Gleichstellungsgesetz verunsichert IT-Branche

12.09.2006
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.

Doch statt sich rechtzeitig auf die seit Monaten in den Medien breit diskutierten möglichen Auswirkungen vorzubereiten, schiebt die IT-Branche das Thema vor sich her. Beim Branchenverband Bitkom, der keine Gelegenheit auslässt, politische Entscheidungen zu kommentieren, ringt Referent Kai Kulmann um Worte: "Angesichts der geringen Nachfrage von Firmen haben wir noch keine Handlungsrichtlinien herausgegeben." Die Reaktion des Verbandes zeigt, wie unentschlossen IT-Unternehmen, aber auch Firmen anderer Branchen mit dem Problem umgehen. Ein merkwürdiger Zustand, wundert sich Bettina Sudar, Marketing-Leiterin des Münchner Jobportals Stellenanzeigen.de: "Es gibt kaum Anfragen, offenbar hat sich noch niemand informiert."

Paul Lütke Wissing, Sepago: "Kleinen Firmen fehlen die Ressourcen, um rechtzeitig auf das Gesetz reagieren zu können."
Paul Lütke Wissing, Sepago: "Kleinen Firmen fehlen die Ressourcen, um rechtzeitig auf das Gesetz reagieren zu können."

Warum die mittelständisch geprägte IT-Branche nicht zu Potte kommt, mag das Beispiel des Kölner IT-Dienstleisters Sepago GmbH verdeutlichen. "Der Chef sitzt morgens beim Kunden, programmiert nachmittags mit, schreibt abends zu Hause Rechnungen und fragt sich, ob er einen neuen Mitarbeiter einstellen soll", erklärt Sepago-Geschäftsführer Paul Lütke Wissing. Man müsse alles selbst abfedern und könne sich keine Strukturen leisten wie Konzerne. Doch auch dort herrscht Zurückhaltung, wie Peter Meussen von der Dresdner-Bank-Tochter DDS Dresdner Direktservice GmbH in Duisburg bestätigt. Zwar habe das Management Unterstützung zugesagt. Doch könne in Zeiten enger wirtschaftlicher Mittel auch das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz keine "Ressourcen in unangemessenem Rahmen beanspruchen."

Hilfe von Juristen

DDS lässt sich gezielt von Juristen unterstützen. Für die gesetzlich vorgeschriebenen Schulungen konnte Meussen den Richter Lothar Beseler gewinnen. Personaler drücken ganztägig, Führungskräfte halbtags die Schulbank. Vertiefend können sie ein Web-Based-Training zum neuen Gesetz nutzen, das die Dresdner Bank produziert hat. Darin lernen sie, wie sie sich verhalten sollten, wenn sie von Mitarbeitern über vermeintliche Diskriminierung oder Mobbing informiert werden, oder worauf beim Telefonat mit einem Bewerber zu achten ist.