Was spricht für Cisco oder Microsoft?

Gibt es die perfekte Collaboration-Lösung?

28.01.2014
Von  und Rolf Bergfeld


Wolfgang Fehr ist als Solution Manager Unified Communications & Collaboration beim IT-Dienstleister Computacenter für die kontinuierliche Marktbeobachtung und Weiterentwicklung des Portfolios verantwortlich. Sein Fokus sind Konzepte für die Flexibilisierung von Arbeit durch den Einsatz von IT. Hierfür arbeitet er eng mit den großen Herstellern, aber auch zu Partnern wie dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation zusammen.
Bislang galt für viele Unternehmen bei der Einführung von Unified Communication und Collaboration (UCC) die Devise: Entweder Cisco oder Microsoft. Doch warum nicht die Vorteile beider Anbieter verbinden? Dies erörtern die UCC-Spezialisten Wolfgang Fehr und Rolf Bergfeld von Computacenter.
Die beiden Clients von Microsoft Lync und Cisco Jabber im Vergleich.
Die beiden Clients von Microsoft Lync und Cisco Jabber im Vergleich.
Foto: Computacenter

Mit Unified Communication & Collaboration (UCC) werden Audio-, Video-, Presence-, Web-Conferencing, Instant Messaging und weitere Echtzeit-Kommunikationssysteme bezeichnet, die seit einigen Jahren zusätzlich zu den klassischen Kanälen Telefon und E-Mail in Unternehmen Einzug halten. Wie eine Studie des ITK-Branchenverbands Bitkom zeigt, steckt die Einführung solcher Kommunikationsmittel allerdings vielerorts noch in den Kinderschuhen. Doch die Mehrheit der befragten Unternehmen sieht großes Potenzial in UCC, um Mitarbeiter standortübergreifend besser zu vernetzen und auch die Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern zu optimieren.

Die Anbieterauswahl: Zwei Welten mit umfassenden Lösungen

IT-Entscheider stehen zunächst vor der entscheidenden Frage: Gibt es die perfekte UCC-Lösung und - wenn ja - wie sieht sie aus? Seit Jahren liefern sich die beiden führenden Anbieter Cisco und Microsoft im Gartner "Magic Quadrant" ein Kopf-an-Kopf-Rennen; aktuell sieht Gartner einen kleinen Vorteil bei Cisco. Doch Experten sehen heute gar nicht mehr die Notwendigkeit, sich ausschließlich für Cisco oder exklusiv für Microsoft zu entscheiden. Viel wichtiger ist, dass das UCC-Konzept zu den Anforderungen und zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens passt. Dabei kann eine Mischung aus den zwei "Technologiewelten" sinnvoll sein. Denn die unterschiedlichen Herangehensweisen beider Anbieter haben Stärken und Schwächen.

Cisco: Nahezu konkurrenzloses Telefoniesystem

Der Jabber-Client zeigt dem Mitarbeiter an, wer im Unternehmen aktuell erreichbar ist.
Der Jabber-Client zeigt dem Mitarbeiter an, wer im Unternehmen aktuell erreichbar ist.
Foto: Computacenter

Grundsätzlich bieten sowohl Cisco als auch Microsoft ein vollumfängliches Spektrum an Telefonie-, Instant Messaging-, Presence-, Video- und Web-Conferencing-Lösungen an. Der langjährigen Erfahrung aus dem Telefoniebereich geschuldet, hat Cisco dort bis heute klare Vorteile. Vor allem, wenn es um komplexes Routing, Berechtigungskonzepte und klassische Leistungsmerkmale geht, sind Ciscos Lösungen nahezu unerreicht. Das System hat zudem den Vorteil, dass Unternehmen ein komplettes Hardware-Portfolio aus einer Hand erhalten, sowohl für Telefonie-Endpunkte, als auch für Videokonferenzsysteme. Damit verbunden sind Vorteile in der Supportstruktur. Eine weitere große Stärke der Cisco-UCC-Lösungen ist die Einhaltung zahlreicher Datenschutzvorschriften, wie etwa die Möglichkeit, die Sicht des einzelnen Mitarbeiters auf die Präsenzzustände einzugrenzen, die für seine Augen bestimmt sind, zum Beispiel nur jene aus seiner Abteilung.

Microsoft: Bessere User Experience

Die Stati der einer Projektgruppe angehörigen Kollegen lassen sich in Microsoft Lync schnell erkennen.
Die Stati der einer Projektgruppe angehörigen Kollegen lassen sich in Microsoft Lync schnell erkennen.
Foto: Computacenter

Was bei Cisco auf der Haben-Seite steht, sind Minuspunkte der Microsoft-UCC-Lösung: Telefoniefunktionen sind bei weitem nicht so ausgeprägt. Was zudem einige Unternehmen als Nachteil werten, ist die Philosophie der ständigen Erreichbarkeit. Keine Kontaktaufnahme soll mit Besetztzeichen oder Nichterreichbarkeit quittiert, sondern mit einer Weiterleitung auf den Anrufbeantworter oder Teamkollegen beantwortet werden. Im Idealfall zeigt der Präsenzzustand schon vor der Kontaktaufnahme an, ob und wie man mit dem Mitarbeiter am besten in Verbindung tritt. Dagegen hat Microsoft auf der Anwenderseite unschlagbare Vorteile: Alle Funktionalitäten auf einem Client bedienen zu können, fühlt sich flüssig und modern an. Zudem zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass sich die Microsoft-Lösungen nahtlos in Active-Directory- und Exchange-Systeme einfügen. Die Administrations- und Management-Konzepte sind sehr ähnlich, sodass sie sich problemlos in bestehende Microsoft-Infrastrukturen integrieren lassen. Zudem kann man über die im Microsoft-Umfeld übliche Programmierschnittstelle PowerShell mit geringem Aufwand einen sehr hohen Automatisierungsgrad im Betrieb erreichen.

Horizontale Trennung, vertikale Integration

Doch egal ob es um Cisco oder Microsoft geht, eine homogene Umgebung ist aus zwei Gründen attraktiv: Sie ist einfacher zu betreiben und bietet ein besseres Nutzererlebnis, weil die einzelnen Anwendungen aufeinander abgestimmt sind. Größere Unternehmen haben allerdings die Möglichkeit, nach Benutzergruppen zu differenzieren, beispielsweise an einem Standort Cisco und an einem anderen Microsoft einzusetzen und zwischen den Systemen für Integrationspunkte zu sorgen. Denn um von den Stärken beider zu profitieren, bietet sich durchaus eine Kombination von Cisco- und Microsoft-Lösungen an. Doch auch hier gilt die grundsätzliche Regel: Eine Funktionalität sollte immer von einem der beiden Systeme zur Verfügung gestellt werden, also beispielsweise Telefonie immer von Cisco und der Präsenzservice immer von Microsoft. Denn wenn beide Systeme Informationen wie Präsenzzustände verarbeiten müssen, wird die Integration zu komplex.

Das Beste aus beiden "Welten"

Für eine Kombination beider Welten sprechen in der Regel strategische Gründe. Die Verantwortung für UCC-Systeme in verschiedenen Abteilungen und deren Investitionsschutz ist etwa ein Grund, der Unternehmen dazu bewegt, auf UCC-Systeme beider Anbieter zu setzen. Ebenso die Vermeidung einer technologischen Monokultur. Ein weiterer Aspekt für eine gemischte Lösung liegt häufig in bereits vorhandenen Software-Lizenzen: Ziel ist es, bei der Investition in neue Microsoft- oder Cisco-Lizenzpakete Überschneidungen mit bereits lizenzierten Funktionen zu vermeiden. Da Microsoft und Cisco unterschiedliche Lizenzierungsmodelle haben, können aber auch Kostenvorteile zum Tragen kommen. Die beiden Cisco-Lizenzprogramme sind Cisco Unified Workspace Licensing (CUWL) und Unified Connect Licensing (UCL), bei Microsoft sind es die Client Access License Suiten (CAL).

Beide Hersteller bieten in ihren Basis-Lizenzen die Themen Instant Messaging und Presence an. Der Unterschied ist, dass Cisco auch vollumfänglich Telefoniefunktionen mitliefert, während Microsoft in der Einstiegslizenz nur interne Telefonie, also keine Anbindung an das öffentliche Telefonnetz, anbietet. Eine komplette Telefonielösung gibt es ausschließlich in der höchsten Lizenzstufe. Allerdings punktet Microsoft im Vergleich mit Cisco beim Conferencing. Denn die mittlere CAL-Suite bietet bereits eine vollständige Conferencing-Lösung. Die mittlere Cisco-Lizenz umfasst zwar unter anderem Voice-Mail, eine mobile App für Smartphones und einen Desktop-Client, mit dem man telefonieren kann - eine mit Microsoft vergleichbare Conferencing-Lösung liefert Cisco aber erst mit dem teuersten Lizenzmodell.

Aus Anwendersicht ist eine homogene Umgebung naturgemäß angenehmer, da die Usability durchgängig und flüssiger ist. Für Unternehmen kann es dennoch je nach internen Anforderungen und bereits bestehenden Strukturen interessant sein, innerhalb einer Cisco-Architektur Conferencing von Microsoft einzusetzen, oder umgekehrt die Telefonielizenz nicht von Microsoft, sondern von Cisco zu beziehen. Gerade diese beiden Kombinationen sind relativ häufig. Das hat einerseits mit den zur Verfügung stehenden Lizenzoptionen zu tun, andererseits aber auch damit, dass Cisco deutlich umfangreichere Telefoniefunktionen besitzt, während Microsoft beim Conferencing gegenüber dem vergleichbaren Cisco-Feature durch die perfekte Integration in den Desktopclient punktet. Ob diese Mischung aber auch kostengünstiger ist, muss im Einzelfall betrachtet werden, weil die Lizenzverträge in der Regel relativ komplex sind. Dennoch gibt es meist Überschneidungen, denn gerade Microsoft-Lizenzen sind durch Office-Anwendungen in vielen Unternehmen schon vorhanden. Es empfiehlt sich, zunächst eine Bestandsaufnahme der bestehenden Lizenzen durchzuführen.

Auf das Integrationskonzept kommt es an

Eine Unterhaltung zwischen mehreren Personen ist in Lync rasch eingeleitet.
Eine Unterhaltung zwischen mehreren Personen ist in Lync rasch eingeleitet.
Foto: Computacenter

Unabhängig davon, ob Cisco, Microsoft oder UCC-Lösungen beider Anbieter integriert werden, zeigt die Praxis, dass das Integrationskonzept den Erfolg des Projekts bestimmt. Gerade wenn eine Kombination gewünscht ist, lautet eine Frage, die das Konzept beantworten muss: Wie kann ein Präsenzstatus aus einer Cisco-Telefonanlage in die Microsoft-Welt übersetzt werden - und umgekehrt? Dabei ist es das wichtigste Ziel, beide Systeme so zu integrieren, dass die Mitarbeiter auf ihren Clients problemlos damit arbeiten können. Hierfür müssen entweder die Systeme im Backend miteinander gekoppelt oder die Software-Komponenten auf den Clients miteinander verbunden werden.

Hierbei entstehen meist drei Herausforderungen: Erstens die sehr hohe Erwartungshaltung der Benutzer, die nicht immer vollständig erfüllt werden kann. Daher ist es wichtig, die gewünschten und realisierbaren Funktionen von Beginn an exakt zu definieren. Zweitens die Fehleranfälligkeit der Schnittstellen. Und drittens Updates während des Projekts und in der Betriebsphase, die nur in einer der beiden Systemwelten gemacht werden und Veränderungen in der anderen nach sich ziehen. Deshalb ist es im Rahmen der Einführung von Cisco- und Microsoft-UCC unbedingt erforderlich, die Integration in einem produktionsnahen Umfeld als "Proof of Concept" so zu installieren, dass die Mitarbeiter, das Management und die IT-Verantwortlichen sie "anfassen" und testen können.

Mit den Augen des Anwenders sehen

Strategisch muss das Unternehmen dazu bereit sein, Kommunikation und Zusammenarbeit zukünftig anders zu gestalten als bisher. Diese organisatorische und kulturelle Ebene wird oft nicht oder unzureichend berücksichtigt, was dazu führen kann, dass Anwender die neuen Technologien nur zögerlich annehmen oder gar nicht nutzen.

Kollegen die unterwegs sind lassen sich über Lync ebenso in eine Unterhaltung einbinden. Außerdem können Dokumente innerhalb der Sitzung geteilt werden.
Kollegen die unterwegs sind lassen sich über Lync ebenso in eine Unterhaltung einbinden. Außerdem können Dokumente innerhalb der Sitzung geteilt werden.
Foto: Computacenter

Denn wenn Mitarbeiter neue Systeme annehmen sollen, müssen sie von Beginn an mit einbezogen werden. Hierfür ist es wichtig, mit einzelnen Angestellten und Fachabteilungen zu sprechen und ihre Anforderungen abzufragen, aber auch auf der Bereichs- und Geschäftsleitungsebene festzustellen, welche Voraussetzungen das Unternehmen mitbringt. Zur Evaluierung der Anwenderanforderungen eignen sich Workshops, Mitarbeiterbefragungen und - auf Geschäftsleitungsebene - Interviews. Eine solche Positionsbestimmung fehlt meist in der Projektbeschreibung für die Systemintegration, sollte aber auf jeden Fall vorgenommen werden. Verzichtet der Systemintegrator darauf, können Risiken entstehen, die sogar die Projektabnahme und das Erreichen der gesteckten Ziele gefährden können.

Integration zur Konsolidierung und Vermeidung des Vendor Lock-in

Die beschriebenen Integrationsszenarien bieten sich in erster Linie für Unternehmen an, die entweder ihre IT-Infrastruktur konsolidieren wollen oder einen sehr plötzlich entstandenen Bedarf abdecken müssen. Generell empfiehlt sich ein UCC-Konzept, bestehend aus Lösungen mehrerer Anbieter auch, um Abhängigkeiten zu minimieren und mehr Flexibilität zu schaffen.

Um ihre Kunden dabei bestmöglich zu beraten, bieten IT-Dienstleister unterschiedliche Strategiekonzepte an. Computacenter hat beispielsweise mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation ein "Communication & Collaboration Roadmapping" entwickelt. Im Rahmen dieses Angebots gehen die IT-Consultants frühzeitig auf die Unternehmens- und Abteilungsleitungsebene ihrer Kunden zu und stellen fest, welche Voraussetzungen in Bezug auf Management- und Kommunikationskultur gegeben sind. Daraus lassen sich dann konkrete Handlungsfelder für die Vorbereitung auf die neuen UCC-Lösungen ableiten - egal, welche Technologien letztlich zum Einsatz kommen. (bw)