Honeywell Bull

Geschäftsleitung

05.08.1977

Diese Antwort des Honeywell-Bull-Generalbevollmächtigten Dr. Bindels und seines Stabschefs Dr. Müller-Stahl auf zwei Berichte der Computerwoche berührt grundsätzliche Fragen im Verhältnis zwischen Anwender und Hersteller: Immerhin legt hier die Geschäftsleitung von Honeywell Bull offiziell fest, wie weit sich ein Hersteller verantwortlich fühlt für die "wirtschaftliche" Installation seiner Produkte. Beratungsgespräche werden, dies ist einzuräumen, sicherlich in anderem Tone geführt als die Replik auf Berichte, die die Enttäuschungen und vor allem die offene Kritik verdrossener Anwender zitieren. Wir meinen jedoch, daß Honeywell Bull hiermit einen nützlichen Beitrag dazu geliefert hat, wie Anwender die Partnerschaft mit dem Hersteller zu sehen haben, was sie erwarten dürfen und wann sie, bei selbstverschuldeter Fehlereinschätzung der für das Unternehmen notwendigen Rechnerkapazität, auf dem Inventar sitzenbleiben, das ihnen der Mainframer ins Haus gestellt hat.

Die Redaktion

Sehr geehrte Herren,

in den beiden Artikeln (Computerwoche vom 8. Juli 1977) "Pharmahändler prangert HB-Praktiken an" und (Computerwoche vom 13. Mai 1977) "EDV-Konzept ruiniert Pharmahändler" kommen Sie aufgrund Ihrer Recherchen zu Ausdeutung, die den Anwender von Computer-Systemen und Computer-Lösungen in die Irre führen. Da Sie nach Ihrem eigenen Verständnis eine Zeitung machen, die die Interessen der Anwender vertritt, werden Sie sicherlich unseren Wunsch begrüßen, die Richtigstellung der Ausdeutungen in den beiden Artikeln auf der Titelseite einer Ihrer nächsten Ausgaben zu veröffentlichen.

Honeywell Bull unterstellt der CW Ausdeutungen, wo die CW nur zitiert hat. Fürchtet Honeywell Bull, Anwender müßten auf Grund der Tatsachen zwangsläufig so denken, wie es Honeywell unterstellt?

1. Der Lieferant von Investitionsgütern kann wohl schwerlich für die Wirtschaftlichkeit eines Investitionsgutes in einem Unternehmen verantwortlich zeichnen. Bei EDV-Anwendungen kann der Hersteller nur die technisch und wirtschaftlich adäquate Hard- und Software für eine vom Kunden gewünschte Organisationslösung garantieren. Ob die vom Kunden erarbeitete organisatorische Lösung für ihn wirtschaftlich ist, kann nicht im Verantwortungsbereich des Herstellers liegen.

Wenn z. B. ein Fuhrunternehmen einen Lastwagen bestellt, wird wohl kaum das Fuhrunternehmen erwarten, daß der Lieferant für die Wirtschaftlichkeit dieser Investition in dem speziellen Unternehmen verantwortlich zeichnet.

Steht diese Aussage nun im Widerspruch zu werblichen Aktionen von Honeywell Bull? Zur Erinnerung: Mit viel Advertising-Tamtam waren erst im Frühjahr 1977 "alle 105 000 Computer-Benutzer in Deutschland" um die Offenlegung intimster Unternehmens-Interna gebeten worden, auf daß ein Honeywell-Bull-Rechner diagnostizieren könne, "wie wirtschaftlich arbeitet Ihr Computer im Vergleich?". Kann der Anwender deshalb erwarten, daß er (überhaupt als EDV-Newcomer) beraten wird, ob er seinen (Lastwagen-)Computer wirtschaftlich einsetzt? Oder ist nach Honeywell-Bull-Lesart ein EDV-System schon dann wirtschaftlich, wenn es konkurrierende Systeme gibt, wie teurer sind? Ist dies die Art von Wirtschaftlichkeit, die der Anwender erwartet (und unter dem Begriff Beratung vermutet)?

2. Der Lieferant von EDV-Anlagen wird wohl kaum für nicht eingetroffene Umsatzerwartungen sowie für nicht erwartete Kostenentwicklungen außerhalb des EDV-Bereichs verantwortlich gemacht werden können. Dies sind aber die Hauptgründe, warum die in Ihren Artikeln erwähnten Pharma-Unternehmen von anderen Pharma-Großhändlern übernommen wurden.

Wozu rät ein Hersteller wenn es um die Konfigurierung einer Anlage geht? Der Begriff der "Aufwärts-Kompatibilität" stammt - und was wird niemand in der Branche bestreitet - aus dem EDV-Marketing. Wir müssen zugeben, daß uns "Schrumpfung" im Sinne eines "Downgrading" aus Herstellerverträgen nicht geläufig ist. Die maßgenaue Adaption findet nach Honeywell-Bull-Worten indes in jedem Fall statt. Zitat aus der Honeywell-Bull-Broschüre "Computer Systeme Anwendungen" (Ref.-Nr. 00.11.080): "Jedes System kann hinsichtlich Leistungsfähigkeit der Zentraleinheit und der angeschlossenen Peripherie so zusammengestellt werden, daß es betrieblichen Bedürfnissen genau entspricht, jedoch mit der Aufgabenstellung jeder Zeit wachsen kann."

3. Wenn ein Unternehmen beabsichtigt, die gesellschaftlichen Anteile eines anderen Unternehmens zu übernehmen, obliegt es seiner kaufmännischen Sorgfaltpflicht, die Rechte und Pflichten aus Verträgen zu prüfen die das zu übernehmende Unternehmen eingegangen ist. Dies ist offensichtlich bei keiner der unternehmenden Firmen passiert, da wir von der Übernahme nicht wegen eines evtl. Rückkaufs oder einer evtl. Inzahlungnahme kontaktiert wurden. Es mutet als schlechte kaufmännische Usance an, wenn die Fa. Pharma-Bauer die unterlassene Sorgfaltpflicht im nachhinein auf Kosten des Lieferanten zu korrigieren versucht.

4. Wir haben in der Übernahme von Firmen einige Erfahrung. Wir haben dabei uns jedes Mal von der guten kaufmännischen Regel "pacta sunt servanda" leiten lassen. Dies war in einigen Fällen sicherlich kurzfristig schmerzlich. Wir glauben aber daß sich dieses solide kaufmännische Verhalten langfristig ausgezahlt hat und auszahlen wird.

5. Wir haben mit beiden unternehmenden Firmen Verhandlungen über die Inzahlungasnahme geführt. Dabei haben wir die Kostenstruktur im EDV-Geschäft sehr deutlich aufmerksam gemacht. Wir haben darauf hingewiesen, daß in diesen speziellen Anwendungsfällen Distributionskosten von über 70% des Listenpreises entstanden sind. Die Distributionskosten verteilen sich auf Verkauf, Beratung, Systementwurf, Systemprogrammierung, Installationsberatung, Installation, Einführung der Software, Lieferkosten (Fracht, Zoll, Versicherung etc.) und administrative Kosten. Bei Rücknahme der Hardware müßten die Systeme noch einmal vermarktet werden. Bei Abzug von über 70% Distributionskosten vom Listenpreis sowie bei Abzug der Abschreibungsraten zuzüglich der zu erwartenden neuen Vermarktungskosten kann man sich leicht ausrechnen, daß von seiten des Lieferanten die Hardware kaum wirtschaftlich zurückgenommen werden kann.

Wir haben deshalb mit beiden übernehmenden Firmen Verhandlungen über Perspektiven einer zukünftigen Zusammenarbeit unter fairer Abwägung beiderseitiger Interessen geführt. Wir waren bereit, die installierten Systemen zu sehr hohen Sätzen in Zahlung zu nehmen, falls sich die zu übernehmenden Firmen dazu bereiterklärt hätten, eine Zusammenarbeit mit Honeywell Bull weiterzuführen. Es muß darauf hingewiesen werden, daß wir erhebliche Aufwendungen in die Ausarbeitung von Möglichkeiten einer zukünftigen Zusammenarbeit gesteckt haben. Dabei haben wir Lösungen vorgeschlagen, die von außerordentlichem wirtschaftlichen Nutzen für die zu übernehmenden Firmen gewesen wären. Bei einer übernehmenden Firma ist dies auch anerkannt worden.

Nicht gescheiterte Verhandlungen über eine Inzahlungnahme (bei der also Honeywell Bull nur Honeywell Bull abgelöscht hätte), sondern einen "grundsätzlich abgelehnten Rückkauf" prangerte die dem Bericht zugrundeliegende Anzeige der Firma Pharma Bauer an.

Besonderer Aufmerksamkeit bedarf der Passus, wie sich der Listenpreis zusammensetzt. Danach sind immerhin auch die Kosten für "Beratung" einkalkuliert. Zu Beratung lesen Sie bitte die HB-Auffassung unter Punkt 1. Lesen Sie nur bitte gleichmütig bis zum Ende des zweiten Absatzes von Punkt 5. Und lassen Sie sich den verletzten Satz auf der Zunge zergehen (und im Kopfe nachklingen):

"Dabei haben wir Lösungen vorgeschlagen die von außerordentlichem wirtschaftlichem Nutzen für die zu übernehmenden Firmen gewesen wären."

6. Wir sind jeder Zeit bereit, den Beweis anzutreten, daß wir mit den uns zur Verfügung stehenden Produkten sowie mit unserem Know-how in der Pharma-Handel-Branche Lösungen präsentieren können, die von der Wirtschaftlichkeit her jedem Vergleich standhalten.

Hier ist die Frage zu stellen, wer die Wirtschaftlichkeit nachweist. Wir zitieren ergänzend aus den HB-Verbandsnachrichten Nr. 11: "Datenverarbeitung macht Investitionen erforderlich, und als Hersteller von Datenverarbeitungssystemen sehen wir es als eine der wichtigsten Aufgaben an, dafür zu sorgen, daß unseren Kunden hier keine Verluste entstehen".

7. Es muß noch darauf hingewiesen werden, daß bei einer übernommenen Firma die durch unsere Lösung verursachten Kosten nur einen Bruchteil der gesamten EDV-Kosten ausmachten. Die Unterstellung eines Overselling sowie die Unterstellung, daß die durch unsere Lieferung verursachten Kosten ursächlich für den Verkauf der übernommenen Firmen sind, sind deshalb absurd. Dies kann gesagt werden, obwohl - wie unter 1. erwähnt - der Hersteller wohl kaum für die Wirtschaftlichkeit einer im Zusammenhang mit einer organisatorischen Lösung getätigten Investition verantwortlich gemacht werden kann.