdeckten Kosten" alternativer DV-Ausruestungen oft nicht klar genug bewusst, meint Jacky Bendayan, IT-Chef bei der zur Rothschild-Gruppe gehoerigen Compagnie Financiere. Im Einzelfall koennten deshalb sowohl die haeufig als "technikglaeubig" oder "herstellerhoerig" gescholtenen DV-Chefs einen wirtschaftlich falschen Kaufentscheid treffen als auch die angeblich "muendig" gewordenen Anwender.

Stichwort Einkaufsgewohnheiten: Schon vor einiger Zeit hat die kalifornische Marktforschungsfirma Computer Economics darauf verwiesen, dass ein User bis zu 85 Prozent vom Listenpreis eines Softwareprodukts sparen koenne, wenn er davon mehr als 5000 Stueck auf einen Schlag ordere. Solche Mengen kommen in der Praxis durchaus vor. Branchenkennern zufolge handelt zum Beispiel die BP- Gruppe derzeit mit Microsoft einen Kontrakt ueber die Lieferung von 70 000 PC-Programmen aus.

Eddie Soulier, beim Verband der Grosseinkaeufer von DV-Produkten in der franzoesischen Industrie (Cigref) fuer Lieferantenkontakte zustaendig, erkennt "Mengenvorteile im PC-Geschaeft, die frueher beim Umgang mit Mainframes und Minis praktisch nicht genutzt werden konnten".

Dem Cigref gehoeren Firmen mit mehr als 2000 Beschaeftigten an, die zu etwa zwei Dritteln die DV-Ausgaben dieses Marktsegments in Frankreich bestreiten.

Im Lauf der Jahre entwickelten Cigref-Mitglieder insbesondere drei Instrumente zur Kostendaempfung im DV-Bereich: Globalvertraege, Fixierung von Hausstandards und Abnahmegarantien zu gegenseitig vereinbarten Konditionen. Globalvertraege schliesst zum Beispiel regelmaessig der Chemiekonzern Rhone-Poulenc ab. Mit solchen Vereinbarungen, die derzeit nur fuer die Kernunternehmen der Gruppe gelten, demnaechst aber auch bei den Tochtergesellschaften im In- und Ausland praktiziert werden duerften, will man nicht nur Mengenrabatte erzielen. Vielmehr kommt es laut IT-Direktor Jacques Beer-Gabel auch darauf an, den jaehrlichen Ausgabenzuwachs kalkulierbar zu halten.

Der IT-Chef fuehrt deshalb einen staendig aktualisierten Einkaufskatalog, der "Normen" und "Empfehlungen" fuer die Hard- und Softwarelieferanten des Unternehmens festhaelt. Im Extremfall wird das Idealmodell einer Workstation bis ins Detail definiert und die Angebote der Lieferanten mit diesen Hausstandards verglichen.

Ausserdem legt der Chemiemulti einen "akzeptablen" Einkaufspreis fest. Soll beispielsweise der PC-Park des Unternehmens - er umfasst heute 5000 Maschinen - um zehn Prozent erweitert werden, steht von vornherein fest, was dieser Ausbau pro PC hoechstens kosten darf.

Auch Elf-Aquitaine sowie die Luft- und Raumfahrtgruppe Aerospatiale (AS) arbeiten mit Hausstandards. Nach Ansicht von AS- Einkaufsdirektor Francois Lhomme sind "unverhoffte Budgetueberschreitungen selten durch ein unguenstiges Preis- Leistungsverhaeltnis des beschafften Materials bedingt, sondern in der Mehrzahl durch mangelnde Standardisierung". Die Folgen seien Migrationsprobleme und explodierende Folgekosten.

Die Margen des Distributors werden deutlich begrenzt

Die Reederei SNCM schliesslich schloss mit ihrem Distributor fuer PCs und Terminals ein Abkommen, das manche Lieferanten wahrscheinlich entruestet als "Knebelvertrag" zurueckgewiesen haetten. SNCM schreibt dem Distributor eine Hoechstmarge von zehn Prozent vor, die durch Einsicht in die Buecher geprueft werden kann. Im Gegenzug bindet sich die Reederei mehrere Jahre.

Auch bei AS wird Lieferantentreue als wichtiger Nebeneffekt der hausinternen Einkaufsstandards empfunden. Als zugelassene Beschaffungsquellen gelten dort heute Compaq, HP, IBM, Zenith Data Systems und Apple. Da Ueberdimensionierungen und Migrationsprobleme kaum noch vorkommen, verspuert Einkaufschef Lhomme kein besonderes Beduerfnis, auf Billiganbieter aus Suedostasien auszuweichen: "Auch klassische Lieferanten bieten ihre Erzeugnisse heute zu wettbewerbsfaehigen Preisen an".