Informationsversorgung als Sorgenkind der Unternehmen:

Gesunde Infrastruktur löst Datenwildwuchs auf

26.10.1984

DORTMUND (CW) - Immer mehr Daten und neue Informationen werden auf immer mehr Bereiche in den Unternehmen verteilt. Dieser informatorischen "Verseuchung" entgegenzutreten, bedeutet für die Verantwortlichen, den Datenwildwuchs in Bahnen zu lenken, um so auf höherer Ebene zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Ein zunehmend wichtiges Thema, über das Herbert Meißner vor kurzem auf einer Informationsveranstaltung des Systemhauses GEI in Dortmund referierte und dessen Vortrag hier auszugsweise wiedergegeben wird.

Je nach Organisationsform unterscheiden sich die Informationsstrukturen durch unterschiedliche Datenautonomie, Zugriffshierarchien und Redundanz. Datenautonomie heißt in diesem Zusammenhang, daß in einer Organisationseinheit gewonnene Daten auch nur in dieser verwendet werden und nur in verdichteter Form an andere Organisationseinheiten weiterfließen. Eine hohe Datenautonomie bedeutet gleichzeitig eindeutige Zugriffshierarchien und eine geringe Redundanz der Datenhaltung.

In der Organisationslehre lassen sich zwei generelle Organisationstypen unterscheiden: derjenige, der die Aufgabenerfüllungsprozesse oder Funktionen in den Vordergrund stellt, in der Fachsprache "verrichtungszentralisiert" genannt. Der zweite "objektzentralisierte" Typus betont die Objekte der unternehmerischen Tätigkeit, die Produkte. Entsprechend dieser Dichotomie lassen sich auch unterschiedliche Informationsstrukturen feststellen.

Ein großer Nachteil der ersten Organisationsform ist der lange Kommunikationsweg zwischen den Funktionsbereichen. Koordinierende Tätigkeiten zwischen den Funktionen finden nur auf höchster Ebene statt: Wollte zum Beispiel der Vertriebsbeauftragte eine sich kurzfristig ergebende Marktlücke nutzen, müßte er bis in die Geschäftsführungsebene vorstoßen, um sich etwa ein Bild über die Lagerhaltungssituation zu machen.

Als Gegenposition soll keine reine Objektzentralisation herangezogen, sondern eine zur Zeit sehr bevorzugte Organisationsart diskutiert werden: die Divisionsstruktur. Kennzeichnend ist die Organisation nach. Produkten, Produktgruppen oder Märkten in der Leistungsebene unter der Geschäftsführung, darunter erfolgt meistens eine Verrichtungszentralisation. Häufig wird, dem Vorstand eine Stabsstelle mit funktional organisierten Zentralbereichen zur Seite gestellt.

Für die Informationsstruktur bedeutet diese Gliederung eine größere Komplexität der Informationskanäle und nur eine teilweise strenge Hierarchie der Zugriffsberechtigungen. Zwar sind die Informationswege in den einzelnen Divisions kürzer, aber aufgrund der Zentralbereiche und deren Informationswünsche von einem zweiten Informationsnetz überlagert.

Jede einzelne Division hat zwar nach wie vor die volle Autonomie über ihre Daten, muß diese auch verdichten und an die Geschäftsführung weiterleiten, aber sie muß nach genau festgelegten Regeln Informationen außerhalb der üblichen Informationskanäle weitergeben. Das führt zu teilweiser redundanter Datenhaltung mit größeren Problemen bei der Koordination und der Sicherung von Qualitätsaspekten wie Aktualität und Genauigkeit. Daraus ergibt sich mitunter das Problem, daß Informationen über ein Objekt aus zwei verschiedenen Richtungen und mit unterschiedlicher, Interpretation zur Geschäftsführung gelangen.

Den theoretischen Kompromiß zwischen Verrichtungs- und Objektzentralisation stellt die Matrixorganisation dar. Die Überlagerung einer Spartenorganisation durch eine Funktionsdifferenzierung auf gleicher Hierarchiestufe bietet den größten denkbaren Flexibilitätsgrad, erfordert aber auch ein besonders hohes Maß an Koordination. Dies ist der Grund dafür, daß reine Matrixorganisationen relativ selten existieren, sondern nur für einige wenige Funktionen, meistens Vertrieb oder Forschung und Entwicklung, anderen Organisationsformen in Subsystemen beigeordnet sind.

Für eine unternehmensweise Informationsversorgung bietet die Matrixorganisation theoretisch die besten Bedingungen. Alle Daten sind nicht autonom, jeder Zugriff kann aus zweit unterschiedlichen Berechtigungsrichtungen kommen und die Informationswege sind extrem kurz. Daraus folgt aber auch, daß an die Organisation der Informationsversorgung und an die Aktualität der Datenbestände extrem große, Anforderungen gestellt werden.

Jedes Datum fällt zwar nur einmal an, hat aber mindestens zwei Besitzer, die es nach unterschiedlichen Kriterien weiterverwenden und zusammen mit anderen Daten verdichten. In einer Matrixorganisation sind per se Datenautonomie und Zugriffsberechtigung nicht durch die Organisationsform vorbestimmt, sondern müssen explizit vereinbart werden.

In der Praxis ist in vielen Unternehmen die Datenbasis extrem heterogen, weil je nach Funktionsbereich unterschiedliche Hardwarekomponenten Daten erzeugen beziehungsweise weiterverarbeiten In der Produktion werden mit technisch-wissenschaftlichen Geräten spezifische Basisdaten erzeugt oder gesammelt, die dann an andere Funktionsbereiche weitergegeben werden.

Häufig jedoch benutzen diese Bereiche Rechner mehr kommerzieller Ausrichtung, so daß es aufgrund der unterschiedlichen Datenbasis und der heterogenen Rechnerarchitektur, häufig begründet durch unterschiedliche Hersteller, notwendig ist, Daten sehr stark zu verdichten, sie redundant zu halten und einen mehr manuell geprägten Datenaustausch, etwa per Magnetband, zu organisieren. Die entsprechende Praxis wurde weitgehend in den letzten zwei Jahrzehnten in Unternehmen mit funktionsorientierter Organisationsform entwickelt.

In dem Maße, in dem Organisationsformen Informationsversorgungsstrukturen determinieren, können strategische Anforderungen an die Informationsversorgung plötzlich Organisationsformen vollständig oder teilweise in Frage stellen. Die Absicht etwa, unterschiedliche Funktionen zum Beispiel in ein zentrales Warenbetriebswirtschaftungssystem zu integrieren, führt dazu, daß Funktionen zentralisiert werden, die vorher verteilt waren, wie etwa die Disposition in Filialen. Eine organisatorische Lösung Wäre hier, für die Funktion Disposition eine Matrixorganisation vorzusehen.

Für die Ansprüche einer unternehmensweiten Informationsversorgung erscheinen zwei Begriffe relevant: Basisdaten und Plandaten, beziehungsweise Kennziffern. Basisdaten sind alle Daten und Informationen, die im Unternehmen bei der Erfüllung der Aufgaben erzeugt und benötigt werden. Plandaten hingegen repräsentieren eine modellhafte Sicht von Abläufen oder Strukturen. Sie sind aus Basisdaten entstanden, von der Leistungsfähigkeit der IV-Technologie abhängt, wird ein Informationsmanagement hauptsächlich mit zwei Gruppen im Unternehmen zusammenzuarbeiten haben.

Auf der einen Seite stehen die Vertreter der Organisationsstruker als Sachwalter ihrer Informationsbestände und Anforderungen, während auf der anderen Seite die Fachleute für die Hintergrundtechnik aus der DV-Abteilung involviert sind.

In diesem Spannungsfeld hat der IV-Manager die Aufgabe, die Entwicklungsvorhaben aus dem IV-Strukturplan der strategischen Unternehmensplanung umzusetzen und die Realisierung sicherzustellen. Voraussetzung für eine Erfüllung der Aufgabe ist eine eindeutige und umfassende Positionierung in oder nahe der Geschäftsführungsebene. Wichtig erscheint insbesondere die Weisungsbefugnis über die Unternehmensfunktionen sowie über die Stabsstellen Organisation und EDV, soweit diese vorhanden sind.

Vom Qualifikationsprofil hergesehen, sollte der IV-Manager eine umfassende betriebswirtschaftliche Ausbildung mit Organisations- und Organisationsformen relevant und auch für größere Zeiträume gültig. Im Gegensatz zu den Basisdaten sind nicht die erzeugenden, genauer verdichteten Stellen die Besitzer der Informationen, sondern die anfordernden Stellen, die ihre Besitzrechte durch Zugriffsrechte definieren.

Das Schlagwort "unternehmensweite Versorgung subsumiert eine Reihe von Voraussetzungen" die zur Erleichterung dieses Ziels notwendig sind. Auf der Ebene der Basisdaten gilt es zunächst, alle Daten systematisch zu erfassen und für ihre Qualität Sorge zu tragen.

Basisdaten fallen in allen Bereichen eines Unternehmens, also auch im Management, an, wie etwa Daten über Dienstreisen für die Reisekostenabrechnung. Systematische Erfassung heißt, alle anfallenden Daten zu registrieren, zu katalogisieren und eindeutig Besitzern und Primärbenutzern zuzuordnen. Primärbenutzer sind in der Regel diejenigen, die die Daten erfassen und ihre Qualität beurteilen müssen.

Parallel dazu wird es notwendig sein, aus den einzelnen Aufgabenerfüllungsprozessen heraus anfallende Daten die vielleicht nicht registriert werden, zu postulieren und für ihre Erfassung zu sorgen. Beispielsweise ist es sinnvoll, im Rahmen einer Lagerhaltung nicht nur die Stammdaten für jeden Artikel zu ermitteln, sondern auch Bewegungsdaten zu sammeln, wie Verweilzeiten von Produkten oder saisonale Schwankungen im Artikeldurchlauf, die für ein übergeordnetes Dispositionssystem als Basisdaten dienen können. Qualitätssicherung von Daten heißt, jedes Datum nach Plausibilität und Zeitverhalten zu überprüfen.

Eine weitere wichtige Anforderung an die Informationsversorgung ist die Sicherstellung einer leistungsfähigen Infrastruktur. Dazu gehört die Konzeption der Hardwarevoraussetzungen: Rechnerarchitekturen mit Organisationskonzepten für die Verteilung von Hardware sowie Transportmedien für Informationen, nämlich die externen und lokalen Netze.

Auf diesem technischen Gerüst bauen dann die Versorgungssysteme auf, Datenbanken regeln die möglichst redundanzfreie unternehmensweite Datenbevorratung. Vorgeschaltete Programme sorgen für die Datenverwaltung (Datenattribute, Zugriffsberechtigungen, Historien) in Form von Data-Dictionary-Systemen.

Die dritte wesentliche Anforderung an ein Informationsversorgungssystem ist die Sicherstellung der Arbeitsabläufe. Hierzu definiert jede Organisationseinheit ihre spezifischen Wünsche, das heißt, sie beschreibt die Informationen, die sie benötigt, und die Stelle, wo die Informationen abgegeben werden müssen.

Das Informationsmanagement wird die Berechtigung der Datensetzung regeln und die Informationswege unter möglichst optimalen Bedingungen sicherstellen. Zu diesem Zweck wird Teilprojekt für Teilprojekt nach den Vorgaben der strategischen Unternehmensplanung, aus der heraus zum Beispiel ein sogenannter IV-Strukturplan entwickelt worden ist, realisiert und in ein Gesamtkonzept integriert.

Damit sind einige generelle Anforderungen an die Struktur eines betrieblichen Informationssystems determiniert. Es muß in der Lage sein, unterschiedliche Informationsteilsysteme zu koppeln und zu optimieren. Unterschiede können, wie bereits erwähnt, in der Hardwarearchitektur liegen, so daß ein Datenaustausch nur mit der Einrichtung spezieller Schnittstellen bewältigt werden kann. Meistens wird in diesen Fällen ein Datenaustausch per Magnetband organisiert.

Damit ist ein zweiter wichtiger Unterschied aufgezeigt: die zeitliche Koordination. Wie oft in einem Zeitintervall und in welcher Reihenfolge Übergabeprozesse stattfinden, ist ein zentrales organisatorisches Problem.

Weitere Unterschiede sind in der Struktur der Daten vorhanden, so daß bei einem Übergang von einer Datenbank zur anderen sogenannte Brückenprogramme die Umsetzung durchführen müssen. Das gilt insbesondere an den Verdichtungspunkten für Informationen. Hier muß ein Informationen. Hier muß ein Informationsystem dafür sorgen, daß die Verdichtung funktional, im Sinne der anfordernden Stelle geschieht.

Gerade die dezentralen Anwendungen, die immer häufiger in Unternehmen eingeführt werden, verlangen eine besondere Qualität in der Sicherstellung der Informationsversorgung.

Je mehr Funktionen in einem IV-Teilsystem integriert werden, etwa Materialverwaltung und Produktion (ein sehr aktuelles Thema im Bereich computerunterstützender Produktion), desto umfassender müssen die Kompetenzen und Möglichkeiten des IV-Systems sein und um so bedeutender werden die Dienstleistungen für das betroffene Unternehmen.

Das eindrucksvolle Bündel von Aufgaben und Kompetenzen erfordert neben genügend unternehmenspolitischem Rückhalt eine Reihe von Know-how-Schwerpunkten, die meistens in den Betrieben nur sehr gering vorhanden sind. Deshalb ist eine sorgfältige Zusammensetzung des Teams, das die Informationsversorgung planen und sicherstellen soll, von grundlegender Bedeutung. Da die technische Realisierungsmöglichkeit in großem Maß von der Leistungsfähigkeit der IV-Technologie abhängt, wird ein Informationsmanagement hauptsächlich mit zwei Gruppen im Unternehmen zusammenzuarbeiten haben.

Auf der einen Seite stehen die Vertreter der Organisationsstruker als Sachwalter ihrer Informationsbestände und Anforderungen, während auf der anderen Seite die Fachleute für die Hintergrundtechnik aus der DV-Abteilung involviert sind.

In diesem Spannungsfeld hat der IV-Manager die Aufgabe, die Entwicklungsvorhaben aus dem IV-Strukturplan der strategischen Unternehmensplanung umzusetzen und die Realisierung sicherzustellen. Voraussetzung für eine Erfüllung der Aufgabe ist eine eindeutige und umfassende Positionierung in oder nahe der Geschäftsführungsebene. Wichtig erscheint insbesondere die Weisungsbefugnis über die Unternehmensfunktionen sowie über die Stabsstellen Organisation und EDV, soweit diese vorhanden sind.

Vom Qualifikationsprofil hergesehen, sollte der IV-Manager eine umfassende betriebswirtschaftliche Ausbildung mit Organisations- und, EDV-Wissen besitzen, so daß diese Position für den Leiter der Organisation wie für den Leiter DV immer dann in Frage kommt, wenn betriebswirtschaftliches Know-how vorhanden ist.

Heute haben die DV-Verantwortlichen in vielen Unternehmen die Planungskompetenz über die Versorgung mit Daten und Anwendungen, während die Fachabteilungen die Arbeitsabläufe bestimmen. Für ein unternehmensweites IV-System wird indes die DV-Abteilung die technische Verantwortung für die Infrastruktur übernehmen. Dazu gehört, daß ein zuständiger Datenbankadministrator die Informationsbevorratung zentral übernimmt und sie möglichst integriert und redundanzfrei konzipiert. Er wird für ein möglichst einheitliches Datenkonzept in einer großen Datenbank sorgen, da nur auf diese Weise Qualitätssicherungs- und Datensicherungsprobleme zu lösen sind. Die differenzierten Benutzerwünsche werden über die Vergabe von Berechtigungen auf Teile der Datenbank (sogenannte Benutzersichten) reguliert und erfüllt.

Die zweite wichtige Aufgabe besteht in der Konzeption, der Netzwerkarchitektur. Hier sind in den letzten Jahren große technologische Fortschritte gemacht worden, die, kurz vor der Einführung stehend, schon die tiefgreifende Veränderung im komplexen Abläufen erkennen lassen. Selbstverständlich werden von der DV-Abteilung auch die Programme zur Steuerung und Überwachung dieser zentralen Informationsversorgungsaufgaben erstellt.

Auf der anderen Seite des Teams stehen die Vertreter der Fachabteilungen als Besitzer von Daten und Arbeitsabläufen. Ziel ist es, ihre Anforderungen möglichst genau nach Inhalt, Qualität und künftiger Entwicklung zu definieren, wobei sie durchaus von der DV-Abteilung mit Werkzeugen und Methoden unterstützt werden.

Trägt man insbesondere der Entwicklung der individuellen DV Rechnung, so ist die Fachabteilung im besonderem Maße an einem vernünftigen IV-Management interessiert, da sie zwar ihre Anwendungen selbst entwickelt hat, aber die zu verarbeitenden Daten nur besitzt und nicht verwaltet, und zudem noch Informationspflichten zu erfüllen hat.

Weitere wichtige Partner für ein IV-Management sind der Beauftragte für den Datenschutz und der Betriebsrat. Beide Institutionen sind aufgrund der zentralen Bedeutung der Informationsversorgung in sehr vielen Belangen betroffen. Nicht nur, daß sie Pflichten, die der Gesetzgeber im Zuge der Datenschutzgesetzgebung oder des Betriebsverfassungsgesetzes niedergelegt hat, wahrzunehmen haben, sondern sie sind selbst Besitzer von Informationen und Aufgabenträger.

Zusätzlich wird eine ordnungsgemäße Beteiligung der Arbeitnehmervertreter das Bewußtsein schärfen, daß die Informationsversorgung nicht irgendwelchen Überwachungsphantasien entspringt, sondern aufgrund der so gewonnenen Flexibilität die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens verbessern und damit die Arbeitsplätze langfristig sichern kann.