Mikroprozessor-Marktführer unter Druck

Geschlossene Front gegen Intel: "Die Zeit der Monopole ist vorbei"

13.03.1992

MÜNCHEN (jm) - Auch für den PC-Prozessor-Monopolisten Intel scheinen die Goldgräberzeiten endgültig vorbei: Die hektischen Aktivitäten der letzten Wochen, die die Leute um President und CEO Andy Grove zwischen Gerichtssälen, Entwicklerwerkstätten und Presseveranstaltungen pendeln ließen, deuten auf eine aggressive Marketing-Politik des Chip-Herstellers hin, um die in den 80er Jahren gewonnene Marktdominanz auch in diesem Jahrzehnt abzusichern.

Integrated Electronics - so nannte Robert Noyce, der Firmengründer und Co-Erfinder des am 30. Juli 1959 zum Patent angemeldeten ersten ICs, die 1968 etablierte Intel Corp. engagiert sich beim Kampf um Marktanteile an verschiedenen Gerichts- und PR-Fronten: Momentan in den Vordergrund gerückt sind die gerichtlichen Klagen gegen AMD und Chips & Technologies. Gegen erstere mußte Intel eine Niederlage hinnehmen, die sie zwar 15 Millionen Dollar kostet und AMD ferner das Recht gibt, den 386Chip zu vertreiben.

In einem weiteren in Texas anhängigen Verfahren, das Intel angestrengt hat, soll geklärt werden, ob AMD aufgrund von Verträgen aus dem Jahr 1976 berechtigt ist, Intel-Mikrocode in eigenen Prozessorentwicklungen zu verwenden. Das jetzt gefällte Urteil berührt allerdings nicht die Copyright-Frage von 486- und Folge-Bausteinen.

Neben diesen sich nun schon Jahre hinziehenden Querelen mit der Company des Ex-Fairchild- und Motorola-Manns W. Jerry Sanders III bauten die PC-Prozessor-Monopolisten eine zweite Front auf und zogen am 28. Februar 1992 auch gegen ihren kalifornischen Nachbarn, die Chips & Technologies Inc. aus dem kalifornischen San Jose, vor Gericht.

Auch diesmal reklamieren die Noyce-Nachfolger Verletzungen von Intel-Patenten und geistigen Eigentums. Corpus delicti sind die 386-CPU und -Fließkomma-Bausteine von Chips & Technologies "Super386" und "Supermath". Irritierend ist allerdings, daß Intel die Klage erst viereinhalb Monate nach der Vorstellung der Chips am 11. Oktober 1991 in die Wege leitete.

Möglicherweise hat Intel der Markterfolg von AMD mit 386CPUs zu denken gegeben: Immerhin schnitt sich die Verkaufsmannschaft um den exzentrischen Sanders im vierten Quartal 1991 rund 20 Prozent des zu verteilenden Kuchens am Weltmarkt ab. Chips & Technologies andererseits steht zumindest mit Texas Instruments in intensiven Verhandlungen über die Lizenzierung und Produktion der Konkurrenzprodukte zu Intel. Andere Unternehmen seien, so Insider, ebenfalls an der Chip-Technologie der Kalifornier interessiert. In einer zweiten Gerichtsrunde will Intel per einstweiliger Verfügung auch diese Lizenzierungsgeschäfte unterbinden fassen.

"Intel sollte aus der Geschichte lernen"

Eingedenk des juristischen Hürdenlaufs der AMD-Company, hatte Chips & Technologies während der Designphase für seine 386-Prozessoren zwei in den USA auf Rechtsprobleme mit geistigem Eigentum spezialisierte Anwaltskanzleien engagiert, die darauf achten mußten, daß keine Geistesblitze der Intel-Entwickler in die Chips-Layouts eingingen. Chips-President und CEO Gordon A. Campbell äußerte sich denn auch cool zu dem neuerlichen Gerichtsfeldzug: "Intel sollte doch aus der Geschichte lernen: Das Zeitalter der Mikroprozessor-Monopole ist vorbei."

Eben dies sehen die Marketiers aus der Ende des 18. Jahrhunderts gegründeten Missionssiedlung Santa Clara anders: Branchen-Insider wähnen darin auch den Grund dafür, daß Intel 1992 mit großen Werbekampagnen und einem Marketing-Feuerwerk die eigenen Produkte wieder in den Vordergrund des Öffentlichkeitsinteresses zu schieben versucht.

An die 30 neue CPU-Produkte will der Prozessor-Krösus noch dieses Jahr auf den Markt werfen, im Herbst dieses Jahres soll der hausintern P5 genannte 486-Nachfolger - der 586-Prozessor - angekündigt werden, und schon lanciert Intel Pläne, bereits Ende kommenden Jahres den Vorhang für die 686-CPU zu ziehen. Damit nicht genug, die Grove-Company erörtert mit Blick vor allem auf die extrem potenten RISC-Wettbewerber erste Gedanken zum P7-respektive 786-Prozessor.

Im "Wall Street Journal" erstmals veröffentlichte Skizzierungen zukünftiger Chip-Pläne nehmen Branchenkenner mit Skepsis auf. Die Wirtschaftszeitung zitiert Analyst Millard Phelps von Hambrecht & Quist mit der Bemerkung, Intel werde zukünftig Druck von zwei Seiten bekommen: Von unten bedrängten Cloner wie AMD erfolgreich die Marktbasis von Intel. Mit in den kommenden Jahren zu präsentierenden CPUs konkurriere der CISC-Riese zudem zukünftig gegen stärkste Konkurrenz von HP, IBM, Sun und Digital. Vor allem DEC hat mit der Offenlegung ihres Alpha-RISC-Prozessors die Latte für Rechenleistung extrem hoch gelegt.

Viele Kenner der DV-Industrie fragen sich deshalb, ob Intel trotz der im vergangenen Jahr getätigten Investitionen von 1,6 Milliarden Dollar für Forschung und Entwicklung denen sogar zwei Milliarden in diesem Jahr folgen sollen - in der Lage ist, im Rennen um die leistungsfähigsten Prozessoren ähnlich zu bestehen wie bei den CISC-CPUs für PCs der 80er Jahre.

Zweifel bestehen in der Branche auch dahingehend, ob die schnell aufeinanderfolgenden 486-, 586- und 686-Prozessorfamilien vom Markt Oberhaupt absorbiert werden. Dies gilt besonders auch vor dem Hintergrund von Informationen, daß Intel erst mit dem 686 dem Anwender wieder einen signifikanten Qualitätssprung in der Power garantieren könne.

Nicht zuletzt scheinen auch prinzipielle Bedenken an Intels momentaner Marketing-Offensive angebracht zu sein. Seit die Kalifornier mit dem 486-Prozessor erstmals über eine Million Transistoren auf einem Chip verpackten, rissen die technologischen Probleme nicht mehr ab: Compaqs Aktienwert fiel im Herbst 1989 um fast zehn Dollar, als die Vorstellung des auf die 486-CPU bauenden Systempros wegen "Errata bei der Floalting-Point-Einheit" (O-Ton Intel) in Frage gestellt war.

Bei der im Juni 1991 vorgestellten 50-Megahertz-Topversion kam es in der Folge zu erheblichen wärmetechnischen Problemen, weshalb Intel seine Kunden vorübergehend bitten mußte, vorerst keine PC-Systeme mit dieser 486-Version auszuliefern.