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Getrennt hacken - vereint verkaufen

12.02.2003
Von Uwe Küster
Technikbegeisterte Programmierer schufen die Grundlagen für die meisten Open-Source-Anwendungen. Doch ohne die engagierte Arbeit von Verbandsvertretern, Politikern und Meinungsmachern aus der Industrie hätte das freie Betriebssystem Linux kaum den Sprung in die kommerzielle IT geschafft.

Wer wissen will, warum ein Techie-Betriebssystem wie Linux eine smarte grafische Oberfläche braucht, sollte Matthias Ettrich fragen. „Unser Ziel ist es, Linux und andere offene Software zu komfortablen Desktop-Systemen zu machen“, sagt der Gründer des Open-Source-Projekts K Desktop Environment (KDE). Der KDE-Quellcode umfasst inzwischen 2,6 Millionen LOC (Lines of Code), was etwa der Größenordnung des Linux- Kernels entspricht. Rund 300 der weltweit mehr als 800 KDE-Mitarbeiter übersetzen das System in 70 Sprachen. Kommerz und Laisserfaire.

Seinen Lebensunterhalt verdient Ettrich bei der norwegischen Softwareschmiede Trolltech, die mit Produkten wie „Qt“ plattformunabhängige GUI-Entwicklungswerkzeuge vermarktet (GUI = Graphical User Interface). Trotz der durchaus kommerziellen Ausrichtung seines Arbeitgebers pflegt der begeisterte Klavierspieler laut eigenen Angaben einen Arbeitsund Führungsstil, der auch in der gereiften Open-Source-Szene noch häufig anzutreffen ist: „Laisserfaire, zumindest solange es gut geht.“ Mit seiner Idee für KDE steht der Diplominformatiker aber auch für die zahlreichen Grabenkämpfe innerhalb der Open-Source-Gemeinde. Den Verfechtern der reinen Lehre ist KDE nicht frei genug, weil es das ursprünglich kommerzielle Toolkit Qt nutzt. Sie bevorzugen das konkurrierende Desktop-System „Gnome“. Andererseits sorgt gerade der Wettbewerb für eine schnelle Weiterentwicklung beider Konzepte. Einer der ersten Entwickler, die sich Ettrichs Initiative anschlossen, war Matthias Kalle Dalheimer. Der gebürtige Hamburger entwickelte unter anderem das Geschäftsgrafik-Tool „K-Chart“, ein Bestandteil des KDE-Office-Pakets „K-Office“. Vor der Gründung des KDE-Projekts arbeitete er für die inzwischen von Sun übernommene Star Division. Als das Hamburger Softwarehaus sein Büropaket „Star Office“ nicht auf Linux portieren mochte, erledigte Dalheimer diese Aufgabe in seiner Freizeit gemeinsam mit Kollegen. „The golden rule is that there are no golden rules“, beschreibt der zweifache Familienvater sein Lebensmotto.Weil er mit seinem Unix-Team in die Windows-Abteilung wechseln sollte, kehrte er Star Division den Rücken. Im Sommer 1999 wanderte er nach Schweden aus und gründete die Softwarefirma Klarälvdalens Datakonsult. Dort sieht er sich weniger als Manager denn als Primus inter pares. Dalheimer: „Motivierte Mitarbeiter brauchen keinen, der hinter ihnen steht und ständig Arbeitsergebnisse kontrolliert.“ Privat entspannt sich der Vorstandsvorsitzende mit seinen Kindern, Gartenarbeit und Tischlern. Zu den Gallionsfiguren der Open-Source-Szene gehört auch Dirk Hohndel, von 1999 bis 2001 Chief Technology Officer (CTO) der Nürnberger Suse Linux AG. In dieser Zeit gab es kaum eine internationale Linux-Veranstaltung ohne einen Redebeitrag des gebürtigen Schweinfurters. Nichts ist unmöglich

Hohndel, der mit Linus Torvalds eng befreundet ist, begann seine Arbeit für Linux bereits 1991. Drei Jahre später leitete er als Vice President das „Xfree86 Project“, eine Non- Profit-Organisation, die eine quelloffene Implementierung des X-Windows-Systems entwickelte und förderte. Vor allem für Unix- und Unix-ähnliche Betriebssysteme wie eben Linux bildet X Windows die Grundlage grafischer Bedienoberflächen. Der diplomierte Mathematiker outet sich als echter Technik-Freak: Zu seinen Hobbies zählt er neben Laufen und Lesen „allerlei Spielzeug - vom schnellen kleinen Laptop über den noch schnelleren PC-Server bis zum digitalen Fernseher oder der Xbox“. Am meisten beeindruckt hat ihn Lawrence Lessigs Buch „Code and other Laws of Cyberspace“. Sein Lebensmotto: „Nichts ist unmöglich, solange man es nicht probiert hat.“ Heute arbeitet Hohndel als Software Strategist beim Chipkonzern Intel im US-amerikanischen Portland. Auf dem Weg zum Mainframe

Dass Linux mittlerweile auch auf dem Mainframe eine ernst zu nehmende Alternative bietet, ist zu einem Gutteil Karl-Heinz Strassemeyer zu verdanken. Er gilt als deutscher Linux-Papst der IBM und trägt den seltenen Titel „Distinguished Engineer“. An der Portierung des freien Betriebssystems auf S/390- Großrechner war er maßgeblich beteiligt. Diese soll zurückgehen auf das Jahr 1998, als zwei Programmierer im Böblinger IBM-Forschungslabor den ersten Prototypen eines Linux-Systems entwickelten, der nativ auf einem S/390-Host lief. „Die Idee war, die S/390-Plattform für moderne Anwendungen zu öffnen“, erläutert der Systemdesigner, der bereits seit 35 Jahren im Dienst von Big Blue steht. Klar, dass ihn die Entstehung der IBM-Mainframe-Architektur vor 40 Jahren damals am meisten beeindruckt hat. Heute aber sei es die Entwicklung von Linux. Während Strassemeyer eher hinter den Kulissen wirkte, versuchten andere Linux-Apologeten öffentlich und lautstark, ihre Ideen zu kommunizieren. Zu ihnen zählt Daniel Riek aus dem Vorstand des Linux-Verbands Live. In der Debatte um die Einführung von Open-Source-Software im Deutschen Bundestag stritt er leidenschaftlich mit den Lobbyisten aus dem Microsoft-Lager. Er verwies etwa auf ordnungs- und wirtschaftspolitische Aspekte, die es neben technischen und finanziellen Kriterien zu bedenken gelte. Der Deutsche Bundestag stehe hier in einer besonderen Verantwortung, so Riek im Dezember 2001. Unter wettbewerbspolitischen Aspekten dürfe man nicht außer Acht lassen, „dass es sich bei Microsoft (...) um einen Monopolisten handelt, der in den USA wegen Machtmissbrauchs bereits verurteilt wurde“.