UNO-Konferenz vertagt Probleme bis zum nächsten Treffen 2005 in Tunis

Gipfel kann digitale Kluft nicht überwinden

19.12.2003
GENF (CW) - Eine Prinzipienerklärung, wie die künftige Informationsgesellschaft aussehen soll, sowie ein unverbindlicher Aktionsplan sind die Ergebnisse des ersten Weltinformationsgipfels, der Mitte Dezember in Genf stattfand. Strittige Fragen zur Finanzierung und Regulierung des Internets wurden auf den Nachfolgegipfel 2005 in Tunis vertagt.

"Die Schlusserklärung und der Aktionsplan sind ein solider Kompromiss", erklärte der Schweizer Bundespräsident Pascal Couchepin in seinem Schlusswort zum ersten Weltinformationsgipfel der Vereinten Nationen. Damit werde der Weg in eine Informationsgesellschaft aufgezeigt, zu der alle Menschen Zugang hätten.

Zum ersten Weltinformationsgipfel trafen sich zwischen dem 10. und 12. Dezember über 10000 Delegierte aus 176 Teilnehmerstaaten in Genf, darunter laut Angaben der Veranstalter 54 Staatsoberhäupter und 83 Minister. Erstmals wurden anlässlich eines UNO-Gipfels verstärkt zivilgesellschaftliche Organisationen, so genannte Non-Governmental Organizations (NGOs), einbezogen. Bereits im Vorfeld waren beispielsweise Gewerkschaften und Menschenrechtsverbände dazu eingeladen, die Konferenz mitvorzubereiten.

IT-Technik im Kampf gegen Armut

In dem 13-seitigen Aktionsplan zum Abschluss des Gipfels verpflichten sich die Teilnehmer, Informationstechnik für den Kampf gegen Armut, Hunger und Krankheiten zu nutzen. Demnach sollen bis 2005 alle Staaten eine nationale Internet-Strategie entwickeln. Den Regierungen wurde auferlegt, ein günstiges und wettbewerbsfähiges Umfeld für die notwendigen Investitionen in IT-Infrastruktur zu schaffen. Bis zum Jahr 2015 sollen alle Gesundheits- und Bildungseinrichtungen der armen Länder Zugang zum Internet haben.

In der Prinzipienerklärung wird betont, dass sich eine Informationsgesellschaft nur auf Grundlage der Menschenrechte sowie der Meinungsfreiheit entwickeln lasse. Ferner heißt es dort: "Wir erkennen an, dass Erziehung, Wissen, Information und Kommunikation im Mittelpunkt der menschlichen Entwicklung, Bemühung und des menschlichen Wohls stehen." Bereits zu Beginn des Gipfels hatte UNO-Generalsekretär Kofi Annan in seiner Eröffnungsrede den Respekt vor Menschenwürde und Meinungsfreiheit angemahnt: "Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist grundlegend für Entwicklung, Demokratie und Frieden."

Über die Frage, wie die notwendigen Maßnahmen finanziert werden sollen, konnten sich die Teilnehmer jedoch nicht einigen. Die Vertreter der Industrieländer lehnten es bis zum Schluss ab, einen Fonds dafür einzurichten. Sie schlugen stattdessen vor, bereits bestehende Mittel der Entwicklungshilfe für den Ausbau der IT-Infrastrukturen zu nutzen. Dagegen forderten Vertreter vor allem aus Afrika einen Solidaritätsfonds des Westens, aus dem Kommunikationsmittel und IT-Infrastruktur in der Dritten Welt bezahlt werden sollen. Der kurz vor Beginn des Gipfels ausgehandelte Kompromiss sieht nun vor, dass eine UNO-Arbeitsgruppe bis Ende 2004 klären soll, ob ein solcher Fonds notwendig sei.

Auch im Streit, wer künftig das World Wide Web verwalten soll, gab es nur wenig Bewegung. Während die westlichen Industrienationen dafür plädierten, den Status quo mit der in den USA ansässigen privatwirtschaftlich organisierten Internet Corporation for assigned Names and Numbers (Icann) beizubehalten, forderten Vertreter der Dritten Welt eine internationalere und unabhängigere Verwaltung, in der auch ärmere Staaten mehr Mitspracherecht hätten. Eine weitere Arbeitsgruppe soll bis zum nächsten Gipfel 2005 Vorschläge erarbeiten, wie sich das Internet künftig regulieren lasse.

Obwohl in den strittigen Punkten keine Einigung erzielt wurde, äußerte sich die Mehrheit der Gipfelteilnehmer zufrieden mit den Ergebnissen. Die Ziele Afrikas für eine digitale Solidarität seien weitgehend erreicht worden, erklärte Senegals Präsident Abdoulaye Wade. Die Maßnahmen würden aus Afrika einen Partner mit mehr als 800 Millionen Konsumenten machen, lockt er die westlichen Industrienationen mit der Aussicht auf gute Geschäfte.

"Ein Gipfel mit vielen Versprechungen und wenig Substanz" - so lautete dagegen die Bilanz bei vielen beteiligten zivilgesellschaftlichen Gruppen. Man benötige ein Mikroskop, um die Einflüsse der Zivilgesellschaft auf das Abschlussdokument zu erkennen, monierte beispielsweise Sally Burch von der "Agencia Latinoamericana de Informacion". Die Einbeziehung sei nur eine Art Beschäftigungstherapie gewesen, ergänzt Ralf Bendrath, der für die Heinrich-Böll-Stiftung an den Vorbereitungen des Gipfels beteiligt gewesen war. Trotzdem wollen sich die Kritiker nicht entmutigen lassen: "Wir werden nicht gehen, weil der Gipfel diejenigen Stimmen hören muss, die Regierungen und Unternehmen nicht hören wollen", kündigte Alan Alegre von der philippinischen "Foundation for Media Alternatives" an.

Die deutsche Delegation zog dagegen eine positive Bilanz des Informationsgipfels. Die Ergebnisse kämen sowohl dem Werteverständnis der Industriestaaten als auch den Interessen der Entwicklungsländer entgegen, sagte Rezzo Schlauch, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sowie Leiter der deutschen Delegation in Genf. Der Grünen-Politiker betonte, dass die Bundesregierung mit einem Finanzvolumen von 180 Millionen Euro bereits zahlreiche Projekte für den verstärkten Einsatz von IT-Technik in den Entwicklungsländern fördere. Allerdings seien stärkere Investitionen vor allem des privaten Sektors notwendig. (ba)