Verkaufsschlager oder Ladenhüter?

Geteilte Meinungen über Windows-8-Erfolg

09.01.2013
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Während Analysten einen mäßigen Start von Windows 8 diagnostizieren, zieht Microsoft auf der Consumer Electronics Show (CES) eine erste positive Bilanz.
Foto: Microsoft

Mehr als 60 Millionen Windows-8-Lizenzen habe Microsoft seit dem Launch am 26. Oktober 2012 verkauft, sagte Tami Reller auf der Messe in Las Vegas. Die für das Windows-Marketing zuständige Topmanagerin erklärte, man liege damit „beinahe“ auf dem Niveau der Windows-7-Verkaufsbilanz von vor drei Jahren.
Reller erklärte weiter, Windows 8 habe Microsofts Verkaufserwartungen übertroffen, und die große Nachfrage nach Touch-Geräten mit dem neuen Betriebssystemen habe „viele Leute sehr überrascht.“

„Engpass“ bei Tablets

In einem öffentlichen Gespräch auf der CES mit einem Analysten der Investment-Bank JP Morgan bedauerte Reller, dass es offenkundig noch einen Engpass bei den Endgeräten sowie Mängel in den Distributionsketten gebe. Einige Tablets mit Windows RT, die Windows-8-Version für die preiswerteren ARM-Prozessoren, seien nicht optimal vermarktet worden.

Große Hoffnungen setzt Microsoft laut Reller in das kommende eigene TabletSurface Pro“, das mit einem Intel-Core-i5-Prozessor werkeln und wesentlich leistungsfähiger als die heutigen RT-Modelle sein soll. „Das wird ein PC sein, der ebenso einen unglaublichen Job als Tablet macht“, sagte die Marketing-Managerin.

In den Unternehmen, so räumte Reller ein, ist Windows 7 weiterhin erste Wahl. Es sei auf mehr als 60 Prozent der klassischen PC-Arbeitsplätze installiert. Die 60 Millionen verkauften Windows-8-Lizenzen setzen sich im Wesentlichen aus OEM-Verkäufen im Consumer-Geschäft sowie aus Upgrades von Anwendern zusammen, die das neue System ausprobieren und das bis Ende Januar gewährte Billigangebot des Herstellers Rabatt nutzen möchten.

Skepsis bei Analysten

Im Vorfeld der CES hatten sich Analysten eher skeptisch zum PC-Geschäft im Allgemeinen und Windows8 im Besonderen geäußert. Im US-Markt habe der PC-Absatz im Vorweihnachtsgeschäft – also zwischen Ende November und Ende Dezember 2012 – um elf Prozent unter dem des Vorjahrs gelegen, berichten die Marktforscher der NPD Group. Den Anbietern sei es bislang nicht gelungen, mit Windows 8 eine Trendwende einzuleiten.

Die Lage werde sich so bald auch nicht bessern, da in den nächsten Monaten nicht etwa fallende, sondern steigende PC-Preise zu erwarten seien. Die Hersteller müssten etwas tun, derzeit kalkulierten sie mit so dünnen Margen, dass sich ihre Geschäfte kaum noch lohnten.
Mehrere Faktoren, von der instabilen Konjunktur über den wachsenden Konkurrenzdruck durch billige Tablets bis hin zur unklaren Strategie Microsofts führten dazu, dass Windows 8 den Markt nicht so bald erobern werde.

Multitouch auf dem PC?

Der im Web populäre Windows-Insider Paul Thurrott diagnostiziert sogar, dass sich die Anbieter schon mit Windows 7 die Geschäfte selbst verdorben hätten. Es sei vorinstalliert auf billigen Netbooks in den Markt gelangt – und nun sei die weite Verbreitung auf „billigem Plastikschrott“ für Redmond ein echtes Problem. Den Anwendern sei kaum begreiflich zu machen, für einen PC wieder 700 Dollar und mehr zu zahlen, wenn der Mehrwert neuer Windows-PCs im Wesentlichen bei den Touch-Eigenschaften liege, an denen die wenigsten interesssiert seien. Laut Thurrott sind derzeit nur 4,5 Prozent der ausgelieferten Windows-8-PCs Multitouch-fähig.

Anwender nutzen Windows 8 heute, weil sie es mit dem neuen PC erwerben oder weil sie aus Neugier ein Upgrade vornehmen. Bei Microsoft weiß man das. Bis Ende Januar bietet das Unternehmen Windows 8 noch in der Pro-Version für 29,99 Euro auf seiner Website an – ein guter jahresauftakt scheint also gesichert.