Internet-Anwendungen/ Bei den Prozeßkosten kann immer nochgespart werden

Geschäftsreise per Intranet buchen: Die Firmenrichtlinie ist integriert

26.02.1999
Ein "Work in Progress" ist die Intranet-basierte Buchungslösung für Geschäftsreisen, das Travel Net, bei Siemens Business Services, Frankfurt am Main. Autor Mike Bassmann ist selbst Anwender des Systems, sorgt aber auch für die ständige Optimierung der Prozesse.

Das Intranet-basierte Business Travel Net unterstützt innerhalb von Siemens das Management von Geschäftsreisen. Einbezogen sind alle Geschäftsprozeßelemente, die mit Planung, Organisation und Kontrolle von Geschäftsreisen zu tun haben. Bei der Pilotierung der Intranet-Anwendung hat sich gezeigt, daß zur effektiven Nutzung des neuen Mediums ein Re-Engineering über alle Prozeßebenen hinweg notwendig ist. Die Umsetzung erforderte darüber hinaus ein detailliertes Einführungskonzept, das Unternehmensleitung und Konzernbetriebsrat gleichermaßen einbezieht.

Die Ausgaben für Dienst- und Geschäftsreisen sind nach Gehältern und DV-Kosten in vielen Bereichen der Wirtschaft heute der drittgrößte Kostenblock. So gaben im Jahr 1997 die 500 Top-Unternehmen in Deutschland dafür zirka 45 Milliarden Mark aus. Bezogen auf die gesamte deutsche Wirtschaft, schätzt der Verband Deutsches Reisemanagement e.V. die Höhe der Geschäftsreiseausgaben auf 152 Milliarden Mark.

Mit 250000 Reisenden, die im vergangenen Jahr mehr als 2,5 Millionen einzelne Reiseleistungen gebucht haben, summieren sich allein bei Siemens die entsprechenden Ausgaben Jahr für Jahr auf über eine Milliarde Euro. Grund genug also, dem Reiseverhalten und dem Einkauf der Reiseleistungen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Um die Kosten spürbar zu senken, werden konsequent Online-Buchungssysteme eingesetzt, Einkaufskooperationen geschlossen und die Bestell- und Abwicklungsverfahren einem permanenten Benchmarking und Re-Engineering-Prozeß unterzogen.

Nachdem andere Potentiale der Kostenersparnis in den Unternehmen heute weitgehend ausgeschöpft sind, avancieren der Bereich Geschäftsreisen und die damit zusammenhängenden Kosten zum zentralen Thema wirtschaftlicher und strategischer Unternehmensführung. Für das Reise-Management ist damit eine doppelte Herausforderung verbunden. Auf der einen Seite steigen die Kosten, ist das Kostenbewußtsein verbesserungswürdig, und die Transparenz der Prozesse ist ungenügend. Auf der anderen Seite verschärfen sich die inneren und äußeren Rahmenbedingungen: Mit zunehmender Globalisierung der Beschaffungs- und Absatzmärkte nimmt auch das Reisegeschehen in den Unternehmen zu - mit der Konsequenz, daß heute an das Reise-Management dieselben Anforderungen hinsichtlich Kosten, Qualität und Zeit gestellt werden wie an die Kernprozesse des Unternehmens.

Statistiken belegen, daß zirka 60 bis 70 Prozent aller Flugreisen einfache Hin- und Rückflüge sind. In den meisten Fällen dauert die Reise zwei Tage; eingeschlossen ist also eine Übernachtung, dazu kommt ein Mietwagen. Diese Standardreisen lassen sich mit dem neuen Online-Buchungssystem einfach und bequem abwickeln.

Die indirekten Reisekosten, also die Ausgaben, die bei Planung, Organisation und Verwaltung von Geschäftsreisen anfallen, machen in großen Unternehmen heute noch zirka 17 Prozent der Reisekosten aus. Von zentraler Bedeutung für die aktive Steuerung des Reisegeschehens ist daher die konsequente Umsetzung von Reiserichtlinien, da nur so ausgehandelte Einkaufsvorteile voll ausgeschöpft werden können.

"Die Welt", so Lutz Stammnitz, Leiter des Travel Management bei Siemens, "ist in der vergangenen Dekade größer und zugleich kleiner geworden". Größer, weil durch Informationstechnologie immer mehr Schranken fallen, kleiner, weil Fortschritte in der Kommunikation die Erde zu einem einzigen, wenn auch globalen, Marktplatz gemacht haben.

In den meisten Unternehmen muß vor einer Reise ein Antrag ausgefüllt werden, meist noch in Papierform. Dieses Formular wirddann per Hauspost oder Fax abgeschickt. Teilweise werden die Reisen auch mündlich oder auf elektronischem Weg beantragt. Für die Genehmigung ist in der Regel der direkte Vorgesetzte, zum Teil aber auch dessen Vorgesetzter zuständig (bei diesem Verfahren kommt es aufgrund der Wege- und Liegezeiten nicht selten vor, daß Reisende die Genehmigung erst dann in Händen halten, wenn sie bereits von ihrer Reise zurückgekehrt sind). Hat er dessen Placet, kann sich der Mitarbeiter beim Vertragsreisebüro oder der firmeneigenen Reisestelle mündlich, schriftlich oder aufelektronischem Weg über mögliche Reisealternativen informieren. Häufig kann er aber nicht gleich buchen, sondern muß sich erst noch mit anderen Personen über den Termin einigen. Mitunter übernimmt auch das Sekretariat die Abstimmung.

Ist der gewünschte Flug inzwischen ausgebucht, beginnt der Prozeßder Informationsbeschaffung von neuem. Der Koordinationsbedarf ist entsprechend hoch. Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, daß das Unternehmen aufgrund mangelnder Markttransparenz auf eine Optimierung von Einkaufsvorteilen verzichtet.

Das weltweite Intranet von Siemens bildet die technische Plattform, auf der Anwendungen wie Scenic Interactive Travel überhaupt erst zu realisieren sind; sie läuft auf einem Siemens-Primergy-700-Server-System unter NT 4.0 mit MS-Visual Foxpro als Datenbank.

Die auf Web-Technologie basierte Anwendung wurde in das Siemens-Corporate-IP-Backbone integriert und steht damit nahezu allen Mitarbeitern weltweit zur Verfügung.

Die Anwender werden über selbsterklärende Masken durch den Buchungsprozeß geführt. Die Voreinstellungen des Anwenders und die für seine Benutzergruppe gültigen Reiserichtlinien sind mit dem Login automatisch aktiv. Nach der Anmeldung erhält der Mitarbeiter eine Auswahlmaske für die einzelnen Reiseleistungen Flug, Hotel, Mietwagen und Bahnfahrten. Den aktuellen Stand der Reiserichtlinien und weitere Informationen zu Firmenkreditkarten, bevorzugten Partnern (Fluggesellschaften, Hotels, Mietwagenanbieter etc.) kann er über den Menüpunkt "Travel Management informiert" abrufen.

Der Hauptvorteil für das Unternehmen liegt darin, daß die Reiserichtlinien online als Steuerungselemente vom Travel Management hinterlegt sind. Sondervereinbarungen, beispielsweise mit Fluggesellschaften auf bestimmten Strecken, kann der Travel Manager über das TMS (Travel Management System) mit wenigen Mausklicks einstellen. Diese Einstellungen werden direkt in die Reiserichtlinie aufgenommen: Eine Einkaufsvereinbarung wird automatisch zur Regel. Derzeit sind mehr als 800 unterschiedliche Größen, die das Einkaufsverhalten der Reisenden beeinflussen, einstellbar.

Travel-Manager Stammnitz: "Man muß sich das ganze System wie ein großes Warenhaus vorstellen. Der Reisende bekommt nur Waren, also Flüge, Hotels und Mietwagen, angeboten, die vom Einkauf durch das Travel Management freigegeben sind. Die Effizienz dieser Vorgehensweise ist unschlagbar, weil neue Preis- und Leistungsvereinbarungen unmittelbar das Einkaufsverhalten der Geschäftsreisenden beeinflussen beziehungsweise steuern."

Der Reisende möchte einen Flug buchen und gelangt über den Menüpunkt "Flug" zur "Quickreservierung", über die er alle Standardflugreisen buchen kann. Beispiel: Flug am 15. Februar von Frankfurt nach London und am 17. Februar zurück. In der Eingabemaske wählt der Reisende Start- und Zielort sowie diegewünschte Abflug- und Ankunftzeit und bekommt aus einer Vielzahl von Flugmöglichkeiten nur diejenigen angeboten, die vom TravelManagement als "Preferred Supplier" freigegeben sind und innerhalb des ausgewählten Zeitfensters liegen.

Nach dem Ampelprinzip (grün, rot) wird das Einkaufsverhalten der Reisenden auch optisch gesteuert: "Grün" heißt "Übereinstimmung mit der Reiserichtlinie", "Rot" bedeutet "entspricht nicht den Richtlinien, nur buchbar mit schriftlicher Begründung".

Mit dem zweiten Mausklick wählt der Reisende aus den angezeigten Flugmöglichkeiten den Hinflug aus. Mit dem dritten Mausklick bestimmt er seinen Rückflug.

Zugang zum virtuellen Reisebüro rund um die Uhr

In der nächsten Maske zeigt das System die beiden ausgewählten Flüge sowie die gewählte Beförderungsklasse (Economy oder Business Class) und den Preis. Um diese Flüge online zu buchen, ist jetzt nur noch ein weiterer Mausklick erforderlich.

Das System bucht anhand der hinterlegten persönlichen Präferenzen des Reisenden automatisch den bestmöglichen verfügbaren Sitzplatz. Bei Buchungen in der Business Class kann der Reisende durch Anklicken des angezeigten Symbols "Sitzplatzwahl" jederzeit den gebuchten Platz ändern. Darüber hinaus kann er die Flugbuchung um die Reisebestandteile Hotel und Mietwagen ergänzen.

Die abschließende Maske bestätigt die Buchung - identisch mit einer Buchungsbestätigung durch das Reisebüro. Die Buchung ist jetzt über das globale Reservierungssystem "Amadeus" erfolgt undw ird automatisch an das für den Reisenden zuständige Siemens Travel Center weitergeleitet. Nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind durch die Mitarbeiter des Travel Center möglich.

Dieses virtuelle Reisebüro, das rund um die Uhr geöffnet hat, kann jeder Mitarbeiter innerhalb Siemens von seinem Arbeitsplatz-PC oder Notebook aus nutzen.

Eine Intranet-Lösung wie dieses Travel Net bietet für die am Reiseprozeß Beteiligten folgende Vorteile: für die Reisenden Transparenz und Benutzerfreundlichkeit; im Reisebüro vereinfachtsie die Abläufe und erhöht die Qualität; dem Travel Management hilft sie beim konsequenten Umsetzen der Reiserichtlinien und steigert damit auf allen Seiten die Kosteneffizienz.

Angeklickt

Nach internen und externen Studien hat sich das Siemens-Travel-Management entschieden, einen neuen Weg zu gehen. Gemeinsam mit der entsprechend spezialisierten FAO AG, Frankfurtam Main, wurde das Online-Buchungssystem Scenic Interactive Travel entwickelt. Seit Einführung dieser Business-to-Business-Lösung können die Mitarbeiter (oder das Sekretariat) selbst buchen. Man hat den direkten Zugriff auf die Informationen von mehr als 800 internationalen Fluggesellschaften, mehr als 43000 Hotels und alle führenden Mietwagenunternehmen weltweit.

Mike Bassmann ist Director Business Center Travel Solutions bei Siemens Business Service (SBS) in Frankfurt am Main.