Direct-Marketing setzt auf Zwei-Wege-Kommunikation:

Globale Breitbandnetze für individuelle Werbung

08.09.1989

Noch immer gilt das Fernsehen als erfolgreiches Werbemittel. Jedoch handelt es sich um einseitige Kommunikation. Ab 1992 sollen Warenanbieter ihren Kunden mittels Corporate Teleports weltweit spezifische Informationen über ein Produkt zur Verfügung stellen und ihnen sogar den direkten Kontakt mit einem Berater ermöglichen.

Die zunehmende Leistungsfähigkeit der elektronischen Kommunikations- und Datenverarbeitungstechnologien eröffnet für nationale und vor allem für multinationale Organisationen eine bisher nicht gekannte elektronische Produktpräsenz im aktiven Dialogmodus.

Hieraus ergeben sich neue Möglichkeiten in bezug auf die präzise Erfassung des anvisierten Marktsegments, in der genauen, schnellen und im Bedarfsfall von dokumentierbaren Dialogführung mit dem Kunden sowie zum Feedback der sich wandelnden Marktbedingungen zur Produktion beziehungsweise zur angepaßten Angebotsgestaltung und Logistikstruktur.

Diese Integration des Database-Marketing mit dem Computer Integrated Manufacturing (CIM) ist ein Teil des Konzepts der Computer Aided Industry (CAI) und ermöglicht vielerorts eine flexible Manövrierfähigkeit des Unternehmens mit der tatsächlich am Markt verfügbaren Produktpalette.

Die unternehmensbezogene Organisationsstruktur zur Koordinierung dieser unternehmenseigenen integrierten Kommunikationssysteme ist das Organisations- und Technologiekonzept "Corporate Teleport", das gewissermaßen die "Einfuhr und Ausfuhr von

Informationen" in beziehungsweise aus dem Unternehmen organisatorisch trägt und technisch abwickelt.

Laut Aussagen von Dr. Dieter Lazak, Unternehmensbereich Kommunikationstechnik der Siemens AG, München, der anläßlich des diesjährigen Direct Marketing Symposiums in Montreux zum Thema Integriertes Marketing referierte, macht es die Miniaturisierung elektronischer Datenkommunikations- und Datenbanksysteme heute selbst für kleinere Unternehmen möglich, derartige Corporate Teleports einzurichten. Diese können unter anderem kleine private Mediastudios umfassen, von denen aus über elektronische Kornmunikationsnetzwerke sekundenschnell im globalen Maßstab Märkte und Kunden im individuellen medienintegrierten Dialog direkt erreicht werden können.

Diese Corporate Teleports werden künftig am Integrated Broadband Communication Network (IBCN) angeschaltet werden, welches ab 1992 in der Lage sein wird, in einem besonders hochwertigen digitalen Fernsehübertragungsverfahren allen Qualitätsanforderungen einer elektronischen Produktpräsentation standzuhalten. Erste, im Realbetrieb ablaufende Ansätze für eine elektronische, dialogfähige Marktpräsenz in globalen Breitkommunikationsnetzen zeigen sich in Home-Shopping-Netzen, die im Kabel-TV-Systemen bereits heute in den USA operieren und die über das kommende World-Teleport-Netz künftig zunehmende internationale Verbreitung finden werden.

Zur vollen Nutzung des Kommunikationspotentials bedarf es multifunktionaler Workstations (MFW). Hierbei handelt es sich um Datenendgeräte, auf denen viele Kommunikationsformen gleichzeitig abgewickelt werden können. Im Rahmen des IBCN ist eine multifunktionale Workstation ein "Minifernsehstudio" denkbar, das heißt, jeder MFW-IBCN-Teilnehmer kann im gleichen Ausmaß senden, wie er empfangsfähig ist.

Diese Erweiterung der Kommunikationstechnologie geht einher mit ständig zunehmenden Fähigkeiten der Datenverarbeitungseinrichtungen. Diese sind sowohl auf Seiten der MFWs als auch in den zentralen Großrechenzentren zu verzeichnen. Hier zählen besonders:

- nahezu unbeschränkt wachsende Speicherkapazitäten,

- Vereinheitlichung der Datenbankabfragesprachen,

- Zunahme der Grafikfähigkeit (Computer Graphic Animation),

- Einsatz von dedizierten Expertensystemen zur detaillierten,schnellen und exakten Bearbei-

tung von speziellen Anfragen durch den Computer,

- steigende Kommunikationsfähigkeit der Systeme,

- die Integration von audiovisuellen Informationszentralen mit digitalen Breitbandspeichern in die Computersysteme.

Für das Direct-Marketing bedeutet dies, nach den Worten von Lazak, die kundenspezifische, im Dialog von einer Breitbanddatenbank abrufbare, Produktinformation in hochauflösender Bewegtbildgrafik mit Sprach- und Musikbegleitung. Diese Qualität der elektronischen Kommunikationssysteme läßt sich als computergesteuertes Individualfernsehen bezeichnen, welches zusätzlich in der Lage ist, expertensystemgesteuert automatisch zu einem persönlichen Produktberater durchzuschalten, wenn auf anderem Wege die Kundenanfrage nicht beantwortet werden kann.

Für das Database- und insbesondere für das Direct-Marketing ist eine weitere Entwicklung von Bedeutung, die aber wegen des bis heute im öffentlichen Postnetz noch nicht allgemein verfügbaren IBCN, nur von experimenteller Natur ist - der PC-gesteuerte Bildplattenspieler.

Einen weiteren Ausbauschritt stellt die audiovisuelle Informationszentrale dar. Diese ist im Prinzip eine MFW-gesteuerte digitale Bild- und Ton-Datenbank, die an das IBCN angeschlossen ist, und über eine MFW zur Abgabe bestimmter Programmfolgen veranlaßt werden kann. In vereinfachter Form liegt dieses System im Falle des externen Rechners im Bilschirmtextsystem vor.

Audiovisuelle Informationszentralen bestehen nicht nur aus einem PC-gesteuerten Bildplattenspieler, sondern aus einer MFW- oder sogar großrechnergesteuerten Batterie von digitalen Plattenspeichersystemen, auf die viele Nutzer gleichzeitig zugreifen können. Hier handelt es sich gewissermaßen um ein elektronisches Kaufhaus, in dem computergesteuert viele Kunden gleichzeitig einen Informations- und Einkaufsbummel durchführen können, ohne sich von ihrer Heim-MFW entfernen zu müssen.

Im Sinne des Database- und des Direct-Marketing wird man sich als Anwender dieser Systeme mittelfristig mit der Möglichkeit vertraut machen, derartige audiovisuelle Informationszentralen aufzubauen.

Database-Marketing bald Bestandteil der CAI

Audiovisuelle Informationszentralen können auch Nachrichten-, Magazin- und Unterhaltungssendungen speichern und jedem Nutzer zu jeder beliebigen Zeit über das IBCN Zugang zu diesen Inhalten eröffnen. Das individualgesteuerte, vom öffentlichen Zeitprogramm unabhängige Rundfunk- und Fernsehprogramm wird auf diesem Wege möglich.

Als technische Telekommunikationseinrichtung gesehen, verbindet der Teleport die MFWs weltweit untereinander und mit den audiovisuellen Informationszentralen.

Teleports sind gewissermaßen Nebenstellenanlagen und Fernmeldeämter für das IBCN. Da sich das IBCN jedoch erst langsam und stufenweise weiterentwickelt, andererseits aber ein starker Bedarf, vor allem in Industrie-, Handels- und Verkehrsschwerpunkten, besteht, werden heute vielfach im Zusammenhang mit Neubaumaßnahmen noch nicht völlig IBCN-integrierte technische Teleportvorläufer errichtet.

Schwerpunkte dieser Entwicklung liegen derzeit in den USA, Japan, England und den Niederlanden. Es wird angestrebt, alle weltweiten Teleports international durch ein sogenanntes Overlaynetz zu verbinden, welches langfristig über Glasfaser in jeden Privathaushalt reichen kann.

Teleports können, wie Nebenstellenanlagen, verschiedene Größen haben. Es ist daher möglich, daß sich einzelne Unternehmen für ihre privaten Zwecke hauseigene Teleports mit Film- und Fernsehstudioeinrichtungen, mit audiovisuellen Informationszentralen, mit Computerdatenbanken und speziellen Dienstrechnern einrichten, um mittelfristig am externen Markt in koordinierter multimedialer Weise vertreten zu sein, und um auch intern zur Produktion, Konstruktion und Lagerhaltung einen direkten informationstechnischen Durchgriff zu haben. Dies bedeutet, daß das Database-Marketing direkter Bestandteil der Computer Aided Industry (CAI) wird.