Geschäftsprozessplattform spart Geld

22.05.2006
Von Prof. Dr. Hubert Österle, Dr. Dimitrios Gizanis 
Mittels einer globalen Order-Management-Schicht hat ABB Robotics sein Ersatzteilgeschäft effizienter gemacht.
Die Geschäftsplattform verbindet die Auftragsabwicklungsprozesse von Distribution, Produktion und Vertrieb.
Die Geschäftsplattform verbindet die Auftragsabwicklungsprozesse von Distribution, Produktion und Vertrieb.

Von Hubert Österle und Dimitrios Gizanis*

Projektnutzen im Überblick

Prozess- und Distributions- kosten:

• Geringere Infrastrukturkosten durch Wegfall der lokalen Ersatzteillager,

• keine Zwischenlagerung, also weniger Versand- und Transportvorgänge,

• Einsparung von Transportkosten,

• reduzierte Personalkosten in den Lagerhäusern,

• weniger Medienbrüche, zum Beispiel für die interne Leistungsverrechnung.

Bestandskosten:

• Jährliche Einsparungen durch geringere Bestände (Kapitalbindung) und Lagerflächen,

• weniger veraltetes Material.

Kundenservice:

• Proaktiver Support,

• Lieferung innerhalb 24 Stunden,

• geringere Transportkosten,

• höhere Produktverfügbarkeit,

• gesteigerte Produktivität durch geringere Ausfall- zeiten,

• aktuelle sowie übergreifende Produkt- und Statusinformationen,

• einheitliche Kundenansprache über die Grenzen von Geschäftseinheiten hinweg.

Literaturempfehlung

Das Anwendungsbeispiel ABB Robotics ist dem Buch "Geschäftsmodelle 2010 - Wie CEOs Unternehmen transformieren" von Henning Kagermann und Hubert Österle entnommen, das 2006 bei Frankfurter Allgemeine Buch in Frankfurt am Main erschien.

Projektsteckbrief

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www.computerwoche.de/

556393: Geschäftsprozess-Plattform statt noch mehr ERP-Software;

575435: Agilität - Stand der Praxis;

575790: EADS beweist Pioniergeist - mit Open-Source-ERP.

Zur Auftragsabwicklung hat die ABB-Gruppe in ihren zahlreichen Verkaufsbüros, Lagerstätten, Verteilzentren und Produktionswerken mehr als 350 ERP- und Lagerverwaltungssysteme installiert. Der Konzern litt unter den auch andernorts bekannten Problemen - manuellen und damit fehleranfälligen Prozessen sowie mangelnder Transparenz in der Auftragsabwicklung. Mit einem weltweiten Projekt wollte er nicht nur sein Auftreten vereinheitlichen, sondern auch die Auskunftsfähigkeit verbessern und flexibler auf Bestelländerungen reagieren. Die Business-Ziele lauteten: erhöhte Kundenzufriedenheit und Kostensenkung dank konsolidierter Lagerstätten und Bestände sowie automatisierter Prozesse.

Die Idee eines konzernweiten, integrierten ERP-Systems verwarf ABB als zu zeitaufwändig, zu komplex und zu riskant für das Geschäft. Stattdessen entschied der Konzern, eine Order-Management-Schicht (OMS) einzuziehen - oder anders ausgedrückt: eine Geschäftsprozess-Plattform mit einer Sammlung von elektronischen Shared Services. Sie implementieren die Geschäftsfunktionen, die in den dezentralen Applikationen bislang kaum oder aber redundant, überlappend und unabgestimmt vorhanden waren.

Der Kern der OMS basiert auf Epix, einem ERP-System von Noventus, das sich aus Modulen wie Material- und Lagerwirtschaft, Vertrieb und Finanzbuchhaltung zusammensetzt. Grundlage für die Integration ist der Microsoft Biztalk Server. Er sorgt dafür, dass die Applikationen der Geschäftseinheiten asynchron Daten austauschen können, und erledigt das Mapping der Auftragsdaten. Diese Daten können in unterschiedlichen Formaten vorliegen, beispielsweise in XML, EDI oder SAP Idoc.

Darüber hinaus unterstützen die ABB-eigenen "Commerce Applikationen" die Erfassung von Bestellungen über das Internet. Funktionsaufrufe mittels Soap (Simple Object Access Protocol) greifen direkt auf die Services im OMS-Kern zu, beispielsweise für die Preisermittlung oder die Anlage eines Auftrags.

Erster erfolgreicher Einsatz

ABB Robotics setzt diese Lösung bereits ein - für die Abwicklung seines Ersatzteilgeschäfts. Als Teil der ABB-Geschäftseinheit Manufacturing & Robotics offeriert das Unternehmen seinen Kunden Systemlösungen für Verpacken, Palettieren, Lackieren, Schweißen etc. Zur Ersatzteilversorgung seiner europäischen Kunden hatte es bis dato ein zweistufiges System im Einsatz - mit Lagern in fünf Produktionswerken und 24 Verkaufsbüros. Um das Abarbeiten von Kundenaufträgen zu koordinieren, nutzte es Telefon und Fax.

Die Vielzahl von Transporten und Lagern trieb die Logistikkosten nach oben, Aufträge und Bestände waren schwer überschaubar, die manuellen Pro- zesse in Auftragsannahme und -verteilung sowie Rechnungsabwicklung ineffizient. So entstand der Bedarf für eine neue Lösung.

Informationen in Echtzeit

Ein zentrales Verteilzentrum wurde am Frankfurter Flughafen angesiedelt, so dass heute jeder Kunde in Europa binnen 24 Stunden die Ersatzteile aus den skandinavischen Werken gebündelt zugestellt bekommen kann. Die Geschäftsplattform verbindet dabei die Auftragsabwicklungsprozesse des Verteilzentrums mit denen der Produk- tionswerke und Verkaufsbüros.

Alle Beteiligten erhalten die Auftragsinformationen in Echtzeit, weshalb Sicherheitsbestände weitgehend überflüssig sind. Zudem haben sich die Warentransporte von den Werken zu den Verkaufsbüros erledigt. Darüber hinaus reduziert das Verteilzentrum die Komplexität der Auftragsabwicklung in Produktionswerken und Verkaufsbüros, indem es Lagerhaltung und Kommissionierung übernimmt.

Last, but not least kann das Unternehmen alle beteiligten Geschäftseinheiten über die neue Plattform integrieren. Die automatische Auftragserfassung und -weiterleitung stößt direkt die Prozesse in Produktionswerken und Verteilzentrum an.

So gelang es ABB Robotics, seine Lagerhaltungskosten um 40 Prozent zu senken, die Logistikkosten insgesamt verringerten sich um 30 Prozent. Damit sparte der Roboterhersteller 2004 rund neun Millionen Dollar, davon 6,6 Millionen in der Distribution und 2,4 Millionen durch reduzierte Bestände.

Auf der Kostenseite stehen eine einmalige Investition von einer knappen Million Dollar für die Einführung der Lösung sowie jährliche Betriebskosten von umgerechnet drei Millionen Dollar, die über Transaktionsgebühren umgelegt werden. Den Breakeven erreichte ABB Robotics in weniger als einem Jahr. (qua)