Gespraech mit mittelstaendischem Software-Anbieter Karabiber: "Wir brauchen keinen Applikations-Server"

17.03.1995

KARLSRUHE (hv) - Wie sieht die Standardsoftware der Zukunft aus? Sie ist durchgaengig objektorientiert, basiert auf wiederverwenbaren Klassenbibliotheken und unterstuetzt das Client- Server-Modell sowohl in einer Zwei- als auch in einer Drei- Schichtenauspraegung, meint Hakan Karabiber, Geschaeftsfuehrer der IAS Unternehmensberatung GmbH, Karlsruhe.

CW: Was macht Sie so sicher, als kleines Haus im umkaempften Markt fuer Standardsoftware bestehen zu koennen?

Karabiber: Wir arbeiten objektorientiert mit der Programmiersprache C++ und greifen verstaerkt auf vorhandene Softwarekomponenten zurueck. Andere Hersteller, beispielsweise die SAP, haben eine eigene Entwicklungssprache. Sie muessen ihre Schnittstellen selbst programmieren und haben Kosten, die sie auf das Produkt umlegen muessen. Wir arbeiten mit Klassenbibliotheken, mit fertigen Zukaufteilen also, die wir relativ guenstig erstehen. Diesen Kostenvorteil geben wir an unsere Kunden weiter.

CW: Was fuer Bibliotheken sind das?

Karabiber: Die Klassenbibliothek "Zapp" von der Inmark Development Corp. ermoeglicht es uns, mit unserer Software die wichtigsten grafischen Benutzeroberflaechen zu unterstuetzen. Wir haben hier keinen Programmieraufwand. Dasselbe gilt fuer die Datenbank- Schnittstelle, wo wir die Bibliothek "DBtools.h++" von der Rogue Wave Software Inc. nutzen. Damit laesst sich unsere Software auf saemtlichen SQL-faehigen Systemen einsetzen.

CW: Inwiefern unterstuetzen Sie Client-Server-Architekturen?

Karabiber: Wir verfolgen einen Zwei-Ebenen-Ansatz. Wir brauchen keinen Applikations-Server, bei uns steht die Anwendung auf dem PC zur Verfuegung und allokiert dort den Hauptspeicher.

CW: Welchen Vorteil sehen Sie in diesem Konzept?

Karabiber: Arbeiten 80 Mitarbeiter mit einem Programm auf einem zentralen Applikations-Server, so sind sehr grosse Hardware- und Netzressourcen noetig.

Das ist ueberfluessig, wenn die Operationen auf den Client-PCs stattfinden; der Anwender muss weniger investieren. Er kann vorhandene PCs vom 486er mit 8 MB RAM an aufwaerts nutzen und hat einen deutlich reduzierten Datentransfer innerhalb des Netzes.

Ein weiterer Vorteil: Innerhalb eines Gesamtnetzes lassen sich unterschiedliche Plattformen verwenden. Man kann etwa die Datenbank auf einen Unix-Server legen, an einem Arbeitsplatz einen Unix-Rechner mit Motif verwenden, am anderen einen Windows-PC. Vielleicht sollte ich aber an dieser Stelle sagen, dass wir bei Bedarf auch andere Client-Server-Konstellationen, etwa das Drei- Schichten-Modell, unterstuetzen.

CW: Zielen Sie mit Ihrer Loesung explizit auf den mittelstaendischen Markt ab?

Karabiber: Nein, zu unseren Kunden zaehlen auch Grossunternehmen wie die Siemens AG oder Friatec. Standardsoftware wird letztlich daran gemessen, ob sich betriebswirtschaftliche Ablaeufe vernuenftig abbilden lassen. Das Datenvolumen stellt kein Problem mehr dar, der Anwender muss eben dafuer sorgen, dass er die richtige Hardware und ein entsprechendes Datenbanksystem einsetzt.

CW: Unternehmen werden in Kostenfragen sensibler, verlangen aber nach sehr flexiblen Produkten. Wie muss Standardsoftware, die diesem Anspruch genuegt, beschaffen sein?

Karabiber: Sie muss einfach konzipiert und preiswert sein. Meines Erachtens sollte sich das gesamte Investitionsvolumen in eine Software innerhalb von drei Jahren amortisieren. Der sogenannte Return on investment (ROI) hat binnen dieser Frist zu erfolgen. Dies gilt einschliesslich der Einfuehrung und Implementierung. Ein Unternehmen kann gross werden oder sich verkleinern - das haben wir waehrend der Wirtschaftskrise gesehen. An die jeweils neuen Bedingungen muss sich Software schnell anpassen lassen.

Organisatorische Veraenderungen im Unternehmen, die durch Wachstum und Verkleinerung entstehen, muessen unterstuetzt werden. Es kann nicht angehen, gigantische Summen zu investieren, um nach drei Jahren festzustellen: "Das haette ich viel billiger haben koennen." Oder: "Wir veraendern uns so stark, dass wir die Software wieder abloesen muessen." Wir kennen Firmen, die haben vor zwei Jahren im grossen Stil in eine andere Software investiert. Wenn die heute auf unser System umstellen wuerden, haetten sie noch immer einen schnelleren ROI-Wert als in der jetzigen Situation. Leider wagen nur wenige DV-Leiter, das, was sie vor zwei Jahren gekauft haben, wieder abzuschaffen.

CW: Wieso glauben Sie, dass Sie ausgerechnet in Deutschland Erfolg haben, wo der Markt eindeutig von einem Anbieter dominiert wird?

Karabiber: Weil an unserer Preisstrategie und unserem Leistungsumfang niemand vorbeikommt.

CW: Grosse Worte. Bisher sind eine ganze Reihe von Unternehmen an Ihnen vorbeigekommen...

Karabiber: Wir sind ja erst seit Ende 1993 auf dem Markt. Und den Firmen, die bisher an uns vorbeikamen, fehlte entweder das Wissen ueber moderne Technologien oder einfach nur die Ueberwindung, ueber den Tellerrand eines uebermaechtigen Anbieters hinauszuschauen. Die Zukunft liegt in niedrigen Preisen bei hoher Funktionalitaet. Ich gehe davon aus, dass die deutsche Wirtschaft aus der Rezession gelernt hat. Bevor Firmen groessere Summen investieren, werden sie sich informieren.