DSL war gestern

Glasfaser revolutioniert die TK-Landschaft

18.05.2009
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Neue Services für Unternehmen

Und Unternehmen können zumindest im Access-Bereich auf spezielle Business-Lösungen wie SDSL verzichten, denn die Glasfasernetze locken auch im Upstream mit Bandbreiten von bis zu 10 Mbit/s - hier bildete ADSL/ADSL2+ mit dem üblichen 1 Mbit/s in der Vergangenheit ein Nadelöhr. Zudem liebäugeln etliche der Netzerbauer mit neuen Services. Beim Glasfaserprojekt Böblingen/Sindelfingen plant man beim Bau des zentralen Technikraums "Fibercollects" - hier laufen die Glasfaserstränge ähnlich wie in einer Vermittlungsstelle zusammen - bereits zusätzlichen Platz ein, um später Server-Hosting und -Housing als Service offerieren zu können.

Wegen den Grabungsarbeiten ist die Verlegung der Glasfasern teuer.
Wegen den Grabungsarbeiten ist die Verlegung der Glasfasern teuer.
Foto: Mnet

Angesichts der Schwelgerei in technischen Daten und dem Herumrechnen mit Gebührenmodellen wird ein anderer Aspekt des Glasfaserausbaus schnell übersehen. Etwas über zehn Jahre nach der TK-Liberalisierung des deutschen Marktes zum 1. Januar 1998 vollzieht sich mit dem Aufbau der Glasfaserinfrastruktur eine stille Netzrevolution: Die Telekom verliert jetzt ihr letztes Monopol, die Teilnehmeranschlussleitung (TAL, das Telefonkupferkabel zwischen Endkunde und Vermittlungsstelle (HVT)). Die neuen Glasfasernetze errichten nämlich die unterschiedlichsten Bauherren. So engagieren sich neben Stadtwerken auch Telekom-Konkurrenten wie Hansenet oder Vodafone/Arcor, und die Telekom geht Kooperationen ein, die vor kurzem noch undenkbar schienen. In Augsburg baut der Bonner Konzern mit dem regionalen Konkurrenten Mnet gemeinsam ein Glasfasernetz auf.

Auf den ersten Blick funktioniert also der Wettbewerb. Doch die Sache hat einen Haken: Als Monopolist im Kupfernetz unterliegt die Telekom der Regulierung und muss die TAL an ihre Wettbewerber vermieten sowie Entgelte von der Bundesnetzagentur genehmigen lassen. Zudem wurde dem Konzern ein Versorgungsauftrag aufgebürdet. Rechtliche Basis hierzu war beziehungsweise ist das Telekommunikationsgesetz, das entsprechende Maßnahmen für TK-Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung vorsieht. Darüber, ob nun beispielsweise die Stadtwerke einer Region eine marktbeherrschende Stellung besitzen und deshalb ihr Netz an andere Carrier und Provider als Resale-Produkt vermieten müssen, lässt sich trefflich streiten. Nicht umsonst geht auch die Telekom mit Begeisterung beim Thema Glasfaser Kooperationen ein. Sie hofft, wie Vorstandsmitglied Timotheus Höttges freimütig einräumt, so die Eingriffe der Regulierung loszuwerden. Da die Berliner Politik das Problem noch gar nicht erfasst hat und von der technischen Entwicklung mal wieder überholt wird, dürfte auf die Verwaltungsgerichte - wie zu Beginn der TK-Liberalisierung - eine Menge Arbeit zu kommen.

Für Unternehmen, die etwa ein bundesweites Filialnetz betreiben, könnte diese Situation zu der unschönen Konsequenz führen, dass sie mit vielen Betreibern künftig Einzelverträge abschließen müssen, statt ihr bundesweites Netz aus einer Hand zu beziehen. Auch die Rufe der "Breitband für Alle"-Propagandisten könnten künftig ungehört verhallen, wenn es nur lokale Netzbetreiber gibt.