"Größtes IT-Projekt"

Gesundheitskarte wird verteilt

28.09.2011
Ein gigantisches IT-Projekt nimmt nach vielen Rückschlägen Gestalt an: die elektronischen Gesundheitskarte.
eGK: Diese Karte kann vorerst nichts - aber da kann sie nichts dafür...
eGK: Diese Karte kann vorerst nichts - aber da kann sie nichts dafür...
Foto: ddp

Die ersten Versicherten haben die "eGK" schon. Einen medizinischen Nutzen hat die Karte aber vorerst nicht. Mit ihrer Verteilung soll ein neues Zeitalter im deutschen Gesundheitswesen beginnen - doch auch nach dem offiziellen Start der elektronischen Gesundheitskarte ist offen, wann mit ihr medizinische Informationen ausgetauscht werden können. Rund sieben Millionen gesetzlich Versicherte bekommen die Karte bis Jahresende. Es sei "eines der weltweit größten und bedeutendsten IT-Projekte", sagte der zuständige Experte des Krankenkassen-Spitzenverbands, Rainer Höfer, am Mittwoch in Berlin.

Bereits vor acht Jahren war die Einführung beschlossen worden. Doch technische und organisatorische Schwierigkeiten, Ängste etwa der Ärzteschaft sowie Widerstand bei den Akteuren im Gesundheitswesen verzögerten den Start. Die Karte solle unnötige Doppeluntersuchungen vermeiden, eine größere Übersicht über den Verlauf von Behandlungen bei Ärzten und Kliniken ermöglichen und Geld sparen, sagte Höfer.

Dazu soll die Karte online angebunden werden und Informationen leichter austauschen helfen. Wann dies aber geschieht, sei noch offen. Höfer: "Da kann ich heute keine konkrete Zahl nennen." Mit der vollen Online-Anbindung aller Ärzte und Kliniken rechnen Experten erst in vier bis fünf Jahren. Doch erste Versicherte haben die Karten bereits bekommen. Die alte Krankenversichertenkarte solle zurückgeschickt oder zerstört werden, sagte Höfer. "Für die Versicherten ändert sich erstmal gar nichts."

Nach einer jahrelangen Hängepartie hatte der Gesetzgeber Druck auf die Organisationen von Ärzten, Kliniken und Kassen gemacht, die das Projekt umsetzen. Ohne Ausgabe der Karten bis Jahresende müssen die Kassen gemäß der schwarz-gelben Gesundheitsreform Strafen zahlen. Allein für die Karten sowie die Lesegeräte in den Praxen sind nach den Angaben Höfers knapp 300 Millionen Euro zu veranschlagen.

Ärzte und andere Heilberufler sollen verschlüsselt Einblick in die Patientendaten erhalten. Die Informationen über Befunde aus dem Labor, Arztbriefe, Röntgenbilder oder die verordneten Medikamente sollen die Behandlung in einigen Jahren verbessern. Die nun ausgegebenen Karten seien mit einem Mikroprozessor-Chip ausgestattet und könnten diese Anwendungen später leisten, sagte Höfer.

Nun sollen die Karten zunächst mit Adresse und anderen Grunddaten sowie einem Foto des Versicherten ausgegeben werden. Auf der Rückseite ist eine Europäische Krankenversicherungskarte für Arztbesuche im EU-Ausland aufgedruckt. In weiteren Ausbaustufen sollten auf Wunsch des Versicherten auch Notfalldaten - etwa über bestehende Vorerkrankungen oder Allergien - und Hinweise auf Patientenverfügungen und Organspenderklärungen aufgenommen werden.

Eine Online-Anbindung ist zum Start noch nicht vorgesehen. In einem ersten Schritt sollen dann die Stammdaten online geändert werden können, etwa wenn der Versicherte umzieht. Die Kassen können sich dann das Verschicken neuer Krankenkassenkarten sparen. Missbrauch solle so eingedämmt werden. Doch auch für diese erste Online-Anwendung konnte Höfer noch kein Startdatum nennen.

Für die Ärzte kündigte der Experte Wilhelm Wilharm von der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen an, dass in den Praxen derzeit die nötigen Kartenlesegeräte installiert würden. Doch es gebe reichlich Bedenken der Ärzte. So sei noch unklar, wo die Gesundheitsdaten später liegen sollten. "Es ist alles im Unklaren, wie das weitergeht."

Hinter den Kulissen deutete sich in den vergangenen Tagen ein neuer Konflikt der Gesellschafter der Betreibergesellschaft Gematik an. Der Kassen-Verband stellte ein Modell vor, nach dem das Online-Update der Versicherten-Stammdaten beschleunigt vorangetrieben wird. In der Ärzteschaft wurde die Sorge laut, dass die medizinisch nützlichen Anwendungen ins Hintertreffen geraten. (dpa/tc)