Gerupfter Adler

18.09.1981

Zehntausend mußten erst auf die Straße gehen, Gewerkschaften und Pfarrer auf die Barrikaden steigen, der Frankfurter Oberbürgermeister Wallmann nach Wolfsburg reisen und Sozialdemokraten vereint mit Unionschristen zum Protest rufen, damit das Frankfurter Werk der Triumph-Adler AG nicht seine Tore schließt. Dennoch: Die jetzt gefundene Lösung, von 2600 Beschäftigten nur 1600 zu - zumal für die hessische Produktionsstätte jetzt 750 Mitarbeiter in den Werken Nürnberg und Schwandorf bluten müssen. Zwar versucht die angeschlagene Volkswagen-Tochter, hier den Personalbestand über entlassen, mutet eher als konfuses Management-Hick-Hack an denn als langfristig erfolgversprechende Lösung Frühpensionierungen zu dezimieren, aber wie dumpf muß dies in den Ohren der Betroffenen klingen.

Zuerst sollten Produktionskapazitäten aus dem Wolfsburger VW-Werk in die Main-Metropole transferiert werden, dann wurde offeriert, 2000 Mitarbeiter in die VW-Fertigung nach Wolfsburg und Bremen zu verpflanzen. Jetzt, nach dem "Druck aus der Öffentlichkeit" (TA-Originalton) werden - wenigstens vorübergehend - ein paar hundert Arbeitsplätze gerettet.

Unter TA-Kennern ist es längst kein Geheimnis mehr, daß die Nürnberger Büromaschinen-Schmiede das Klassen ziel " Vollblut-Computer-Anbieter" noch nicht erreicht hat. Nach dem Frankfurter Debakel wird jedoch erneut deutlich, daß im DV-Bereich qualifizierte Software-Experten und Entwicklungsingenieure fehlen, die den fallenden Adler auffangen könnten.

Bereits 230 Millionen Mark sollen die Nürnberger in diesem Jahr in den Sand gesetzt haben. Daß hier Mutter und Tochter versagt haben, ist offensichtlich. Da helfen auch keine Dementis des geschäftsführenden VW-Vorstands- und Ex-TA-Aufsichtsratsvorsitzenden Professor Friedrich Thomée oder Beteuerungen anderer VW-Bosse, das angeschlagene Unternehmen wieder zum Erfolg zu führen. Die Wurzeln des Versagens liegen vielmehr in der Vergangenheit. Nacheinander hielten Konzerne wie Grundig und Litton das TA-Kapital und bestimmten jahrelang den Nürnberger Kurs. Investitionen tätigten sie aber nur widerwillig und gemächlich vielmehr wurde die einstige "Perle der Branche" kontinuierlich geschröpft. Berappen mußte indessen Vater Staat: Bis 1979 löhnte das Bundesministerium für Forschung und Technologie etwa 14, 7 Millionen Mark an "Entwicklungshilfe" aus öffentlichen Mitteln.

Jetzt muß auch der neue Hausherr VW für "lnstandhaltungsmaßnahmen " rund 100 Millionen Mark in den Nürnberger Altbau buttern. Ein teurer Abschlag für all diejenigen, die in der Vergangenheit bei Triumph-Adler das Vordrängen der Elektronik unterschätzt haben.

Vor diesem Hintergrund erscheint das VW-Debüt im Elektronikmarkt als mißlungen. Indessen liegen die Motive des von Thomee arrangierten TA-Deals noch immer im dunkeln, denn die mit Fahrrädern und Nähmaschinen groß gewordene Tochter lag schon bei der Adoption in den Wehen. Thomées Amtsniederlegung als Aufsichtsratsvorsitzender der Triumph-Adler AG werten Branchenkenner nun als Rückpfiff in Wolfsburger Gefilde. Hier sei Thomée bisher wesentlich erfolgreicher gewesen.

Bleibt abzuwarten, ob Nachfolger Horst Münzner die in ihn gesetzten Erwartungen als neuer TA-Lotse erfüllt und den lecken Elektronik-Kahn noch vor der befürchteten Havarie in die ersehnten Profit-Gewässer manövrieren kann.