Statt Gast-kommentar

Gesprächskreis zur Vorbereitung des Zukunftskonzepts für die BMFT-Studie "Informationstechnik 2000"Neue Optionen mit Informationstechnik 2000

07.08.1987

Die Informationstechnik ist eine neue Kulturtechnik, die das Zusammenleben der Menschen grundlegend verändert und auf die Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Staaten entscheidenden Einfluß ausübt. Kennzeichnend für diese Technik ist, daß sie neue Optionen eröffnet, im kulturellen wie im wirtschaftlichen Bereich, in der Schonung natürlicher Ressourcen wie in der internationalen Zusammenarbeit.

Die Leitideen für ein "Zukunftskonzept Informationstechnik" sind drei Aktionsfeldern zuzuordnen, die in enger Wechselbeziehung zueinander stehen: Markt, Anwendung und Herstellung, weiterhin Know-how sowie Kapital.

Leitideen zum Markt

Volkswirtschaftliche Priorität hat die breite Anwendung der Informationstechnik in Wirtschaft und Staat. Dem muß ein eigenständiges Angebot auf der Seite der Herstellung informationstechnischer Komponenten, Geräte und Systeme entsprechen. Eine Lückenstrategie wird problematisch, wenn auf wichtigen Gebieten technische Kompetenz nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Das Zukunftskonzept Informationstechnik sollte dazu beitragen, neue Märkte zu erschließen, für deren Bedienung in der Bundesrepublik besonders günstige Voraussetzungen vorhanden sind. Dazu zählen zum Beispiel Märkte, die auf der Beherrschung komplexer vernetzter Systeme aufbauen und solche, die auf der innovativen Verknüpfung von Software einerseits und Mechanik, Elektronik und neuen Materialien andererseits aufbauen. Transparenz und Funktionsfähigkeit großer informationstechnischer Systeme werfen Fragen der technischen Organisation auf, die intensiv bearbeitet werden müssen.

Der Staat sollte im Rahmen seiner Aufgaben Initiativen für neue Anwendungen der Informationstechnik ergreifen oder positiv zu beeinflussen suchen. Denn auch wenn zukunftsorientierte Rahmenbedingungen gesetzt werden, bei innovationsfördernden Infrastrukturmaßnahmen und öffentlichen Beschaffungen eröffnen sich neue Märkte der Informationstechnik.

Wirtschaft, Wissenschaft und Staat sollten sich gemeinsam bemühen, Grundlagen für zukunftsorientierte Standards zu schaffen, die dazu beitragen, Märkte für den Wettbewerb zu öffnen. Es ist notwendig Standardisierungsbemühungen auf dem europäischen Markt politisch abzustützen, um bestehende Handelsbarrieren zu beseitigen.

Der Dialog zwischen gesellschaftlichen Gruppen sollte von den Verbänden gefördert und von der Bundesregierung unterstützt werden, um Hemmnisse für die Anwendung der Informationstechnik aus dem Wege zu räumen, die auf unzureichendem Wissen und mangelnder Kommunikation beruhen.

Angesichts der Bedeutung der Informationstechnik müssen Staat, Wissenschaft und

Wirtschaft verstärkt zusammenarbeiten. Dabei sollte festgestellt werden, wo Chancen und Notwendigkeiten bestehen, um den Entwicklungs- und Anwendungsprozeß zu beschleunigen. Der globale Wettbewerb sowie die limitierten Ressourcen der einzelnen Länder erfordern eine verstärkte europäische Zusammenarbeit. Es muß auf nationaler wie auf europäischer Ebene festgestellt werden an welcher Stelle staatliche Maßnahmen ansetzen müssen; wichtig in diesem Zusammenhang sind auch ordnungspolitische Fragen, wie etwa die des Kartellrechts.

Es müssen in der Bundesrepublik auch solche Ansätze unterstützt werden, in denen mittelständische Firmen Weltmarktchancen haben. Von besonderem Interesse Sind Firmen, die Schlüsselprodukte für die informationstechnische Industrie entwickeln und weltweit vertreiben. Dazu gehören Softwarekomponenten und -Werkzeuge, Equipment für Halbleiterhersteller, CAD-Systeme, Meßtechnik etc.

Leitideen zum Know-how

Die Informationstechnik als neue Kulturtechnik erfordert eine breite "Grundbildung für alle Lernenden und Auszubildenden in allen Bildungsbereichen". Der Arbeitskreis Informationstechnik beim Bundesminister für Forschung und Technologie hat in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von "Schlüsselqualifikationen" hingewiesen, wie beispielsweise die "Fähigkeit zum abstrakten und logischen Denken, die Fähigkeit zum Denken in Zusammenhängen, Modellen und Abläufen; das Verständnis von Arbeitsprozessen, Fähigkeiten zum Planen, Entscheiden und Bewerten, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, lebenslange Lernbereitschaft und Lernfähigkeit".

Notwendig sei eine "lernortübergreifende Abstimmung und Zusammenarbeit zum Beispiel zwischen allgemeinbildender Schule und Berufsbildung, zwischen Betrieben beziehungsweise überbetrieblichen Bildungsstätten und Berufsschule; zwischen Betrieben und Weiterbildungseinrichtungen und zwischen beruflicher Weiterbildung und Hochschulen", eine "Qualifizierung des lehrenden und ausbildenden Personals" und die "Entwicklung von Software für Bildungszwecke".

Besonders dringlich ist die Beseitigung der Kapazitätsengpässe der Hochschulen in der Ausbildung von Informatikern und damit verwandten Fachbereichen der Informationstechnik.

Hochqualifizierter technischwissenschaftlicher Nachwuchs entsteht nur dann in ausreichender Zahl, wenn begabten jungen Leuten ausreichend qualitativ anspruchsvolle Forschungsmöglichkeiten geboten werden. Die Industrie sollte ihre Forschungskapazitäten weiter ausbauen und, wo erforderlich, kooperieren. Darüber hinaus sollten auf ausgewählten Gebieten Forschungszentren in möglichst enger Verknüpfung mit Industrie und Hochschulen errichtet werden. Dabei sollten anspruchsvolle Forschungsthemen an langfristigen Markterwartungen orientiert und mit industriellen Managementmethoden bearbeitet werden. Entscheidend ist, daß der wissenschaftlich-technische Nachwuchs nicht auf Dauer gebunden, sondern nach einer fruchtbaren Forschungsphase zu einem Übergang in die Industrie ermutigt wird.

Leitideen zum Kapital

In den auf Stückzahlen angewiesenen Bereichen der Informationstechnik sind nur große Unternehmen oder sehr schnell wachsende Unternehmen, deren Wachstum vom Kapitalmarkt honoriert wird, in der Lage zu überleben. Denn nur diese werden in der Lage sein, rechtzeitig ein Kostenniveau zu erreichen, das wettbewerbsfähig ist. Insbesondere die Wachstumsfinanzierung mittelständischer Unternehmen ist für die weitere Entwicklung der deutschen informationstechnischen Industrie von großer Bedeutung.

Neue Firmen haben auf dem Gebiet der Informationstechnik entscheidende Beiträge zur Befruchtung des Wettbewerbs geleistet. In der Bundesrepublik gibt es zu wenig Neugründungen von Unternehmen mit hohem Wachstumspotential. Eine der Ursachen ist ein Kapitalmarkt, der den spezifischen Chancen und Risiken von Neugründungen zu wenig Rechnung trägt. Im Zusammenhang damit muß der Mangel an tatkräftigen Unternehmensgründern gesehen werden. Der Risikokapitalmarkt für technologieorientierte Unternehmensgründungen muß auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite so rasch wie möglich weiter ausgebaut werden.

Die Autoren:

Die Bedeutung der Mikroelektronik als Schlüsselindustrie zu betonen, setzte sich die Studie "Informationstechnik 2000" unter anderem als Ziel. Diese Analyse auch über Perspektiven der Kommunikationstechnik, Informationsverarbeitung und Industrieelektronik initiierte das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) Leitideen für ein "Zukunftskonzept Informationstechnik erarbeiteten dazu Dr. Hermann-R. Franz, Siemens AG, Dr. Hans Gissels, AEG, Kurt Heine, Loewe Opta, Konsul Friedrich A. Meyer, ADV/Orga, Dr. Horst Nasko, Nixdorf, Professor Dr. Hans-Joachim Queisser, Max-Planck-Gesellschaft, Professor Dr. Norbert Szyperski, Mannesmann-Kienzle und Dr. Gerhardt Zeidler, SEL.