Digitalisierung in Unternehmen

Geschäftsmodelle der Zukunft erfordern Transparenz

15.02.2016
Von 


Robert Sieber verfolgt das Ziel die Lücke zwischen der IT und den Unternehmensprozessen zu schließen. Ideen und kontroverse Ansätze zum notwendigen Wandel der IT, veröffentlicht Robert Sieber in seinem Blog und Podcast. Er ist auch Initiator und Organisator eines Barcamps für IT-Service-Management. In 18 Jahren war er in verschiedene Bereiche der IT tätig: Administration, Planung, Architektur, Consulting, Service-Management, Softwareentwicklung und Vertrieb.
Industrie 4.0, digitale Geschäftsmodelle und das Internet of Things fußen auf der Vernetzung von Menschen, Prozessen und Technik. Zu wissen, wie dieses Zusammenspiel funktioniert, ist die Voraussetzung für das finanzielle Wohlergehen der Unternehmen.

"Und ich dachte, es reicht, wenn wir das alles im Kopf haben", sagt Heinrich zu seinem Geschäftspartner und Freund Thomas. Beide sitzen in einer kleinen, billigen Wohnung im Berliner Stadtteil Charlottenburg. Sie denken seit Wochen darüber nach, warum es schief gegangen ist. "Es sah doch alles gut aus.", entgegnet Thomas. "Die Betaphase war erfolgreich. Wir waren in allen Medien vertreten und hatten über 400.000 Menschen auf der Warteliste. Selbst Sascha Lobo hat über uns berichtet." "Weißt Du noch, der Erstsemestler, der immer damit nervte, dass es keine Transparenz gibt, wie welche Daten fliesen?", erinnert sich Thomas wehmütig, "Ich glaube, wir hätten auf ihn hören sollen!"

Geschäftsmodelle der Zukunft erfordern vor allem eines: Transparenz.
Geschäftsmodelle der Zukunft erfordern vor allem eines: Transparenz.
Foto: Rawpixel.com - shutterstock.com

Start-Up-Romantik durch Taxi-Wucher

Zwölf Monate zuvor haben die beiden Studenten der Wirtschaftsinformatik eine geniale Idee: Die Revolution der Mobilität ist ihr Ziel, die Integration aller Mobilitätsangebote in eine App - egal ob öffentliche Verkehrsmittel, Bahn, Fernbus, Autovermietung, Carsharing, Taxi oder Fahrradverleih. Der Nutzer soll seine Reise von Anfang bis Ende planen und an einer einzigen Stelle buchen können. Die Idee wird an einem kalten Wintertag im Jahr 2014 geboren. Heinrich und Thomas warten am Hauptbahnhof Köln vergeblich auf das bestellte Taxi und versuchen herauszufinden, welcher Carsharing-Anbieter hier vertreten ist. Bei Minusgraden und leichtem Regen ist es gar nicht so einfach, das Smartphone und die vielen verschiedenen Apps zu bedienen. Es ist aussichtslos: Entnervt steigen die beiden in ein Taxi und lassen sich für viel Geld die 57 Kilometer nach Düsseldorf fahren.

"Das muss anders gehen", sagt Heinrich während der Fahrt. Thomas pflichtet ihm bei: "Alles auf einer Webseite und in einer App, ohne bei jedem Anbieter angemeldet zu sein und die App zu haben - das wäre fantastisch." Die Idee ist geboren - in den nächsten Monaten arbeiten die beiden zusammen mit weiteren Kommilitonen an der Umsetzung.

Ein digitales Geschäftsmodell hebt ab...nicht

Ein digitales Geschäftsmodell ist geboren und besitzt alle Voraussetzungen, um dauerhaft erfolgreich zu sein: Die Befragung im Vorfeld und die Testphase haben gezeigt, dass enormer Bedarf für eine Mobilitätslösung aus einem Guss besteht. Die Finanzierung erfolgt über Crowdfunding, danach kommt der virale Effekt. Technisch ist die Idee gar nicht so kompliziert umzusetzen: Das Entwicklungsteam hat einen Trick gefunden, wie mit wenig Aufwand mit allen Anbietern kommunizieren werden kann. Das reduziert den Aufwand enorm und widerspricht auch den Bedingungen der Anbieter nicht. Es geht mit Riesenschritten voran.

Dann kommt der Tag des Go-Live. Es sind genügend Serverkapazitäten vorgesehen - und selbst wenn diese nicht reichen, kann das Start-Up mit Hilfe von Amazon in wenigen Minuten weitere Kapazitäten zuschalten. Alleine zehn Team-Mitglieder haben die sozialen Medien im Auge, um aufkommende Fragen sofort zu beantworten. Weitere fünf Menschen kümmern sich ausschließlich um die Überwachung der Applikation und Infrastruktur.

Dann legen Heinrich und Thomas den (virtuellen) Schalter um. Und es geht los - eine riesige Zahl von Anmeldungen binnen zehn Minuten verkraftet das System ohne Probleme. Nach einer Stunde sind bereits die ersten 10.000 Buchungen bearbeitet. Alles läuft stabil, nach drei Stunden ohne Probleme macht sich schließlich Entspannung breit, die Sektkorken knallen.

Keine 48 Stunden später stehen alle Beteiligten ratlos im Büro. Eine Buchung ist bei keinem Anbieter möglich. Die Entwickler versuchen den Bug im Quellcode zu finden - ohne Probleme. Egal wie oft sie die Anwendung debuggen - es läuft alles "sauber" durch. Die Infrastruktur läuft ebenfalls ohne Probleme. Was dann losbricht, ist ein Shitstorm kolossalen Ausmaßes der sich über drei Tage zieht.

Das Start-Up kann das Problem erst nach weiteren vier Tagen identifizieren - der Trick zum Anbinden der Anbieter ist schuld. Dazu gehört, dass es überall nur einen Account gibt, bei dem alles über eine E-Mail-Adresse läuft. Alle Mobilitätsanbieter schickten also für jede einzelne Buchung mindestens eine E-Mail an das Postfach. Diese wurden auch sauber abgeholt und dem Kunden zugestellt - allerdings hatte niemand daran gedacht, das Postfach zwischendurch auch zu leeren. Nachdem das Problem endlich behoben ist, haben nur noch wenige Menschen Vertrauen in die App. Vier Wochen später verschwindet sie aus den App-Stores. "Hätten wir die Prozesse und die Datenflüsse dokumentiert, wir hätten den Fehler in kurzer Zeit gefunden", so das Resümee von Heinrich.